Eberhard Hahn am Neckarufer im Lindenschulviertel. Foto: Elke Hauptmann - Elke Hauptmann

Ein beherrschendes Wahlthema für die Untertürkheimer ist die Umgestaltung des Lindenschulviertels. Im Rahmen von Stadt am Fluss soll der Neckar erlebbarer gemachte werden. Noch regt sich aber wenig.

UntertürkheimEberhard Hahn lässt seinen Blick über das Neckarufer im Untertürkh eimer Lindenschulviertel schweifen. Lange schon war er nicht mehr hier. Warum auch? Es ist kein Ort, der zum Verweilen einlädt. Eine einzige Bank steht verloren am Uferweg, am kleinen Anleger des Neckar Käpt’n wartet man vergeblich auf ein Schiff, denn es wird keines kommen. Der Fluss selbst ist in ein künstliches Betonkorsett gezwängt, von einer steilen Böschung gesäumt und durch einen Zaun abgesperrt.

Doch die Erinnerungen kommen schnell. „Hier sind wir als Kinder oft in den Neckar gesprungen“, erzählt der 84-Jährige lächelnd und fügt in Anspielung auf die aktuelle Debatte um die Surfwelle hinzu, die Wasserqualität sei damals kein Thema gewesen. „Der Fluss war vermutlich nicht sauberer als heute.“ Die Generation seines Vaters habe noch im Neckar das Schwimmen gelernt. „Zu meiner Zeit gab es das Inselbad schon. Aber die fünf Pfennig Eintritt wollten wir uns sparen.“

Hahn, der einstige Vorsitzende des örtlichen Bürgervereins, hat einige Fotos von früher dabei. Das Früher ist zweigeteilt und bedeutet: vor 1924 und danach. „Die Neckarverlegung hat Untertürkheim entscheidend verändert“, erklärt der Ortschronist. „Ursprünglich reichte der Fluss dicht an den Ort heran.“ Jahrhunderte lang floss er von Obertürkheim bis Untertürkheim links des Bahndamms, etwa im Bereich des heutigen Bruckwiesenweges. Er trennte Untertürkheim vom Lindenschulviertel, beide Teile waren über eine Stahlbrücke verbunden. Den Hochwassern zum Trotz habe man gut mit dem Fluss gelebt: Es gab eine Neckarpromenade und ein Strandbad, man konnte Ruderboot fahren. Die Vereine hatten auf den Wiesen vor der Stadt – dort wo 1929 das Inselbad eröffnete – ihre Sportplätze. In den Auen wurde Spargel angebaut, den die Herrschaften aus Stuttgart in den hiesigen Wirtschaften verspeisten.

Aus dem Bewusstsein

1920 wurde die Schiffbarmachung des Neckars beschlossen und 1923/24 umgesetzt. Mit dem neuen Verlauf rückte er weg vom Ort – und damit zunehmend auch aus dem Bewusstsein der Untertürkheimer. Der Hafenausbau in den 1950er-Jahren trug das Seine dazu bei. Denn nun hat die Industrie in den Neckarvororten fast alle Flächen am Fluss belegt.

Heute ist der Neckar für die Untertürkheimer kein Identifikationsobjekt mehr. Doch das soll sich ändern. Die „Stadt am Fluss“ nennt Oberbürgermeister Fritz Kuhn sein ehrgeiziges Prestigeprojekt, den Neckar erlebbar zu machen. Auch an jener Stelle im Lindenschulviertel, an der früher viel los war. Ein „Erlebnisort von besonderer Qualität“ soll dort entstehen – mit Platz zum Verweilen, Flanieren, Radfahren und mit einem Zugang zum Fluss, auf dem ein Schwimmdeck vorgesehen ist, das auch als Anlegestelle für zwei Schiffe genutzt werden kann. „Mit seiner hohen Aufenthaltsqualität und kommunikationsfördernden Gestaltung soll sich der Lindenplatz zu einem beliebten Treffpunkt und sozialen Mittelpunkt im Lindenschulviertel und darüber hinaus entwickeln“, ist das Ziel im Masterplan formuliert. Doch das Projekt will nicht so recht ins Fließen kommen. Auf die Umsetzung warten die Untertürkheimer schon seit Jahren. Noch immer steht nicht fest, wann mit dem mindestens zwei Millionen Euro teuren Umbau der Promenade begonnen wird – in den Haushaltsberatungen Ende des Jahres wird der Gemeinderat erneut über die Finanzierung diskutieren müssen. Einen Schub soll die Internationale Bauausstellung (IBA) 2027 bringen. Eine von insgesamt 28 Projektideen ist, die Altstadt von Untertürkheim bis zu diesem Datum mit dem Neckar zu verknüpfen. Dabei geht es unter anderem um eine Umgestaltung des Karl-Benz-Platzes sowie der Inselbrücke und des Pfisterer-Areals am Lindenschulviertel.

„Alles, was zur Belebung des Ortes beiträgt, ist zu begrüßen“, meint Eberhard Hahn, der deshalb auch die Absage der Stadt an die Surfwelle im Untertürkheimer Kraftwerkskanal bedauert. Das Projekt, das sich im Bürgerhaushalt die meisten Stuttgarter wünschen, wurde aufgrund von Gesundheitsrisiken durch das keimbelastete Wasser ad acta gelegt.