Wo kommt eigentlich die Christbaumkugel her? Foto: imago/Rainer Droese/ localpic tel

Wer hat Santa Claus erfunden, woher kommen Christbaumkugeln, woher das Christkind, wie feiert man Heiligabend im Krieg und warum gibt es Lebkuchen nur an Weihnachten? Fünf Episoden aus den Geschichtsbüchern.

Jeder pflegt andere Traditionen an Weihnachten oder Heiligabend. Eines aber ist nie verkehrt: Wenn der Gesprächsstoff am Tisch ausgeht, müssen Themen her, die im Idealfall ohne Streit verlaufen.

Hier kommen fünf Episoden aus den Geschichtsbüchern über Weihnachten, unsere Bräuche, Traditionen und die Gegebenheiten, die Weihnachten so schön machen.

Die Legende vom armen Glasbläser

Glasstadt Lauscha im 19. Jahrhundert: Die meisten Glasbläser sind bitterarm und haben an Weihnachten kein Geld für Nüsse, um damit den Baum zu schmücken. Doch ein Glasbläser hat eine Idee. Er greift zu seinem Werkzeug, bläst eine Glaskugel, und der gläserne Baumschmuck ist erfunden. Ist die Geschichte wahr? Nein! So rührend die Legende vom armen Glasbläser auch ist, tatsächlich war die Entstehung des Schmucks schlicht eine Weiterentwicklung der gläsernen Schmuckperle.

Aber in der Tat: Glasbläser waren arm, und ja, das thüringische Lauscha ist der Geburtsort der gläsernen Christbaumkugel. Bewiesen haben das drei Hobbyhistoriker: Lothar Richter, Gerhard Greiner-Bär und Jürgen Müller-Blech. Unermüdlich suchten sie nach Belegen, wälzten zahlreiche Akten.

Besondere Bedeutung kam dabei den 200 Jahre alten Musterbüchern im Spielzeugmuseum in Sonneberg zu. Darin fanden sie alte Skizzen, mit denen sie ihre These stützen konnten. Im März 2021 wurde die „Herstellung von mundgeblasenem, gläsernem Lauschaer Christbaumschmuck“ als Immaterielles Kulturerbe in das Bundesweite Verzeichnis eingetragen. (dbw)

Wie aus Nikolaus Santa Claus wurde

Fredericksburg, 13. Dezember 1862: Auf dem blutgetränkten Schlachtfeld in Virginia liegen mehr als 13 000 Unionssoldaten. Der furchtbare Blutzoll drückt die Moral der Nordstaaten-Armee. Die militärische Niederlage ist derart verheerend, dass sogar der Präsident in die Kritik gerät.

In dieser schweren Stunde erscheint am 3. Januar 1863 auf der Frontseite des Politmagazins „Harpers Weekly“ ein Bild mit dem Titel „Santa Claus in Camp“. Es zeigt einen Mann mit dickem Bauch, Bart und Stiefel, der im Feldlager der angeschlagenen Unionstruppen Geschenke verteilt.

Bescherung im Feld, Titelbild für „Harper’s Weekly“ am 3. Januar 1863. Foto: Son of the South//gemeinfrei

Gezeichnet hatte das Bild der aus Landau stammende und mit sechs Jahren in die Neue Welt emigrierte Karikaturist Thomas Nast (1840–1902). Der Zeichner nahm sich den „Pelznickel“, den Gabenbringer seiner pfälzischen Heimat, zum Vorbild, der in der Adventszeit Kindern Obst und Nüsse schenkt. Doch anders als den heimischen Gabenbringer schickte Nast seinen Santa Claus nicht in die Kinderstuben, sondern in den Krieg und verpasste Jacke und Hosen seiner Kunstfigur die patriotischen „Stars and Stripes“.

Nast hatte die deutsche Tradition mit einem politischen Motiv verwoben und aus dem Weihnachtsmann eine nationale Trostgestalt gemacht. Amerikas Santa Claus war geboren, Nast hatte ihm ein Gesicht gegeben. Der Profanierung des heiligen Nikolaus sollte bald dessen Kommerzialisierung folgen. (tkk)

Frieden im Niemandsland

Es soll ein kurzer Krieg werden: Erst die Franzosen werfen, dann die Russen, jeder Stoß ein Franzos’, jeder Schuss ein Russ’ – „Weihnachten seid ihr wieder zu Hause“. Doch Weihnachten 1914 ist der Sieg in weiter Ferne und kein Frieden in Sicht. Aus dem Bewegungskrieg ist ein mörderischer Stellungskrieg geworden – und das Schlimmste steht den Soldaten noch bevor.

Um den Männern eine Freude zu machen, schickt die Oberste Heeresleitung Tausende Weihnachtsbäume an die Front – unterschätzt aber die Sehnsucht vieler Soldaten nach Frieden. Und dann geschieht das Undenkbare: An Heiligabend schweigen an vielen Abschnitten der Westfront auf einmal die Waffen, während sich im flandrischen Niemandsland Männer verbrüdern, die gerade noch aufeinander geschossen haben.

Vor allem Briten und Deutsche klettern aus den Gräben, singen gemeinsam Weihnachtslieder, tauschen Geschenke aus – Stollen gegen Scones, Plätzchen gegen Plumpudding – und verabreden sich für die Zeit nach dem Krieg. Schätzungsweise 100 000 Mann beteiligen sich an der mehrtägigen Waffenruhe, sogar zu einem Fußballspiel soll es gekommen sein. Endstand: Sachsen 3, Schottland 2.

Der Weihnachtsfrieden ist eine „Episode der Menschlichkeit inmitten der Grausamkeiten“, schreibt der britische Schriftsteller Arthur Conan Doyle. Ein Jahr später ist Heiligabend ein Tag wie jeder andere. Statt Weihnachtsbäume schickt die Heeresleitung den Befehl, jeden Soldaten, der mit dem Feind „Stille Nacht“ singt, auf der Stelle zu erschießen. Das Gemetzel geht weiter. (smr)

Kuchen im Krieg

Alle Jahre wieder ertönt Anfang September das Gejammer, weil die Supermärkte ihre Regale mit Schoko-Weihnachtsmännern und Lebkuchen aufmunitionieren, obwohl die festlichen Tage noch Monate entfernt sind. Der bayerische Komiker Günter Grünwald sah sich gar genötigt, das „Grünwald’sche Lebkuchengesetz“ zu erlassen, wonach „das Inverkehrbringen und Verzehren von Lebkuchen und ähnlich gelagerter weihnachtlicher Backwaren vor dem 9. November mit Gefängnis nicht unter vier Jahren bestraft“ wird. Wahlweise gebe es zwölf Watschen.

Lebkuchen, aus der Not geboren. Foto: Adobe Stock/Andrea Mücke

Was bei Schoko-Nikoläusen durchaus nachvollziehbar ist, trifft auf Lebkuchen nicht zu, denn die wurden einst ganzjährig verspeist. Zum saisonalen Gebäck werden sie erst mit dem Dreißigjährigen Krieg. Handelszentren wie Ulm, Augsburg oder Nürnberg liegen mitten im Kampfgebiet, werden verheert oder belagert, müssen mal die Schweden, mal die Kaiserlichen beherbergen.

Das Elend ist groß, die Zutaten werden knapp, vor allem exotische Gewürze wie Pfeffer, Kardamom, Zimt oder Anis. Mangels Ingredienzen gibt es Lebkuchen fortan nur noch zu festlichen Anlässen, erst die Not macht sie zu einem Weihnachtsgebäck. Höchste Eisenbahn, die Nachkriegszeit hinter sich zu lassen. (smr)

Christkind oder Weihnachtsmann

Kaum einer will einem Kind die Illusion nehmen, dass es sich mit Weihnachtswünschen an eine höhere Macht richten kann. Schwierig wird es, wenn nach heimischen Gesprächen über das Christkind der Kindergartenfreund plötzlich von einem Weihnachtsmann erzählt, der bei ihm durch den Kamin klettere.

Wer wo die Geschenke bringt, hängt auch mit der religiösen Prägung bestimmter Regionen zusammen. Das Christkind kommt eher in katholischen Gegenden vor, also in Süd- und Westdeutschland. Regionen, die protestantisch sind – der Norden, Osten und die Mitte der Republik –, sprechen vom Weihnachtsmann.

Wer bringt die Geschenke: Weihnachtsmann oder Christkind? Foto: Unsplash/Markus Spiske

Früher war das anders. Die Katholiken hatten nur den Nikolaus, der am 6. Dezember Geschenke brachte. Das Christkind ist eine Erfindung Martin Luthers, der vom „heiligen Christ“ als überirdischem Wesen sprach. Um sich das bildhafter vorzustellen, entstand die Idee eines lockigen Mädchens.

Erst ab dem 18. Jahrhundert kam der Weihnachtsmann dazu, der dann bei Protestanten beliebter wurde. Er ist ein weltliches Wesen, ein Helfer vom Christkind. Früher war er streng, heute ist er der nette Cola-Opa. (ema)