Wiedersehen am Flughafen: Alina Rotaru und Max Kottmann. Foto: Mathias Kuhn - Mathias Kuhn

Sie ist die sechstbeste Weitspringerin der Welt, verpasste in Doha nur knapp eine Medaille und wohnt in Wangen: Die 26-Jährige Alina Rotaru startet für Rumänien, fühlt sich aber im Neckartal aber heimisch.

WangenSie ist die sechstbeste Weitspringerin der Welt. Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften am Sonntag vor einer Woche in Doha ist sie nur um Millimeter an einer Medaille vorbeigehüpft: Alina Rotaru startet für Rumänien, lebt aber seit vier Jahren in Wangen. Während eines Zwischenstopps in Stuttgart erzählte die 26-jährige Topathletin, wie sie die Weltmeisterschaften erlebte und was ihr an Stuttgart so gefällt.

In der Sandgrube und auch abseits geben Sie eine gute Figur ab – was war schwieriger, der sechste Platz bei der WM oder das Warten als Fotomodell, was Sie ja auch schon eindrucksvoll hinter sich gebracht haben?
Ich habe schon ein paar Fotoshootings gemacht. Es ist eigentlich immer so, dass es ein paar Minuten dauert, bis man sich an die Situation gewöhnt hat. Wenn man sich aber mit dem Fotografen gut versteht, ist die Situation schnell sehr locker und angenehm. Ich mache das gerne. Außerdem gehört das im Sport mittlerweile dazu. Den sechsten Platz in Doha zu erreichen, war alleine vom Niveau der Aufregung viel intensiver und daher deutlich anstrengender als ein Fotoshooting.

Hatten Sie Zeit, Doha kennenzulernen, oder kamen Sie aufgrund der Hitze nicht aus dem Hotel heraus?
Mit meinem Trainer Micky Corucle haben wir uns für einen langen Aufenthalt in Doha entschieden, damit ich mich an die Gegebenheiten vor Ort gewöhnen kann. Wir reisten 14 Tage zuvor an. Die Frage der Akklimatisierung ist immer ein großes Thema bei Wettkämpfen außerhalb Europas. Durch die frühe Anreise haben wir uns Zeit und Raum verschafft und dadurch hatte ich natürlich die Möglichkeit, gerade die Abendstunden für kleine Stadttouren zu nutzen. Die Hitze an sich war nicht das Problem, es war die Luftfeuchtigkeit, an die man sich gewöhnen musste.

Wie empfanden Sie die Atmosphäre auch innerhalb der Leichtathletik-Familie im Vergleich zu London?
In Doha hatten wir zu Beginn echt Probleme mit der Stimmung im Stadion. Es hat lange gedauert, bis die Stimmung bei den Athleten und Teams angekommen ist. Allein durch die klimatischen Bedingungen war es so, dass die Athletinnen und Athleten nicht so in der Stadt und im Stadion unterwegs waren. Daher hatte man deutlich weniger Kontakt untereinander.

Zum Wettkampf: Wie groß war die Nervosität während der Qualifikation?
Nach dem ersten Versuch war die Nervosität verflogen, weil ich schon recht sicher sein konnte, dass es für das Finale reichen könnte. Ich bin eine Person, die einen Tag vor dem Wettkampf immer sehr nervös ist. Das bringt mich dann auch meist um den Schlaf. Sobald man dann Richtung Stadion geht wird es besser.

Am Abschluss-Sonntag fand dann das Finale statt. Wie lief es aus Ihrer Sicht?
Da schon am Tag nach der Qualifikation das Finale anstand, war es wichtig, frisch und spritzig zu bleiben. Das ist mir gelungen und ich bin sehr zufrieden, wie das Finale gelaufen ist, weil ich meine Leistung vom Vortag wiederholen konnte. Auch im Finale ist mir der erste Sprung gelungen.

Zum vierten Versuch. Er war ungültig, weil sie wenige Zentimeter übertraten. Hadern Sie darüber?
Der vierte Versuch war nur ganz knapp ungültig. Laut Videoanzeige bin ich drei Millimeter auf das Plastilin am Absprungbalken getreten. Das war schade, weil dieser Sprung in Richtung persönlicher Bestleitung war. Damit wäre ich mitten im Rennen um eine Medaille gewesen. Aber ungültig ist ungültig. Dies gehört eben zum Weitsprung dazu. Ich war im Finale der besten Acht und bin auf Risiko gegangen. Dieses Mal hatte ich das Glück nicht auf meiner Seite, aber damit kann ich gut leben.

Wann sind sieben Meter fällig?
Sieben Meter sind das große Ziel für jedes Mädchen und für jede Frau im Weitsprung. Es ist die magische Grenze. Ich habe mich Jahr für Jahr dieser Marke genähert und ich bin mir sicher, dass sie irgendwann fällig ist. Dieses Jahr werde ich keine Wettkämpfe mehr bestreiten, weil ich nach so einer langen Saison etwas Pause und Regeneration benötige. Ich will gesund über die Vorbereitung kommen, um in Tokio in Bestform zu sein. Ein Traum wäre es, dort die sieben Meter zu springen.

Was erwarten Sie für Tokio?
Die Olympischen Spiele sind das größte für jeden Sportler. Hier erwarte ich mir, dass ich dort anknüpfen kann, wo ich dieses Jahr aufgehört habe. In Tokio will ich ins Finale und wieder vorne mitmischen.

Fühlen Sie sich in Wangen heimisch?
In Wangen lebe ich seit über vier Jahren mit meinem Verlobten Max Kottmann. Ich mag Wangen, weil es wie eine eigene kleine Stadt ist. Kein Tumult und kein Lärm. Hier kann man alles zu Fuß erreichen und ich bin superschnell im Training in der Molly-Halle. Gerade durch die Aktivitäten von Max habe ich sehr schnell Kontakt zu anderen Personen bekommen und deshalb ist Wangen für mich zu einem Zuhause geworden.

Haben Sie einen Lieblingsplatz oder Ort in Wangen?
Wenn wir durch Wangen spazieren, landen wir meistens auf einer kleinen Bank bei der Michaelskirche. Das ist ein schöner Platz zum Verweilen. Aber auch die Wangener Höhe mit den kleinen Gartenanlagen finde ich sehr schön. Wangen hat was.

Wieso fiel Ihre Wahl auf Stuttgart?
Mit meiner rumänischen Mannschaft habe ich Ende 2014 ein Trainingslager in Stuttgart gemacht. Mein damaliger Trainer wurde dann schwer krank und musste zurück. Mein jetziger Trainer, Mick Corucle, kommt auch aus Rumänien, ist aber seit Anfang der 90er in Deutschland. Da der damalige Verbandspräsident Micky Corucle kannte, hat er ihn gefragt, ob er das Training für mich übernehmen könnte. Micky hat mich bis zu den Halleneuropameisterschaften 2015 trainiert und ich wurde Vierte. Wir haben uns gleich super verstanden, die Trainingsgruppe war klasse und so habe ich mich entschieden, hierzubleiben. Dazu kam noch, dass ich auch Max kennen und lieben gelernt habe. Jetzt starte ich für den VfB Stuttgart.

Was machen Sie beruflich?
Momentan bin ich Profisportlerin. Ich habe ein abgeschlossenes Masterstudium in Sportwissenschaften und mache gerade einen zweiten Master in Sportpädagogik.

Gibt es Berufswünsche nach der sportlichen Karriere?
Ich könnte mir vorstellen, dass ich nach meiner Karriere als Lehrerin oder Trainerin arbeite. Optimal wäre eine Kombination aus beidem.

Das Interview führte Mathias Kuhn