Ein Schild mit der Aufschrift „Elternhaltestelle“ steht auf einem Parkplatz im sächsischen Bielatal. Elterntaxis sind seit Jahren ein umstrittenes Thema. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren, müssen oft Kritik einstecken. Umweltschädlich, Sicherheitsrisiko, Überbehütung - so lauten die gängigen Vorwürfe. Doch gerade auf dem Land ist das Elterntaxi nicht immer vermeidbar.

Es eines der großen Aufregerthemen: Elterntaxis zur Schule. Ein Trend, der nicht zu bremsen ist. Autokolonnen, Parken in zweiter Reihe und riskante Wendemanöver gehören vor Schulen oft zum morgendlichen Alltag. Elterntaxis seien gefährlich, umweltschädlich, und nähmen Kindern ihre Selbstständigkeit, lautet die Kritik.

Elterntaxis: sinnvoll oder riskant?

Etwa jedes fünfte Kind wird einer ADAC-Umfrage zufolge morgens mit dem Auto vor der Schule abgesetzt. So gut gemeint die Absichten auch sind (die Schule liegt auf dem Weg zur Arbeit, es regnet, man macht sich Sorgen um die Sicherheit wegen des Verkehrs), die Folgen sind mitunter verheerend.

Autos blockieren die Straßen rund um die Schulen, andere Schüler müssen sich ihren Weg durch die Blechlawinen und Abgasschwaden bahnen. Mütter und Väter suchen hektisch nach einem Durchkommen und einer Parklücke. Die Zeit drängt, schließlich müssen die Erwachsenen zur Arbeit.

„Der Umgang mit alltäglichen Konflikten ist wichtig für die persönliche Entwicklung“, erklärt der Kölner Pädagoge und Schulberater Detlef Träbert. Kinder müssten eigene Erfahrungen machen, um soziale Kompetenz zu entwickeln. Anders gesagt: Um die Welt zu erkunden und zu entdecken. Und das fängt schon frühmorgens an – auf dem eigenen Weg zur Schule.

Wie groß ist das Gefahrenpotenzial?

Per Elterntaxi zum Schulunterricht: „Das mag aus Sicht der Eltern nachvollziehbar scheinen, aber es birgt durch dieses Chaos vor der Schule ein Sicherheitsrisiko“, betont ADAC-Sprecher Andreas Hölzel.

„Das Gefahrenpotenzial hängt stark von den Gegebenheiten vor Ort ab“, erklärt Heiner Sothmann von der Deutschen Verkehrswacht. „Die Ursache ist aber meistens ein Platzproblem, denn es wollen einfach viele Autos zur selben Zeit an einem Ort sein. Befindet sich die Schule nun an einer besonders engen Straße oder in einer Gegend mit hohem Verkehrsaufkommen, kommt es unweigerlich zu Konflikten.“

Hinzu käme der Zeitdruck, da der Nachwuchs pünktlich im Klassenzimmer sitzen muss und die Eltern gegebenenfalls selbst noch zur Arbeit müssen. „Angespannte Nerven, Ungeduld, Stress und Hektik führen aber leider oft zu Unachtsamkeit und aggressivem Verhalten“, sagt Sothmann.

Schulweg: Das sind die größten Sorgen der Eltern. Foto: ADAC/obs

So bewerten Eltern neue Ideen für einen sicheren Schulweg. Foto: ADAC//obs

Das stört Kinder an ihrem Schulweg. Foto: ADAC/obs

Wie verschieden ist die Situation in der Stadt und auf dem Land?

Was zunächst einleuchtend klingt, hat jedoch einen entscheidenden Haken: Nicht überall ist es für Familien gleichermaßen leicht, auf das Elterntaxi zu verzichten. „Wir müssen dabei ganz klar trennen zwischen Stadt und Land“, erklärt die Vorsitzende des Bundeselternrats, Christiane Gotte. In den Städten, wo der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) stark ausgebaut und die meisten Familien gut angebunden sind, sei die Schülerbeförderung meist kein Problem.

In ländlichen Regionen sehe die Lage aber völlig anders aus, so Gotte weiter. Die nächste Bushaltestelle sei nicht immer gut zu erreichen, der ÖPNV oft erst ab einer bestimmten Entfernung zwischen Schule und zuhause kostenfrei.

„Die Eltern fahren gerade in schlecht angebundenen Kreisen sowieso mit dem Auto auf die Arbeit, da die Nutzung des ÖPNV die Fahrtzeit meist mehr als verdoppeln würde.“ Das Kind auf dem Weg dahin noch kurz an der Schule abzusetzen, verstehe sich dann von selbst.

Was halten Eltern von Elterntaxis?

Einer kürzlich veröffentlichten ADAC-Umfrage zufolge finden 59 Prozent der befragten Eltern, dass gefährliche Verkehrssituationen entstehen, wenn zu viele Autos vor Schulen halten. Selbst 41 Prozent der Eltern, die ihren Nachwuchs regelmäßig zur Schule fahren, sehen das demnach so. In den warmen Monaten werden 17 Prozent der Kinder hauptsächlich mit dem Auto zum Unterricht gebracht, im Herbst und Winter 22 Prozent.

„Nicht immer ist das Elterntaxi vermeidbar“, meint auch DVW-Sprecher Sothmann. Das Chaos vor dem Schultor könne man aber umgehen. „Wer sein Kind unbedingt mit dem Auto zur Schule bringen muss, kann es trotzdem in einiger Entfernung an einer sicheren Stelle aussteigen und den restlichen Weg allein zurücklegen lassen.“

ADAC appelliert an Eltern

Die Verkehrswacht und der ADAC appellieren daher an die Eltern, die eigenen Kinder früh an den Straßenverkehr heranzuführen und den Schulweg selbstständig absolvieren zu lassen. „Es ist auch im Sinne der Schüler, wenn sie frühzeitig selbstständige Teilnehmer am Straßenverkehr werden“, mahnt Hölzel. „Je früher sie das lernen, desto sicherer bewegen sich Kinder und später auch als Erwachsene im Straßenverkehr.“

Auch der ADAC empfiehlt in dem Zusammenhang sogenannte Hol- und Bringzonen. Wichtig sei, dass man mit den Kindern im Vorfeld den Schulweg intensiv trainiere, rät Heiner Sothmann.

Info: Im Straßenverkehr verunglückte Kinder und Jugendliche

Statistik
Rund 25 800 Kinder sind im Jahr 2022 in Deutschland im Straßenverkehr verunglückt. Das waren 16 Prozent mehr als im Vorjahr, das noch von Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie geprägt war, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag (15. August) mitteilte. Im Schnitt wurde 2022 alle 20 Minuten ein Kind bei einem Verkehrsunfall verletzt oder getötet, so die Behörde.

Unglückzeit
Zu den meisten Unfällen der 6- bis 14-Jährigen kam es montags bis freitags in der Zeit zwischen sieben und acht Uhr - also wenn Kinder üblicherweise auf dem Weg zur Schule sind. In dieser Zeit wurden im vergangenen Jahr 14 Prozent der verunglückten 20 500 Kinder dieses Alters im Straßenverkehr verletzt oder getötet. In der Zeit von 15 bis 16 Uhr erreichen die Unfallzahlen mit einem Anteil von elf Prozent den zweithöchsten Wert.

Verkehrsmittel
Mehr als ein Drittel beziehungsweise 36 Prozent der Kinder, die im vergangenen Jahr im Straßenverkehr verunglückten, waren mit dem Fahrrad unterwegs. 34 Prozent saßen in einem Auto und 22 Prozent gingen zu Fuß, als der Unfall passierte. Allerdings gibt es Unterschiede in den verschiedenen Altersgruppen. Kinder unter sechs Jahren sind oft im Auto mit betreuenden Erwachsenen unterwegs. Hier verunglückten auch 58 Prozent der Kinder der entsprechenden Altersgruppe.

Selbstständigkeit
Schulkinder dagegen sind mit zunehmendem Alter selbstständig im Straßenverkehr unterwegs – entsprechend steigt der Anteil der Radfahrenden und Fußgängerinnen und -gänger unter den Verunglückten. So verunglückten 42 Prozent der 6- bis 14-Jährigen auf ihrem Fahrrad, 28 Prozent in einem Auto und 21 Prozent zu Fuß.