Eine schrecklich nette Dorfgemeinschaft: Szene aus „Die Kirche bleibt im Dorf“. Foto: P. Pfeiffer Quelle: Unbekannt

Von Verena Großkreutz

Esslingen - Schwäbische Langsamkeit mag dem einen oder der anderen charmant vorkommen. Was Witz und Slapsticks angeht, von denen Komödien leben, nun ja, da schläfert sie mitunter doch eher ein. In der schwäbischen Dialekt-Komödie „Die Kirche bleibt im Dorf“, die Christine Gnann nach dem bekannten Kinofilm von Ulrike Grote aus dem Jahr 2012 jetzt an der Esslinger Landesbühne inszeniert hat, schleicht sich das Bühnengeschehen recht betulich durch die Zeit. Der Wortwitz geriert sich meist mau („Ist das salzig?“ „Noi, des isch Gsälz“), das Spieltempo bewegt sich gefühlt im Adagio-Modus. Auf Pointen muss man lange warten („Ihr Männer seid alle gleich. Ihr seht nur anders aus, damit man euch auseinanderhalten kann.“) Die Handlung ist dabei reichlich verworren. Es geht um zwei verkrachte Ortsteile (Ober- und Unterrieslingen, warum eigentlich nicht Ober- und Untertrollingen?), um ein Schlagloch, für das sich niemand verantwortlich fühlt, eine Oma, die nicht begraben werden kann (oder doch?) und deren Sarg dann irgendwie anders von der Bühne verschwindet. Und es geht um zwei verfeindete Familien, ein altes Manuskript und einen tumben US-Amerikaner in türkisfarbenem Anzug, der die Kirche im Dorf für ein paar Millionen kaufen will, angeblich um sie seiner Mutter zu Weihnachten zu schenken. Am Schluss steht das erzwungene Happy End, und drei Liebespaare haben zueinander gefunden.

„Du Grasdaggel!“

Der Film hat es geschafft, dank schwarzem Humor Kultstatus zu erlangen. Im Esslinger Schauspielhaus freut sich das Publikum wohl vor allem darüber, die heimische Muttersprache auf der Bühne zu hören, die von einigen der zehn spielenden Ensemblemitglieder recht authentisch geschwätzt wird. Und klar, der eine oder die andere erheitert sich sicher auch über das Grunzen der niedlichen Schweine-Puppen oder über Harald, der mit einem gaaaaanz dicken Bauch in einem unheimlich hässlichen Trainingsanzug und Vokuhila-Frisur auf die Bühne tappt. Ein paar Lacher verraten auch, dass es einige lustig finden, dass der Bürgermeister plötzlich in Unterhosen auf der Bühne steht. Warum er das tut, bleibt freilich im Dunkeln. Dazwischen wird ziemlich viel geschimpft: „Du Seggl!“ „Du Grasdaggel!“ „Du Dräggsau!“ „Du Jenseidsbachl!“ „Du Heggabronzr!“ Vor allem der Bürgermeister Gottfried Häberle tut’s - das schwäbische Fluchen ist für den gebürtigen Stuttgarter Reinhold Ohngemach kein Problem.

Die Bühne versammelt alle Handlungsorte auf einmal: Eine Efeuhecke, hinter der sich der Schuppen für Techtelmechtel befindet; ein klappbares Kirchenskelett, über dem eine fette Putte schwebt und unter dem sich die Gruft eines vor ewigen Zeiten in den Freitod gegangenen Liebespaares namens Strümpfelbach befindet. Das Schlagloch natürlich und die kleine Gaststätte der Häberles, für Spätzle mit Soß‘ und den Trollinger, den der Pfarrer Schäuble nicht achteles-, sondern gleich literweise in sich hineinlaufen lässt.

Hinter den Schiebetüren der Wirtschaft erscheint immer wieder eine bärtige Band, die aufspielt. In das Durcheinander vieler Gruppenszenen, in denen meist über den drohenden Kirchenkaufklau palavert, aber auch viel herumgestanden wird, bringt vor allem diese Live-Musik-Kapelle Struktur. Bandleader Oliver Krämer und seine Jungs begleiten - mal rockig, mal ufftata - Songs der Schwoba-Rocker Grachmusikoff und Schwoißfuaß, die vom Ensemble recht ordentlich zum Besten gegeben werden: „Oinr isch emmr dr Arsch“, singt Häberle-Tochter Christine Häberle (Sofie Alice Miller), und die Jungschweinbauernsöhne Peter (Tobias Strobel) und Karl (Felix Jeiter) trällern im Duett: „Wo sich die Buaba zeiget heimlich den Schniedelwutz, do bin i dohoim“.

Vielleicht ist die Bühne auch schuld, dass dem Abend das Tempo fehlt. Sie hat nämlich keine Türen, die knallen und hinter denen man schnell verschwinden und wieder auftauchen könnte. Immerhin gibt es an diesem Abend drei echte Überraschungen: der cholerische rothaarige Bürgermeister knallt seinen Schwiegersohn plötzlich mit dem Kopf auf den Sarg der Oma, Mittelsmann Dieter (Christian A. Koch) haut seinem amerikanischen Millionärsfreund Howard (Frank Ehrhardt) unvermittelt die Aktentasche ins Gesicht, und Dieter kann auch einmal mit einem Bottle-Flip seines Aktenkoffers punkten, der den Pfarrer (Peter Kaghanovitch), der volltrunken über seinem Viertele zusammengesunken ist, aus dem Tiefschlaf aufschrecken lässt. Bleiben noch die lustigen Perücken zu erwähnen (Bühne und Kostüme: Judith Philipp), deren allerschönste die Häberle-Tochter Maria (Elif Veyisoglu) auf ihrem Kopf trägt: hoch aufgetürmt im Marge-Simpson-Style.

Klar, dass Komödienhandlungen hanebüchen sein dürfen. Und so muss auch die Tatsache, dass das Interesse des US-Millionärs an der Kirche eigentlichem einem verschollenen Shakespeare-Manuskript gilt - der ersten Fassung von „Romeo und Julia“ -, akzeptiert werden. Zumal es dann an einem sehr pikanten Ort gefunden wird: im Hinterteil der Putte.

Die nächsten Vorstellungen: 16. und 19. Dezember sowie 12. und 17. Januar.