Im Sommer braucht’s keinen Regenschirm. Das sollte auch so bleiben. Foto: dpa/Candy Welz

Spritzpistolen sind eine tolle Sache und dürfen gerne aus der Versenkung hervorgeholt werden. Solange nicht übertrieben wird. Schreibt Andreas Hennings in seinem Blickwinkel.

Woher kamen plötzlich, vom einen auf den anderen Tag, all die Jugendlichen? Auf den Gehwegen, in den Parks, auf den Dorfplätzen, in sämtlichen Innenstädten. Wohin man blickte, verbrachten sie ihre Freizeit. Freiwillig. An der frischen Luft. Stundenlang. Spazierend. Kurzum: Es war ein ungewohnter Anblick, bei dem man dachte: Hurra, die Jugend entdeckt in ihrer wenigen Freizeit zwischen Nachmittagsunterricht, Vereinsleben und teils dem „Zocken“ das Draußensein für sich. Wie schön! Auch wenn der Blick der Jugendlichen weniger in die Ferne schweifte, sondern dem eigenen Handy galt.

Nun ja. Immerhin aber war das Handy überhaupt der Grund dafür rauszugehen. Pokémon Go heißt das Stichwort. Eine App, die vor sieben Jahren mit mehr als einer Milliarde Nutzern einen Hype auslöste und mit der man in einem Spiel in der realen Welt virtuelle Monster sammelte. Entsprechend suchten die Jugendlichen alles ab. Der Hype war jedoch schnell verflogen. Als der Herbst kam und es kälter wurde. Und die App langweilig? Die Straßen waren wieder leer.

Kleiner Hype in Ecken unserer Region

Bekommt man jetzt mit, was in den vergangenen Wochen mit Wasserspritzpistolen passierte, erinnert das ein wenig daran. Man könnte glatt meinen, dass ein neuer Hype ausgebrochen ist. Oder sagen wir: ein „Hypechen“. Zumindest in Ecken unserer Region: Da wird aus dem fahrenden Auto auf Leute Wasser gespritzt, dort muss das Spielzeug in der Schule abgenommen werden.

Nun ist es wahrscheinlich genau der Reiz, sich mit der Spritzpistole nicht einfach auf einem Feldweg zu treffen, um sich gegenseitig nass zu machen. Sondern dort das Wasser zu „verfeuern“, wo es für den Getroffenen aus dem Nichts kommt. Wo es von Fremden entweder umso mehr gefeiert wird, weil eine Abkühlung an diesen Sommertagen guttut. Was eher selten der Fall sein dürfte. Oder wo es auf Ablehnung trifft, weil nasse Kleidung einfach mordsmäßig stört.

Die Grenze ist fließend

Ein streng erhobener Zeigefinger wegen Wasserspritzpistolen wäre an dieser Stelle etwas viel. Und die Grenze ist in diesem Fall sicherlich, bleiben wir im Thema, fließend. Klar ist aber: Es geht dann deutlich zu weit, wenn – wie bei einer Facebook-„Fahndung“ in Erdmannhausen genannt –, eine ältere Dame aus dem Auto komplett nass gespritzt wird. Wenn etwa in der Schule auch auf Technik gezielt wird, wodurch diese kaputtgehen kann. Oder wo Holzböden betroffen sind. Schlicht: Wenn übertrieben wird. Dann bekommt der (Wasser-)Spaß ein Loch, und es wäre angebracht, die Spritzpistole gar nicht erst hervorzuholen. Und sich stattdessen lieber doch Pokémon Go widmen? Just seit Freitag verfügt die App eine Woche lang als Neuigkeit sogar auch über einen Tag- und Nacht-Modus. Mit Sternenstaub-Bonus.