Auch mit ihrem zweiten Buch „Vom Glück des Zuhörens – Wie uns gute Beziehungen stark machen“ ist die Ärztin Lisa Federle auf der „Spiegel“-Bestsellerliste. Foto: VHS

Vor einer Woche ist ihr neues Buch erschienen – und schon auf Platz 15 der „Spiegel“-Bestseller-Liste. Bald liest Lisa Federle, eine Powerfrau mit Herz, im Theaterhaus. Wir sprachen mit der Ärztin über Glück, über Liebe und wie gut es tut, anderen zu helfen.

Für den Schauspieler Jan-Josef Liefers ist Lisa Federle, die gute Freundin von ihm und seiner Frau, „eine der besondersten Deutschen, die ich kennenlernen durfte“. Seine Partnerin Anna Loos hat bereits die Hand gehoben. Sollte das Leben der berühmten Notärztin, die zu den führenden Köpfen der Pandemie geworden ist, verfilmt werden, wolle sie die Hauptrolle spielen.

Tatsächlich gibt es Produktionsfirmen, die über einen Spielfilm nachdenken, der die Achterbahnfahrt einer außergewöhnlichen Frau erzählt. Der Vater starb, als sie elf war, mit 17 war sie schwanger, der erste Partner war drogenabhängig, sie alleinerziehend, Schulabschlüsse bis zum Abitur nachgeholt, Medizin-Studium und mit 37 Jahren Ärztin. Und nun? Bestseller-Autorin!

Ein Buch über Glück ist bei ihr auch ein Buch über Liebe

Ihr erstes Buch „Auf krummen Wegen geradeaus!“stand wochenlang auf der „Spiegel“-Bestseller-Liste. Der Verlag wollte daher mehr. Jetzt ist „Vom Glück des Zuhörens – Wie uns gute Beziehungen stark machen“, das neue Werk, nach einer Woche auf Platz 15 hochgeschnellt. Am Samstag, 28. Oktober, wird Lisa Federle im Theaterhaus daraus lesen, und Dieter Thomas Kuhn und Philipp Feldtkeller werden dazu Musik machen.

Ein Buch über Glück ist bei der Tübinger Ärztin auch ein Buch über die Liebe. Ihr „größtes Glück“, sagt sie, ist ihre Familie, die sie über alles liebt. Auf 318 Seiten schreibt die 62-Jährige sehr lebendig und unterhaltsam, wie wichtig es ist, zuhören zu können. Für ihre Arbeit als Ärztin sind Neugierde und ein offenes Ohr oft entscheidend, um auf den Kern von Krankheiten zu stoßen.

Doch woher nimmt sie die Zeit, um mit Patienten so lange zu reden? Auch Privatkassen zahlen für Gespräche nicht viel. „Der Einsatz von Maschinen bringt mehr“, bestätigt Federle. Oft würde sie halt abends Überstunden machen. Wie sie das sagt, lässt keine Zweifel zu: Diese Frau mit einer ungemein positiven Ausstrahlung ist von ihrer Aufgabe beseelt, Menschen zu helfen.

Das Glück, das sie nun spürt, fiel ihr nicht in den Schoss. Auch sie hatte schlimme Momente, etwa während ihrer Krebserkrankung. Über sich selbst schreibt sie – sowie über das, was sie als Ärztin erlebt: Einsamkeit, Sucht, Angst, Depression, Burn-out, psychosomatische Folgen privater Krisen.

Die Geschichten ihres Buches, die alle wahr sind, wie sie versichert, sind anonymisiert. Sie sind spannend zu lesen, es macht Spaß, in diesen wohligen Erzählstrom hineinzurutschen. Und immer wieder erkennt man sich selbst oder seine Freunde oder Familie in der einen oder anderen Begebenheit.

„Wie uns gute Beziehungen stark machen“, lautet der Untertitel des Buchs. Bei der Lektüre wird rasch klar: Gute Beziehungen müssen nicht immer dem klassischen Lebensmodell folgen. Es gibt viele Wege, sein Glück zu finden – aber auch viele, es zu verlieren. Lisa Federle kennt die beziehungsreiche Vielfalt: Zwölf Jahre lang (bis 2018) war sie die Schattenfrau des verheirateten Ur-Grünen Rezzo Schlauch, der ihre jüngsten Kinder miterzogen hat und noch heute mit den Söhnen sowie mit ihr häufig telefoniert.

Wenn sie Not sieht, muss sie handeln

Liebe ist auch ohne Exklusivität möglich, lehrt das Buch. Nicht jeder schafft Monogamie ein Leben lang. Lisa Federle nennt die Zahlen: 31 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen in Deutschland hätten schon mal in einer Schattenbeziehung gelebt.

Sieht die Natur nicht Polygamie vor? Vermittelt eine heimliche Liebe gar das Gefühl, autonom zu leben? Es gibt fast nichts, was die Tübingerin in ihrer Arztpraxis noch nicht gesehen oder erfahren hätte. Traurig ist die Geschichte einer Frau, die 30 Jahre lang die Geliebte eines verheirateten Mannes war. Als er starb, beobachtete sie die Beerdigung aus der Ferne, musste der Ehefrau und den Kindern den Vortritt lassen. Doch alles kann sich drehen: Wenig später hat sich die einstige Zweitfrau neu verliebt.

Auch Lisa Federle hat sich neu verliebt und geheiratet. Sie ist quirlig, sprudelt vor Ideen, treibt an, überträgt gute Laune auf andere. Wenn sie Not sieht, muss sie handeln.

Ihr Netzwerk ist so gut, dass sie kürzlich sogar einen Privatjet eines befreundeten Unternehmers besorgen konnte, der die Schulgruppe aus Kirchheim unter Teck, die in Israel festsaß, ausfliegen sollte. Dank Hilfe aus Island war dies am Ende nicht nötig. Die Mutter von vier Kindern war wütend, weil Deutschland erst eigene Evakuierungsflugzeuge ankündigte, als der Druck stieg.

Wenn man mit ihr durch Stuttgart geht, wird sie oft erkannt. Diese Popularität wollte sie gar nicht. Doch jetzt stellt sich die Ärztin zu Selfies auf, wie’s gewünscht wird. Bei ihren Freunden Jan Josef Liefers und Anna Loos ist in dieser Hinsicht noch viel mehr los. Zu ihren Besuchen bei Lisa Federle kommen die beiden schon mal mit dem Wohnmobil. Um nicht auf dem Campingplatz unentwegt Autogramme schreiben zu müssen, brachte die Ärztin sie auf einem Grundstück bei Freunden unter. Auch mit dem Kabarettisten Bernd Kohlhepp, den sie als Patient kennen gelernt hat, geht sie auf Lese-Tour.

Jeder Mensch, dies ist ein Credo der Besteller-Autorin, sollte auch für andere da sein. Zuhören bereitet Glück, das man sogar verschenken kann. Aber auch das Lesen kann Glück bedeuten, wenn es so schöne Geschichten sind wie bei Lisa Federle.