Tilman Weinig mit dem Präventionspreis. Er berät mit Team bei Radikalisierung Jugendlicher - derzeit auch in der Mietgalerie Nestel. Foto: Frey Quelle: Unbekannt

(if) - Nicht erst seit der Flüchtlingskrise wird auch über die Radikalisierung von Jugendlichen gesprochen. In Bad Cannstatt gibt es seit 2015 die Anlaufstelle „Insideout“, die Tipps gegen Extremismus gibt. Jetzt geht sie erstmals mit einem Aktionsmonat in der Mietgalerie Nestel an die Öffentlichkeit.

Der Cannstatter Tilman Weinig freut sich, dass er in der Mietgalerie die Möglichkeit gefunden hat, die Projekte mit Workshops, Ausstellungen und Aktionen vorzustellen, die auch in Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft entstanden sind. So gab es schon Happenings am Cannstatter Bahnhof und auch ein Filmprojekt vor der Mietgalerie, was schon sehr guten Anklang gefunden habe, wie Weinig feststellt.

Der Religionswissenschaftler möchte nicht nur Jugendliche ansprechen, auch Lehrer. In der Beratungsstelle in der Waiblinger Straße 1 ist er mit zwei Pädagoginnen, die Interkulturalität und Integration studiert haben, tätig. „Wir bieten interkulturelle Planspiele, Mentoren- und Kunstprogramme sowie Konzepte für Schulklassen, für Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstklässler. „Es gibt auch Angebote für Berufs- und Werkrealschüler“, so Weinig. Das Ganze wird gefördert vom Bundesfamilienministerium. Weinig erklärt, dass die Ausreisen von Jugendlichen abgenommen hätten, die radikalisiert werden, weil der Islamische Staat selbst in den Bürgerkriegsgebieten unter Druck gerate. Doch die Präventionsthemen blieben. Weinig stellt eine Verrohung der Jugendsprache fest. „Sie ist härter geworden.“ Über Rap-Projekte werden die Jugendlichen angesprochen.

Für ihr Projekt Chamälion sind sie mit dem Präventionspreis kürzlich im Rathaus ausgezeichnet worden. Dabei bekommen die Schüler Übungen zum persönlichen Konfliktmanagement, eine Fortbildung zum Thema Radikalisierung mit konkreten Übungen. „Es soll empathisch und erlebnispädagogisch sein“, erklärt Weinig. Kürzlich war die Eichendorff- und die Altenburgschule in der Mietgalerie im Rahmen der Ferienbetreuung.

Eine reine Online-Radikalisierung gebe es nicht, sagt der Wissenschaftler. Es gebe Nester, die sie aufschaukeln. Das Besondere des Salafismus sei, dass sie auf Deutsch den Islam auslegten. Jugendliche ließen sich leicht steuern, vor allem solche, die Diskriminierungserfahrung haben. Eltern sollten darauf achten, wenn Lebenswandel und Freundeskreis gewechselt wird. Weinig rät Betroffenen nicht zu harten Sanktionen, sondern zum Gespräch. Ein schwacher Sozialraum, eine schlechte Bindung zum Vater und schlechte Job-Perspektiven würden Radikalisierung begünstigen. „Es sind nicht psychisch gestörte Leute“, so Weinig. Es sei eine multiple Krisensituation, ein totales Adoleszenzphänomen, das Jugendliche ab 17 bis 33 Jahre betreffen könne. Weinig weiß: „Unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“ Dennoch bieten sie eine große Bandbreite. Das neueste Projekt heißt Convivium, bei dem Schulen sich zu antidiskriminierendem Verhalten verpflichten können. In Bad Cannstatt sieht Weinig ein „gutes interkulturelles Miteinander“. In der Mietgalerie Nestel, Wilhelmstraße 17, ist die Beratungsstelle bis 8. Juli. Infos gibt es in der Waiblinger Straße 1-3, Telefon 794866-45, und im Internet unter www.insideoutnow.de.