Seit gut 20 Jahren wird Verpackungsmüll über den gelben Sack in Stuttgart gesammelt. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Der Gelbe Sack sorgt wieder einmal für negative Schlagzeilen. Laut einer Untersuchung der Bundesregierung sollen von den gesammelten Verpackungen nur gut 56 Prozent wiederverwertet werden, der Rest wird verbrannt. Auch im Kraftwerk Münster.

Anfang der 90er-Jahre wurde es auch vor Stuttgarts Haustüren richtig bunt: Zu den grauen, brauen und grünen Tonnen gesellte sich der gelbe Sack. Denn seit 1991 müssen Hersteller in Deutschland Verpackungen zurücknehmen oder sich an einem dualen System beteiligen, also einer Firma, die gelbe Säcke einsammelt oder Verpackungsmüll in gelben Tonnen oder Containern abholt. In der Landeshauptstadt entschied man sich für den Sack. Doch der steht seitdem regelmäßig in den Schlagzeilen. Vom Winde verweht, aufgeplatzt, nicht abgeholt, Rattenprobleme, es gab viele Gründe für Bürger, um sich auch heute noch bei der Stadtverwaltung zu beschweren.

Doch damals wie heute sind die Mitarbeiter des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft Stuttgart dafür gar nicht zuständig. Denn seit Jahrzehnten sammeln Privatentsorger den Verpackungsmüll ein, den zuvor die Bürger zuhause ordentlich vom Restmüll (graue Tonne), Papier (grüne) und seit geraumer Zeit auch verpflichtend vom Bioabfall (braun) getrennt hatte. Wegen der besseren Hygiene wurden sogar Joghurtbecher und Konservendosen gereinigt. Doch gestern gab‘s für die Ordentlichen wieder einmal eine schallende Ohrfeige. Denn laut einer Untersuchung der Bundesregierung wird fast die Hälfte des Verpackungsmülls nicht wiederverwertet, sondern verbrannt.

Doch wie kann das passieren? In Stuttgart sammelt die Firma Schaal + Müller die Gelben Säcke. In Absprache mit der der Stadt tauchen die Abholtermine im Abfallkalender auf, der jährlich an die Haushalte verteilt wird. Nach der Abholung der Säcke wird der Inhalt von Verwertungsfirmen sortiert. Dabei gibt es Verpackungsmüll wie etwa Aluminium oder Weißblech, für die es einen boomende Markt gibt. „Beide Fraktionen lassen sich relativ einfach und maschinell vom Rest trennen“, sagt AWS-Chef Thomas Hess. Daneben gebe es jedoch Verpackungen, die aus verschiedenen Kunststoffschichten bestehen und für eine Wiederverwertung uninteressant sind, da ihre Trennung aufwändig und teuer ist. Dabei handelt es sich oftmals um Verpackungen aus dem Lebensmittelbereich.

Frei nach dem Motto „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ picken sich die Unternehmen die Rosinen - auch manuell - aus dem Gelben Sack heraus, mit denen sich schlussendlich Geld verdienen lässt. „Der Rest wandert in die Müllverbrennungsanlagen“, so Thomas Hess, der von den gestrigen Schlagzeilen „Verbrannt statt wiederverwertet“ nicht überrascht war, ohne sie natürlich gut zu heißen.

Hat die Stadt Stuttgart in Sachen gelber Sack so gut wie keine Handhabe, so weiß sie dennoch, wie viel jährlich gesammelt wird. „In Stuttgart sind das gut 11 000 Tonnen“, so der AWS-Chef. Von der Tonnenzahl her eher gering, im Vergleich zum Restmüll (135 000 Tonnen) oder Papier (50 000 Tonnen). „Es ist jedoch vom Volumen her eine gewaltige Menge.“ Wie viel davon in der Verbrennungsanlage Münster landen, kann er jedoch nicht sagen. Laut der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung waren es bundesweit 44,1 Prozent. Zwar ist die Zahl gegenüber dem Vorjahr (45,6 Prozent) leicht gesunken, aber nach Meinung der grünen Politikerin Bärbel Höhn, die dem Bundesausschuss für Umwelt vorsitzt, immer noch viel zu hoch. Doch die Praxis ist von geltendem Recht gedeckt. Denn die deutsche Verpackungsverordnung sieht für Kunststoffe eine Recyclingquote von 22,5 Prozent vor.

„Die Quote muss dringend vom Gesetzgeber erhöht werden“, so die Forderung der Grünen-Politikerin „Sonst fühlt man sich als Mülltrenner sehr schnell veräppelt, wenn ein großer Teil des Mülls wie bei der grauen Tonne in der Verbrennung landet.“ Im Entwurf eines bundesweiten Verpackungsgesetzes ist eine solche Erhöhung bisher nicht vorgesehen.

das duale system

Im Rahmen der Produktverantwortung sind seit 1991 Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen gemäß der Verpackungsverordnung verpflichtet, diese zurückzunehmen und einer Verwertung zuzuführen. Dies kann durch die Beteiligung der Verpackungen an einem dualen System erfolgen.

Aufgrund der rechtlichen Vorgaben sollte neben dem bestehenden öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungssystem ein zweites, also duales System aufgebaut werden. Daher wurde vom Handel, der abfüllenden Industrie, Verpackungsherstellern und Packmittelherstellern ein duales System gegründet, welches durch die Lizenzierung und Kennzeichnung der Verpackungsmengen mit der weltweitgeschützten Marke „Der Grüne Punkt“ finanziert wurde.

Seit Einführung der Beteiligungspflicht von Verkaufsverpackungen durch Inkrafttreten der 5. Novelle der Verpackungsverordnung im Jahr 2009 ist jeder Hersteller und Vertreiber, der erstmalig Verkaufsverpackungen in Verkehr bringt, die typischerweise beim privaten Endverbraucher anfallen, verpflichtet, sich an einem dualen System zu beteiligen. Damit entfiel gleichzeitig die Pflicht zur Kennzeichnung der an einem dualen System beteiligten Verkaufsverpackungen sowie die Möglichkeit, die Verpackungen selbst zurückzunehmen.

Als erstes duales System wurde die „Der Grüne Punkt - Duales System Deutschland GmbH (DSD)“ von einem Verbund in Deutschland tätiger Unternehmen der Lebensmittel- und Verpackungsbranche im Jahr 1990 gegründet. 2003 kam es zu einer Wettbewerbsöffnung, die zum Markteintritt von weiteren dualen Systemen führte. Heute stehen insgesamt neun Systembetreiber im Markt.