Andreas Dirksen führt im Carré Bad Cannstatt vor, wie Handbesen gefertigt werden. Foto: Eisenmann Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Einfach klingeln, sich kurz vorstellen und gute Nachbarschaft wünschen - das ist nicht in jedem Fall möglich. Die Nikolauspflege wählte in ihrem Fall einen anderen Weg: Sie veranstaltete gestern einen Aktionstag im Carré Bad Cannstatt. Damit sollte auf den neuen Verwaltungssitz der Stiftung und auf die bundesweite Woche des Sehens aufmerksam gemacht werden.

„Alles außer Kratzbürsten“, steht auf dem grünen T-Shirt des Mannes, der an einem Tisch mitten im Gang des Carré sitzt. Mit seinem Fuß tritt Andreas Dirksen auf ein Pedal, die fast altertümlich wirkende Maschine trennt ein Büschel Pferdehaare ab. Dieses schiebt der 31-Jährige flink durch eine Drahtschlinge und zieht es durch eines der Löcher im Griff. Der gelernte Korbmacher, dessen restliches Sehvermögen auf dem linken Auge lediglich acht Prozent aufweist, freut sich über jeden Besucher, der ihn bei der Arbeit unterbricht und ihm Fragen zu seinem Handwerk stellt. „Das macht es viel interessanter“, sagt er. Deshalb arbeitet der 31-Jährige auch gern auf den Weihnachtsmärkten in Esslingen und Stuttgart. Ein paar Schritte weiter führen Auszubildende des Berufsbildungswerks Stuttgart vor, wie ein 3D-Drucker funktioniert.

Mit dem Aktionstag in dem Einkaufszentrum wolle man sich bei den „neuen Nachbarn vorstellen“, betont Dieter Feser, Vorstandsvorsitzender der Nikolauspflege. Im Carré hat die Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen mit zweiwöchiger Verspätung Mitte September auf 1400 Quadratmetern und zweieinhalb Stockwerken neue Räume bezogen. Mit dem Umzug der Verwaltung nach Bad Cannstatt konnte mehr Platz für die beruflichen Angebote geschaffen werden. „Bisher waren wir in der Innenstadt auf zwei Gebäude und acht Etagen verteilt.“ Rund 50 Mitarbeiter sind nun im Carré tätig, mehr als zehn Prozent davon sind blind oder sehbehindert. Entsprechend sei man bei der Gestaltung und Einrichtung der Räume gefordert gewesen: Orientierungsstreifen wurden auf dem Boden angebracht, Glastüren hingegen vermieden. Eine moderne Klingelanlage soll bald dafür sorgen, dass Besucher leichter beim richtigen Ansprechpartner landen.

Was für den neuen Sitz in Bad Cannstatt spricht? „Wir wollten mitten ins Leben. Wir wollen da sein, wo viele Menschen sind“, versichert Feser. Auf den Vorstandsvorsitzenden warten in den kommenden Monaten zahlreiche weitere Baustellen. Dazu gehört das Neubauprojekt „Herzogenberg“ in Untertürkheim, dessen Bezug im Sommer nächsten Jahres geplant ist (wir berichteten).

Bereits im Frühjahr 2018 will man im Kräherwald ein Wohnhaus für Jugendliche und Auszubildende eröffnen. Das umfassendste Vorhaben dürfte die Erweiterung des Campus im Kräherwald sein. Für dieses Projekt hofft man, im nächsten Jahr die Baugenehmigung zu erhalten. An dem denkmalgeschützten, gut 100 Jahre alten Hauptgebäude soll Platz für mehr Schüler und mehr inklusive Angebote geschaffen werden. Auf 33 Millionen Euro wird sich die Investitionssumme belaufen, der Großteil des Geldes für das neue Schulhaus mit Sporthalle muss von der Stiftung selbst aufgebracht werden.