Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

31 Mal wurde Wein- und Brezelfest gefeiert. Es war eines der ältesten Straßenfeste im Ländle. Im Jahr 2000 nahm es ein unrühmliches Ende. Mit runderneuertem Konzept sollte es ausschließlich auf dem Marktplatz über die Bühne gehen. Doch Petrus meinte es nicht gut. Regen trübte die Bilanz. Der Veranstalter, der Gewerbe- und Handelsverein Bad Cannstatt, zog die Reißleine und stellte die Traditionsveranstaltung ein. Jetzt soll es wiederbelebt werden. Die Neuauflage findet von 28. bis 31. Juli auf dem Marktplatz statt.

„Das Fest ist eine Legende“, sagt Christian List. „Es ist Zeit, es wieder aufleben zu lassen.“ Sein Unternehmen List & Scholz führt es in Kooperation mit der Altstadt Bad Cannstatt durch. Mit im Boot sind Weinfactum Bad Cannstatt und Weinvogt Andreas Zaiß. Die sorgen für den Wein. Wer die Brezeln zum Wein- und Brezelfest liefert, steht noch nicht fest. „Ein Traum wäre es, wenn direkt auf dem Marktplatz eine mobile Backstube für frische Brezeln sorgt.“

Im Januar hatte List das Konzept für die Wiederauflage der Traditionsveranstaltung fertig und legte es Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler vor. „Der fand es gut.“ In Absprache mit den anderen Festlesveranstaltern wurden die Termine geklärt, so dass es keine Kollisionen gibt. Die Veranstaltungen „Cannstatt tanzt“ und der Abendmarkt pausieren am 28. und 29. Juli. Und auch der Wochenmarkt hatte keine Einwände. Das Wein- und Brezelfest beginnt am Donnerstag, Freitag und Samstag um 17 Uhr, am Sonntag um 11 Uhr.

Auf dem Marktplatz, der in seiner vollen Größe genutzt werden soll, sollen zwei Bands auf zwei Bühnen auftreten. „Das hat eher Unplugged-Charakter“, beschreibt List. Auf Verstärkeranlagen soll verzichtet werden. „Es wird keine massive Frontbeschallung geben. Musik soll die Veranstaltung, die ihren ursprünglichen Charakter behalten soll, untermalen.“ Neben Wein und antialkoholischen Getränken wird auch Bier ausgeschenkt. „Aber nur Pils.“ Wer eine Halbe will, sucht vergeblich.

Bei einer einmaligen Veranstaltung soll es nicht bleiben. „Es soll wieder jährlich stattfinden.“ Mit Weinfactum Bad Cannstatt und Weinvogt Andreas Zaiß sind erfahrene Partner im Boot und auch die Altstadt Bad Cannstatt hat schon zahlreiche Veranstaltungen geschultert und reichlich Erfahrung. Und auch das Unternehmen List & Scholz Genusswelten hat sich seit 1996 im Gastro- und Eventbereich einen Namen gemacht. Es betreibt acht Gastronomiebetriebe, unter anderem das 1983, das Clubrestaurant des VfB Stuttgart, den Roten Hirsch auf dem Marktplatz und den Stadtstrand. Das Wein- und Brezelfest erfreute sich in seiner Blütezeit über die Grenzen hinaus an großer Beliebtheit. In der Marktstraße gab es dann fast kein Durchkommen.

Geschichte des Wein- und brezelfestes

Die 31. Auflage des Wein- und Brezelfestes vom 6. bis 8. Juli 2000 war die letzte. Mit einem veränderten Konzept sollten wieder mehr Besucher nach Bad Cannstatt gelockt werden. Das Wein- und Brezelfest feierte 1970 Premiere. „Wenn die Cannstatter unbedingt auf der Straße feiern wollen, sollen sie das tun“, gab der damalige Oberbürgermeister Arnulf Klett grünes Licht aus dem Stuttgarter Rathaus. Denn Straßenfeste gab es damals keine. Die Arbeitsgemeinschaft Marktstraße, heute die Altstadt Bad Cannstatt, hatte das Wein- und Brezelfest nach der Idee des Grafikers Hanns Lohrer mit Leben gefüllt. Aus dem Bürgerfest wurde schnell ein Fest der ganzen Region. Doch nach und nach kamen immer mehr Straßenveranstaltungen hinzu, die um die Gunst der Besucher buhlten. Zahlreiche Versuche wurden unternommen, das Konzept variiert.

Der Gewerbe- und Handelsverein Bad Cannstatt wollte 2000 weg vom Straßencharakter und verlagerte das Wein- und Brezelfest ausschließlich auf den Marktplatz. Doch wie schon 1999 spielte auch 2000 das Wetter nicht mit. Das Wein- und Brezelfest fand ein unrühmliches Ende.

Bis die erste Veranstaltung auf der damals noch befahrenen Marktstraße über die Bühne gehen konnte, war viel Überzeugungsarbeit nötig. Grafiker Hanns Lohrer, Frieder Baitinger, Hans Zerrweck und Dieter Zaiß mussten dicke Bretter bohren. „Wir wurden als Irre bezeichnet, die auf der Straße sitzen wollten“, sagte der damalige Vorsitzende der AG Marktstraße, Frieder Baitinger, einmal. Am 13. Juni 1970 wurde erfolgreich Premiere gefeiert. Der „Stammtisch der Gemütlichkeit“ kam gut an und fand zahlreiche Nachahmer. 1986 wurde der Versuch unternommen, das Fest auf zwei Tage auszudehnen - was zu heftigen Anwohnerprotesten führte. Eine Anwohnerversammlung sollte für Klarheit sorgen. Das Fest erhielt strenge Auflagen bezüglich Lärm und Zeit - und ging über zwei Tage. In den folgenden Jahren wurden zwei Tage, dann wieder ein Tag gefeiert, 1993 der Drei-Tages-Rhythmus eingeführt.

Es gab viele Veränderungen. Die Zahl der Sitzplätze wurde erweitert, 1991 erstmals der Marktplatz mit einbezogen. 1970 gab es Brezelen, Käsebrote und Bratwurst, später auch Gyros, Steaks und Maultaschen. Nach diversen kalten Veranstaltungstagen wurde auf den Juli ausgewichen. 1997 übernahm der Gewerbe- und Handelsverein die Veranstaltung. Man wollte zurück zu den Ursprüngen. Das Viertel Wein, die Brezel und das Gespräch unter den Besuchern sollte im Vordergrund stehen, gemäß dem langjährigen Motto „Prost Herr Nachbar, Prost Frau Nachbarin“.

Auch die Musik war immer Thema. 1997 gab es Zentralbeschallung, ein Jahr später konnten die Wirte in ihren Bereichen die Beschallung regulieren. 1999 wurde abgespeckt, sorgten zwei Bands für Live-Musik, gefeiert wurde nur zwischen Badergasse und Altem Rathaus. 2000 wurde ausschließlich auf dem Marktplatz gefeiert, sorgten Musikvereine und Live-Bands für Unterhaltung.