Oftmals hat die Polizei keine Zeit, nervende Verstöße der Straßenverkehrsordnung wie nicht zu blinken, drängeln, unerlaubt Hupen oder in zweiter Reihe zu parken, zu ahnden. Foto: Vennenbernd/dpa Quelle: Unbekannt

Von Mareike Spahlinger

Zu früh einscheren beim Reißverschlussverfahren, nicht blinken, in zweiter Reihe parken und die Kreuzung verstopfen: ein alltägliches Bild auf deutschen Straßen. Zwar nerven diese Verkehrsverstöße viele, dennoch werden sie oft nicht geahndet. „Gelassen bleiben und nicht aufregen“, rät Jochen Klima vom Fahrlehrerverband Baden-Württemberg.

Blinkmuffel nerven vor allem, wenn man sich mal bei unseren Mitgliedern umhört“, sagt Constantin Hack, Pressesprecher des Auto Clubs Europa (ACE). Besonders in Kreisverkehren wird dadurch der Verkehrsfluss gestört. Bei solchen Vergehen sei es jedoch selten der Fall, dass die Polizei einschreitet. „Die typischen Drängler jedoch, sind in der Regel auch punktebewährt.“ Zeigt man einen Drängler an, steht erst mal Aussage gegen Aussage. „In der Praxis bemessen die Behörden der Glaubwürdigkeit des Anzeigenerstatters und dessen glaubhafter Aussage ein Stück weit mehr zu, als dem vermeintlich Beschuldigten“, sagt Hack. Noch besser sei es, wer einen Beifahrer hat, der das Geschehene bezeugen kann. „Das bloße Nerven durch Fehlverhalten ist jedoch nicht strafbar“, erklärt Hack. Eine Anzeige sei erst dann sinnvoll, wenn vom anderen Verkehrsteilnehmer Gefahr droht.

Thomas Geiger, Sprecher der Polizei Stuttgart, verweist beim Thema der Regelverstöße im Straßenverkehr auf das Opportunitätsprinzip. Das heißt, die Ordnungsbehörde kann eingreifen, muss es aber nicht. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. „Wenn die Beamten zu einem Einsatz gerufen werden, können sie nicht anhalten, um jemanden zu ermahnen oder ein Bußgeld auszusprechen, weil nicht geblinkt wurde.“ Auch haben Polizisten die Möglichkeit, nur eine mündliche Verwarnung auszusprechen, wenn der Autofahrer sich einsichtig zeigt.

Mindestens genauso nervig wie Drängler sind jedoch auch die sogenannten „Elefantenrennen“ (Lastwagen überholt Lastwagen) auf der Autobahn. „Für ein Überholmanöver hat man eine bestimmte Zeit. Die Überschreiten Laster häufig, so dass sie die Mittelspur blockieren“, weiß Hack.

Ebenfalls ein beliebtes Delikt auf der Autobahn: die Mittelspurblockierer. „Manche fahren aus Gewohnheit in der Mitte, weil rechts immer die Lastwagen sind. Dabei gilt in Deutschland das Rechtsfahrgebot“, erklärt der Pressesprecher.

Ein weiteres Phänomen, dass in den letzten Jahren immer stärker wurde: die Ampelschläfer. „Die Menschen sind zunehmend abgelenkt vom Handy oder ihrem Entertainmentprogramm im Auto, so dass sie nicht merken, dass die Ampel vor ihnen grün geworden ist.“

Hupen ist in solchen Fällen übrigens nicht erlaubt. „Man darf nur zur Gefahrenabwehr oder zum Ankündigen eines Überholmanövers außerhalb von Ortschaften hupen“, weiß der ACE-Experte.

Ein großes hausgemachtes Problem in Stuttgart sind, laut Hack, die Kreuzungsblockierer. „Wenn es grün wird, sie nicht losfahren, weil die Kreuzung blockiert ist, werden sie angehupt. Also fahren sie trotzdem und blockieren noch mehr.“ Dieses nicht partnerschaftliche Verhalten habe gefühlt auch zugenommen, findet Hack. Weitere Nerver, die nachweislich für mehr stockenden Verkehr sorgen, sind die Kolonnenspringer. Die springen von einer Lücke zur nächsten. „Dabei ist nachgewiesen, dass man schneller durch einen Stau kommt, wenn man auf der Spur bleibt.“ Unnötiges Bremsen und Gas geben, sowie von einer Spur auf die nächste zu fahren, führt nur zu Verzögerung.

Auch beliebt: Zu früh die Spur wechseln beim Reißverschlussverfahren - verursacht ebenfalls ein Stocken. „Dabei können es die Autofahrer, wie man im Heslacher Tunnel etwa sehen kann“, so Hack.

Ein weiteres Problem sind Parkplätze beziehungsweise das Falschparken. Etwa 30 Prozent des Verkehrsflusses macht der Parksuchverkehr. Auch die zunehmende Auslieferung von Onlinepaketen, führt zu nervigen Verstößen. Die meisten Lieferwagen parken in zweiter Reihe. „In zweiter Reihe halten oder parken ist niemandem erlaubt, außer er hat eine Sondergenehmigung“, sagt Thomas Geiger.

Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg, ist der Meinung, dass diese Sünden in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet sind. „Blinken ist ein elementarer Teil des Straßenverkehrs“, sagt er. „Wenn ein Schüler in der Prüfung nicht blinkt, kann er durchfallen.“ Im Straßenverkehr gebe es nur wenige Kommunikationsmöglichkeiten. „Regeln sind wichtig, weil man auf der Straße nicht alleine ist.“ Was sich in den letzten Jahren zunehmend geändert habe, sei, dass selbst das Fahrzeug nicht mehr geschützt ist. „Man wird angehupt, bedrängt, unerlaubt überholt und der Vogel gezeigt. Das ist ein Symptom unserer Ellenbogengesellschaft“, sagt Klima. „Wer korrekt fährt, wird bedrängt.“

Fahrlehrer thematisieren solche Verstöße ganz bewusst. „Wir zeigen niemanden an, sondern lehren die Schüler, in solchen Situationen cool zu bleiben - Gelassenheit zu praktizieren“ Man sollte sich nicht aufregen oder gar das Duell annehmen. Wenn jemand drängt, sollte er vorbeigelassen werden. „Die Verstöße beruhen nicht auf mangelnder Regelkenntnis, sondern auch mangelnder Regelakzeptanz“, findet Klima.

Die häufigsten Ordnungswidrigkeiten

7068 Ordnungswidrigkeiten wurden 2014 in Deutschland registriert. 4974 davon wegen Geschwindigkeit, 831 aufgrund des Missachtens der Vorfahrt, 345 wegen Verstößen beim Abbiegen, An-, Ein-, Ausfahren, Wenden, Rückwärtsfahren, 143 aufgrund des falschen Sicherheitsabstandes. (Anzahl in 1000, hochgerechnet)

Die drei häufigsten Verstöße, die mit einem Bußgeld geahndet werden, sind in Stuttgart, die Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaften und Parkverstöße. An dritter Stelle steht die Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb des Stadtgebiets, die mit einem mobilen Blitzer festgestellt werden.

Von den 248 712 Unfällen der Autofahrer 2014 in Deutschland waren die häufigsten Unfallursachen: Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren mit 18,6 Prozent, das Missachten der Vorfahrt beziehungsweise des Vorranges mit 17,6 Prozent. Fahren unter Alkoholeinfluss bei einem Anteil von 3,1 Prozent vor. Seit 1991 ist die Häufigkeit dieser Unfallursache bei den beteiligten Fahrern um 73,9 Prozent zurückgegangen. Um 63,9 Prozent verringert hat sich in diesem Zeitraum die Unfallursache nicht angepasste Geschwindigkeit. Dagegen sind Fehler beim Abbiegen lediglich um 8,3 Prozent zurückgegangen und Abstandsfehler sogar um 2,5 Prozent gestiegen.