(ede) - Was tun mit Jugendlichen, die zu Hause nicht klar kommen, Drogen konsumieren, gewalttätig sind, die Schule schwänzen, misshandelt wurden oder den ganzen Tag vor dem Computer verbringen, durchs so genannte Raster fallen, für die keine Maßnahmen gefruchtet haben? Da springt Scout am Löwentor ein, die seit 2005 intensivpädagogische Hilfe für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren anbietet. Seit einem Jahr gibt es zudem betreutes Jugendwohnen für 16- bis 21-Jährige.

Landesweit gibt es fünf solcher Einrichtungen. Scout am Löwentor wird von Youcare, einer Tochtereinrichtung von der Evangelischen Gesellschaft betrieben und bietet zwölf stationäre Plätze in zwei Wohngruppen mit Beaufsichtigung rund um die Uhr. Der Tagesablauf ist fest strukturiert, selbstständigen Ausgang muss man sich verdienen, genauso wie Handy- und Medienzeit. Die Jugendlichen haben eine harte Zeit hinter sich: Sie wuchsen in einem schwierigen Umfeld (Trennung der Eltern, Vernachlässigung, Gewalterfahrung, Misshandlung), sind Schulverweigerer, begingen Straftaten, hingen den ganzen Tag vor dem Computer, schotteten sich komplett ab. Sie leben mit Wut und Aggression auf die Welt und auf sich selbst.

„Solche Jugendliche benötigen Förderung“, sagt Jochen Salvasohn, der zusammen mit Martin Eipper, beide Sozialpädagogen, Scout leitet. „Strukturen sind für sie ganz wichtig.“ Von 7 bis 22.45 Uhr gibt es geregelte Abläufe: Schule, Projekte, Freizeit, Treffen, Mahlzeiten. Eine Schule mit drei Lehrkräften für drei Klassen ist im Haus, eine Außenstelle der Schule für Erziehungshilfe aus Heidenheim. Statt eines Stundenplans gibt es individuelle Lernphasen. Unterrichtet wird von 8.30 bis 12.30 Uhr und donnerstagnachmittags. Für die Scout-Bewohner gibt es Trainingsmaßnahmen.

„Wir strafen nicht. Wir bieten Schutzraum und Förderung.“ Geboten werden zahlreiche Projekte, Sport, Erlebnispädagogik und Handwerk. Scout hat eine Metall-, eine Farb- und Lackwerkstatt sowie eine Schreinerei. So werde Lebenspraktisches vermittelt. Täglich wird bewertet, müssen 17 Kriterien wie pünktliches Aufstehen, Verhalten gegenüber anderen erfüllt werden, die in den Entwicklungsstufenplan einfließen. Positives Verhalten soll gestärkt werden. „Um 19.30 Uhr gibt es ein Meeting, bei dem der Tag besprochen, die Punkte diskutiert werden“, so Salvasohn. „Die Bewertungen sollen ja objektiv sein.“

Im Vergleich zum Beginn 2005 stellt Eipper auch bei den Jugendlichen Veränderungen fest. „Der Medienkonsum hat stark zugenommen.“ So gibt es Fälle, in denen Jugendliche eineinhalb Jahre ihr Zimmer zuhause kaum verlassen haben. Die Mitarbeiter von Scout - 12,4 Personalstellen stehen für den aktiven Dienst zur Verfügung - bekommen eine Vielzahl von Informationen über ihr Klientel. Daraus gilt es, in den ersten sechs Wochen - bis zu 18 Monate Aufenthalt sind möglich - entsprechende Hilfsmaßnahmen zu gestalten. „Wir glauben an die Ressourcen der Jugendlichen.“ Doch das Vertrauen muss über die Bezugsbetreuer aufgebaut werden. „Die Jugendlichen sind sehr misstrauisch.“ Es gelte, den Teufelskreis zu durchbrechen. Ganz wichtig dabei sei auch, den Kontakt zur Familie zu halten.

Seit 2005 haben 108 Jugendliche am Scout-Trainingsprogramm teilgenommen. Seitdem wurde das Konzept immer verfeinert, die individuellen Hilfen immer passgenauer. „Das liegt auch an unseren guten Kooperationen“, so Eipper. Etwa mit den Jugendämtern, der Polizei, dem Haus des Jugendrechts, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Jugendgerichtshilfe, dem Familiengericht, Ärzten und der Arbeitsagentur.

Seit Mai 2015 gibt es zudem das betreute Jugendwohnen für 16- bis 21-Jährige, eine Anschlussmaßnahme für die beiden Intensivgruppen. Sechs Wohnungen sind auf vier Standorte in Stuttgart verteilt. Eineinhalb Stellen stehen als sozialpädagogische Unterstützung zur Verfügung. Diese Jugendlichen müssen nicht mehr intensiv betreut werden, können aber auch nicht zu ihren Eltern zurückkehren. In der ersten eigenen Wohnung lernen sie, ihren Alltag eigenverantwortlich und selbstständig zu bewältigen. Sie nehmen weiter an den Angeboten von Scout teil, haben so weiter Kontakt zu den Fachkräften.

Fallbeispiel

Daniel ist der jüngste von drei Brüdern. Seine Eltern sind getrennt, seit Daniel zehn Jahre alt war. Seine Mutter, die inzwischen einen neuen Partner hat, war schon früh mit der Erziehung ihrer drei Söhne überfordert. Daniels Brüder gerieten auf die schiefe Bahn. Da Daniel nur seine Brüder als Vorbild hatte, orientierte er sich an ihnen. Mit zwölf hat er begonnen, die Schule zu schwänzen und Drogen zu nehmen. Mit 15 hatte sich die Situation derart zugespitzt, dass er bei Scout am Löwentor stationär unterkam. „Sein Ziel war der Schulabschluss“, berichtet sein Bezugsbetreuer Christopher von Hischheydt, Gruppen-Koordinator im betreuten Jugendwohnen. „Das hat er nicht ganz erreicht, aber er hat viel gelernt, auch zwischenmenschlich hat er Fuß gefasst.“ Er hat seinen Drogenkonsum im Alltag eingestellt, wobei es bei Heimfahrten allerdings Rückfälle gab. Ein Zurück in seine Herkunftsfamilie war nicht möglich, also stellte Daniel beim Jugendamt einen Hilfsantrag für das betreute Jugendwohnen, der bewilligt wurde. „Daniel hat sich für den Bundesfreiwilligendienst entschieden und arbeitet in einem Krankenhaus. Dort fühlt er sich wohl und es macht ihm Spaß“, erläutert von Hirschheydt. Der Weg sei nicht leicht gewesen, Man habe viel probiert. „Man benötigt einen langen Atem.“ Als Bezugsbetreuer müsse man dabei auch auf Distanz achten. „Man muss eine Mitte finden“, sagt er.

Der Erfolg der intensivpädagogischen Betreuung sei nicht messbar, beschreibt Jochen Salvasohn. „Die Kriterien sind unterschiedlich.“ Für manche Teilnehmer sei es schon ein Erfolg, wenn sie regelmäßig die Schule besuchen. Daniel wollte einen Schulabschluss, was ihm nicht geglückt sei. Wahrlich kein Misserfolg, denn bei Scout hat er viel gelernt, sich positiv entwickelt und Perspektive bekommen.