Bereichslehrer Michael Widmann besucht Lehrerin Chrsitina Kretschmann in der Zirkusschule des Circus Krone. Sie unterrichtet unter anderem die Artistenkinder Alexis (links) und Joaquim. Foto: Rehberger Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

Wenn die Schüler aus dem Fenster schauen, sehen sie Kamel und Zebra, Elefanten oder Raubtiere. „Daher sind die Rollos meist unten. Das lenkt sonst zu sehr ab, auch wenn die Schüler den Anblick gewohnt sind“, sagt Lehrerin Christina Kretschmann. Denn die „Schule“ befindet sich in einem Zirkuswagen auf dem Gelände hinter der Manege. Unterrichtet werden die Kinder der Artisten und Angestellten des Circus Krone - derzeit auf dem Cannstatter Wasen.

Die Schule auf Rädern ist von Mitte April bis Mitte November in ganz Deutschland unterwegs und die Lehrerin immer dabei. Im fünften Jahr unterrichtet sie derzeit vier Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren, Nachwuchs vom Raubtierbändiger, Hochseilartisten und Clown. „Alles Jungs, das einzige Mädchen ist seit den Sommerferien auf einem Gymnasium.“ Unterrichtet wird jahrgangsübergreifend mit ganzheitlichem Anspruch, der auf die individuellen Lernsituationen eingeht. Der 15-jährige Stefano hat irische Schulbücher, ist den Sommer über mit seinen Eltern bei eigenen Gastspielen. Bei Joaquim (12), der besser italienisch als deutsch spricht, übersetzt Lehrerin Kretschmann auch mal die Begriffe. Alexis (9) geht den Winter über auf seine Heimatschule in München. Das bereitet ihm keine Schwierigkeiten. Er freut sich darauf. Mit dem Stuttgarter Gastspiel endet die Tournee, geht es ins Stammhaus nach München zurück. „Dort sind ja auch seine Freunde.“ Die Lehrerin sorgt dafür, dass Alexis im Unterrichtsstoff auf dem Laufenden bleibt.

Unterrichtet wird vor- und nachmittags. „Sonntags ist immer frei.“ Der zweite freie Tag richtet sich nach den Gastspielzeiten. Daher kann es sein, dass auch samstags gepaukt wird. Denn an Reisetagen und während des Aufbaus ist auch frei. Die Schule ist vom bayrischen Kultusministerium anerkannt, wird von der Direktion des Circus Krone finanziert und ist die älteste ihrer Art. Seit etwa 1920 wird der Zirkusnachwuchs unterrichtet, durchgängig. „Damals war es ein Kriegsversehrter, der als Lehrkraft fungierte“, berichtet Michael Widmann, Bereichslehrer für Kinder und Jugendliche von beruflich Reisenden. Er war bis vor 15 Jahren auch für vier Jahre Lehrer im Circus Krone und denkt gerne an die zeit zurück. „Ich hatte danach richtig Heimweh.“ Man gehöre zur großen Zirkusfamilie. Neben dem Circus Krone unterhält nur noch Circus Charles Knie eine Schule. „Das ist eine kostspielige Sache, der mitreisende Lehrer für den Nachwuchs aber optimal.“ Die Lehrerin ist die ganze Tournee mit dabei, arbeitet den Winter über beim telefonischen Kartenverkauf des Circus Krone. Das Jahr über unterwegs zu sein, stört Christina Kretschmann, die zuvor an Montessori-Schulen unterrichtet hat, nicht. „Das hat seinen Reiz.“ Sie schaut sich die Region der jeweiligen Gastspielorte an. Auch mit ihren Schülern unternimmt sie Ausflüge.

Dem Artisten-Nachwuchs ist die Manege natürlich nicht fremd. Joaquim etwa zeigt bei den Vorstellungen am Wochenende auch schon mal den Salto Mortale auf dem Trapez. Und Alexis führt beim Wintergastspiel Ponys vor. Nicht alle Schülerinnen und Schüler der Circus-Krone-Schule schlagen nach der Schule die Zirkuslaufbahn ein. Eine ehemalige Schülerin bereitet sich derzeit auf ihr Jura-Examen vor, ein anderer Ex-Schüler fungiert als Dolmetscher. Denn das Sprachengewirr in der Schule ist vielfältig. Da bleibt viel hängen. Die Kinder verbringen auch oft die Freizeit miteinander.

Der Circus Krone gastiert noch bis zum kommenden Sonntag, 12. November, auf dem Cannstatter Wasen. Informationen unter www.circus-krone.de