Drei Jahre Ausbildung sind für viele junge Menschen zu lange. Daher brechen 20 Prozent ihre Ausbildung ab und wählen stattdessen den direkten Berufseinstieg. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Viele junge Menschen haben große Probleme während ihrer Ausbildung. Rund 20 Prozent brechen laut der Agentur für Arbeit sogar ihre Lehre ab. Motivations- oder Geldprobleme, Prüfungsangst, Drogensucht - die Gründe sind vielschichtig. Neben der Arbeitsagentur, der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart sowie der Handwerkskammer bieten auch private Initiativen jungen Menschen ihre Hilfe an.„Branchenübergreifend stellen einige Unternehmen inzwischen gar keinen Nachwuchs mehr ein.“

Von Erdem Gökalp

In Deutschland herrscht ein zunehmender Fachkräftemangel und viele Betriebe suchen verzweifelt Nachwuchs. Allein in der Region gibt es noch 1800 freie Ausbildungsplätze. Das Problem: Viele Stellen bleiben unbesetzt, da die Bewerber ungeeignet sind. „Es ist ein neuer Negativtrend, dass junge Menschen zunehmend größere Defizite haben“, sagt Matthias Deckert, Ausbildungsbegleiter der Handwerkskammer Stuttgart. Für Betriebe sei es inzwischen sogar ein Risiko, Lehrlinge einzustellen. Vielen Azubis falle es schwer, eine Bindung zu ihrer Arbeit herzustellen und insgesamt leiden sie unter großen Motivationsdefiziten. Die Folgen: Jeder fünfte Azubi in Deutschland bricht jährlich seine Lehre ab. Allein in Stuttgart sind das rund 800 junge Menschen. Besonders betroffen von diesem Negativtrend ist die Hotel- und Gastronomiebranche.

„Branchenübergreifend stellen einige Unternehmen inzwischen gar keinen Nachwuchs mehr ein“, sagt Matthias Deckert, was mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemängel sicher keine Dauerlösung sein kann. Mit verschiedenen Fördermaßnahmen (siehe Anhang) wollen IHK, Handwerkskammer oder die Arbeitsagentur dafür sorgen, dass sich die Zahl der Ausbildungsabbrecher wieder reduziert.

Daneben engagieren sich kleine Einrichtungen und Organisationen in diesem schwierigen Ausbildungsbereich. Darunter auch die Initiative VerA. Ende 2008 hat der Senior Experten Service (SES) - eine der größten deutschen Ehrenamtsorganisationen für Fach- und Führungskräfte im Ruhestand - zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Industrie, des Handwerks und der freien Berufe die Initiative VerA gegründet, die seitdem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

VerA, die auch in Stuttgart seit fast zehn Jahren tätig ist, ist ein Angebot an alle, die in der Ausbildung auf Schwierigkeiten stoßen und mit dem Gedanken spielen, ihre Lehre abzubrechen. Auf Wunsch werden diesen Jugendlichen berufs- und lebenserfahrene Senior-Expertinnen und -Experten zur Seite gestellt. Einer von diesen „Berufsprofis im Ruhestand“ ist Hans-Dieter Mechler. Er war lange Jahre Versicherungskaufmann und später sogar im Prüfungsausschuss des IHK. „Die Hauptgründe, warum die Arbeitsverhältnisse scheitern, sind die Angst vor Prüfungen oder finanzielle Schwierigkeiten beim Lehrling“, sagt der 73-Jährige. Er kenne sogar Fälle, da scheiterte die Ausbildung an einer Drogensucht. „Oftmals sind es aber Banalitäten wie etwa Unpünktlichkeit“, weiß Mechler, der es sich mit Beginn seines Rentnerdaseins zur Aufgabe gemacht hat, junge Menschen, die Probleme während der Ausbildung haben, zu begleiten.

Er ist jedoch nicht alleine. Insgesamt 180 Senioren, die aus ihrer Zeit im Berufsleben wertvolle Tipps geben können, betreuen in der Landeshauptstadt Azubis in Nöten. Hans-Dieter Mechler koordiniert diese Betreuung - mit Erfolg. „80 Prozent der Probleme der Azubis können wir erfolgreich lösen“, sagt Mechler. Und falls jemand tatsächlich aufhören will, ist er dadurch kein hoffnungsloser Fall. „Wenn wir überzeugt sind, dass die Arbeit nichts für die Person ist, beraten wir sie eben dabei, etwas anders zu finden.“

Oft suchen jedoch nicht die Azubis, sondern die Arbeitgeber nach Unterstützung, um die Lehre aufrecht zu erhalten. Die Devise lautet „fördern statt feuern“. „Unternehmen investieren Zeit und Geld in die Ausbildung und wollen den Mitarbeiter daher nicht verlieren“, sagt Matthias Deckert. Eine mögliche Hilfe ist eine sogenannte Einstiegsqualifikation. Die Maßnahme ist ein verlängertes Praktikum, das bis zu einem Jahr dauern kann und von der Arbeitsagentur mitfinanziert wird. Dem Betrieb wird finanziell unter die Arme gegriffen und er kann den Bewerber besser kennenlernen. Deckert: „Zielgruppen für die Maßnahmen sind Bewerber, die keine Stelle finden konnten sowie junge Menschen, die lernbeeinträchtigt oder sozial benachteiligt sind.“

Arbeitsmarktpolitische Instrumente im Überblick

Verschiedene Träger, wie die Agentur für Arbeit, können durch begleitende Hilfen zum Gelingen der Ausbildung beitragen. Die Konzepte erlauben, auf den Bedarf des Jugendlichen zu reagieren.

Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen: Wenn ein Jugendlicher noch nicht die nötige Ausbildungsreife mitbringt, kann die Arbeitsagentur helfen, zunächst das fehlende Rüstzeug im fachlichen Bereich oder im Sozialverhalten zu vermitteln. Neben Theorieangeboten kann ein sechs- bis zwölfmonatiges Betriebspraktikum hilfreich sein.

Maßnahmen zur erweiterten vertieften Berufsorientierung bieten Jugendlichen einen vertieften Einblick in die Berufs- und Arbeitswelt und bereiten sie damit noch besser auf die Berufswahl vor.

Einstiegsqualifizierung: Wer auf Anhieb keinen Ausbildungsbetrieb findet, kann zunächst ein Praktikum absolvieren. Ziel ist die Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis im kommenden Ausbildungsjahr. Zur sechs- bis zwölfmonatigen Einstiegsqualifizierung gehört die Vermittlung berufsrelevanter Kenntnisse. Im Rahmen eines „Berufspraktischen Jahres“ ist für sozial benachteiligte oder lernbeeinträchtigte Jugendliche zusätzlich eine Betreuung möglich.

Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen ist für lernbeeinträchtigte oder sozial benachteiligte Jugendliche gedacht, denen eine Regelausbildung ohne besondere Hilfen nicht gelingt - etwa Migranten mit Sprachproblemen. Die Berufsausbildung findet in einem Ausbildungsbetrieb statt. Zudem wird Betreuung durch einen Bildungsträger angeboten, etwa in Form von Nachhilfeunterricht.

Assistierte Ausbildung ist eine Option für lernbeeinträchtigte oder sozial benachteiligte Jugendliche, die eine Regelausbildung nicht meistern würden. Zunächst gibt es eine ausbildungsvorbereitende Phase von März bis zum Beginn des Ausbildungsjahres, dann folgt die ausbildungsbegleitende Phase in der betrieblichen Ausbildung.

Ausbildungsbegleitende Hilfen können junge Leute nutzen, wenn ihr Ausbildungsplatz in Gefahr ist, weil etwa theoretische Defizite in der Berufsschule dem Erfolg im Wege stehen. Außerdem können solche Hilfen bei schlechten schulischen Voraussetzungen oder sozialen Benachteiligungen schon zu Beginn der Ausbildung angeboten werden.

Berufseinstiegsbegleitung kann Schüler mit einem besonderen Förderbedarf beim Übergang von der allgemeinbildenden Schule in eine betriebliche Ausbildung individuell unterstützen. Die Berufseinstiegsbegleitung wird derzeit an 18 Werkreal- und Förderschulen in den Kreisen Esslingen und Göppingen angeboten - insgesamt erhalten rund 400 Schülerinnen und Schüler diese zusätzliche Unterstützung.