Stahlwerk in der Südukraine: Das Land braucht gerade in Kriegszeiten ausländische Investitionen – auch aus Deutschland. Foto: AFP/Roman Pilipey

Deutsche Unternehmen machen noch immer gute Geschäfte in Osteuropa und Zentralasien – trotz des Ukraine-Kriegs. Dass die Wirtschaft verdeckt am Geschäft mit Russland verdiene, wird dementiert.

In der Vergangenheit lief der deutsche Handel mit Russland vor allem so: Moskau liefert günstiges Gas und Öl, deutsche Unternehmen exportieren Autos, Maschinen und chemische Erzeugnisse. Ein für beide Seiten einträgliches Geschäft. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich all das rasant gewandelt. Denn rasch nach Kriegsbeginn folgten Sanktionen gegen den Aggressor Russland, der seinerseits Deutschland das Erdgas abdrehte.

Am Dienstag stellte der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft Zahlen vor, wie sich das Geschäft deutscher Firmen mit Ländern im Osten entwickelt. Der Ostausschuss ist eine Interessenvereinigung deutscher Unternehmen und Verbände für den Handel mit Osteuropa und Zentralasien.

Russland als Handelspartner immer unwichtiger

Generell läuft es gut: Die Exporte stiegen in den ersten sieben Monaten des Jahres um zwei Prozent auf 161 Milliarden Euro. Doch besonders mit Blick auf den Handel mit Russland und der Ukraine gebe es „große Umwerfungen“, wie Vorstandsvorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser am Dienstag in Berlin sagte.

In der Tat verändert sich der Warenhandel dramatisch. Russland wird als Handelspartner für Deutschland immer unwichtiger. Belegte das Land 2022 noch Platz 14 der wichtigsten Handelspartner, liegt es nun gerade mal auf Platz 36. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist der deutsch-russische Handel in den ersten sieben Monaten 2023 um 27 Milliarden Euro auf 8,4 Milliarden Euro gesunken.

Unternehmen, die noch in Russland aktiv sind, werden häufig für ihre Geschäfte in dem Land kritisiert. Claas-Mühlhäuser sagte, viele, die sich zurückziehen wollten, könnten es nicht, etwa weil der russische Staat hohe Hürden errichte, wenn es um den Verkauf von Vermögenswerten geht.

Auch war in der Vergangenheit wiederholt der Verdacht aufgekommen, deutsche Unternehmen profitierten auch von Sanktionsumgehungen. Dies speiste sich aus der Tatsache, dass einige Länder in Russlands Nachbarschaft wie Tadschikistan, Georgien oder Kirgisien hohe Zuwachsraten beim Handel verzeichneten. Waren würden also nicht direkt nach Russland geliefert, sondern nähmen einen Umweg über andere Länder der Region, so der Vorwurf.

Dem trat Class-Mühlhäuser entgegen und sprach von „pauschalen Verdächtigungen“. Als Beleg nannte sie, dass der Handel 2022 mit den Ländern Zentralasiens lediglich um 2,1 Milliarden Euro gestiegen sei. Im gleichen Zeitraum sei der Handel mit Russland um zwölf Milliarden Euro eingebrochen. Der Anstieg sei auch darauf zurückzuführen, dass Russen in diese Länder geflohen seien und dort die Nachfrage ankurbelten.

Ostausschuss fordert Sicherheiten für Investitionen in der Ukraine

Der Warenhandel mit Russland sank, dagegen wuchs der Handel mit der Ukraine zwischen Januar und Juni um 29 Prozent. Auch hier machen sich die Umstände des Krieges bemerkbar. Hohe Zuwachsraten verzeichnet zwar auch die Ausfuhr chemischer Erzeugnisse, von Maschinen und Kraftwagen, doch der größte Einzelpunkt sind „sonstige Waren“. Unter diesen werden auch die Waffenlieferungen der Bundesregierung gezählt. Zwischen Januar und Juni betrugen sie mehr als eine Milliarde Euro, eine Steigerung von mehr als 170 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Mit Blick auf den Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft betonte Claas-Mühlhäuser, wie wichtig schnelle Hilfen seien: „Der wirtschaftliche Aufbau der Ukraine kann nicht bis nach Kriegsende warten“, sagte sie. Größtes Hindernis für weitere Investitionen sind natürlich die Angriffe Russlands auch auf die zivile Infrastruktur. Daher fordert Claas-Mühlhäuser Bürgschaften für Exporte, aber auch Absicherungen von Investitionen durch den deutschen Staat.

Als Wachstumsmarkt im deutsch-ukrainischen Handel sieht die Vorsitzende des Ostausschusses beispielsweise den Agrar-sektor. Aber auch der IT-Sektor gilt dem Ostausschuss zufolge als Branche mit großem Potenzial. Gerade weil Unternehmen in Deutschland oft ohne Erfolg Programmierer suchten, könnten ukrainische Unternehmen aus der Ferne Leistungen erbringen. Doch die Branche hat wie viele andere Bereiche in der Ukraine ein Problem: Vor allem männliche Mitarbeiter sind zum Kriegsdienst eingezogen. Viele kehren nicht zurück.