Dieses von der offiziellen Webseite des Büros der iranischen Präsidentschaft veröffentlichte Foto zeigt den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani (2.v.r) mit dem damaligen Leiter der Atomenergie-Organisation des Iran Ali Akbar Salehi (l) während des Besuchs einer Ausstellung über Irans damaligen neuen nuklearen Erkenntnissen. Foto: AFP/HO

Der Gaza-Krieg bietet dem Iran die Gelegenheit, ungestört an Atombomben zu bauen. Inspekteure der Atomenergiebehörde rufen das Regime in Teheran zu mehr Transparenz auf.

Während die Welt auf Gaza schaut, treibt der Iran sein Atomprogramm ohne wirksame internationale Kontrollen voran. Rafael Grossi, der Leiter der Atomenergiebehörde IAEA, wirft den iranischen Behörden einen Mangel an Transparenz vor. „Lasst uns sehen, was ihr habt“, sagte Grossi jetzt an die iranische Führung gerichtet. Ein ehemaliger Chef des iranischen Atomprogramms schreckte Grossi und andere Fachleute mit der Bemerkung auf, das Regime in Teheran habe alle Teile für eine Atombombe beisammen und müsse sie nur noch zusammensetzen. Ob das stimmt und ob der Iran die Bombe wirklich will, ist umstritten.

Der Westen und die arabischen Staaten wollen den Bau einer iranischen Atombombe verhindern, weil sie befürchten, dass die Islamische Republik die Waffe einsetzen könnte, um Israel anzugreifen oder Nachbarstaaten mit der Androhung eines Atomschlags zu erpressen. Israel und die USA wollen eine iranische Bombe notfalls mit Angriffen auf iranische Atomanlagen verhindern.

Notfalls Bombe mit Militärschlag verhindern

US-Geheimdiensten zufolge gibt es keine Hinweise auf ein Bombenbau-Programm im Iran. Sichere Aussagen über den Stand der iranischen Atomforschung sind allerdings schwierig. Weil die USA aus dem Atomabkommen von 2015 ausgestiegen waren und neue Sanktionen gegen die Islamische Republik verhängt hatten, hält sich Teheran nicht mehr an die Beschränkungen des Vertrags. Zudem waren einige Vorgaben des Vertrages im Herbst ausgelaufen; eine Anschlussvereinbarung gibt es nicht.

Der Gaza-Krieg sei eine Gelegenheit für den Iran, ungestört an Atombomben zu bauen, erklärte das US-Institut für Wissenschaft und Internationale Sicherheit (Iwis) jetzt in einem Bericht. Seit Oktober führt die iranisch unterstützte Hamas-Miliz in Gaza Krieg gegen Israel; andere iranische Partner wie die Huthi-Rebellen im Jemen haben in den Konflikt eingegriffen. Die IAEA meldete im Dezember, dass der Iran die Uran-Anreicherung nach einer Pause wieder intensiviert habe. Inzwischen könnten iranische Atomeinrichtungen laut Iwis innerhalb einer Woche genug Uran für einen Atomsprengkopf auf das waffenfähige Niveau von mehr als 90 Prozent anreichern.

Sicherheitsexperten sprechen von „extremer Gefahr“

Noch ernster werde die Lage dadurch, dass der Iran die Inspekteure der IAEA behindere und die USA und Israel wegen des Gaza-Krieges abgelenkt seien, warnt Iwis. Die internationale Gemeinschaft vernachlässige ihre Kontrolle zu einer Zeit, in der „die nuklearen Rüstungskapazitäten des Iran so weit fortgeschritten sind wie nie“. Iwis spricht von einer „extremen Gefahr“.

Rafael Grossi, der Leiter der Atomenergiebehörde IAEA Foto: AFP/JOE KLAMAR

So weit geht IAE-Chef Grossi nicht. Doch auch er spricht von einer „sehr frustrierenden Situation“, weil der Iran die Arbeit der IAEA-Inspektoren so weit einschränke, dass nur ein Minimum an Kontrolle möglich sei.

Alle Teile für eine Bombe zusammen

Der Iran sagt, sein Atomprogramm diene ausschließlich zivilen Zwecken, nährt die Befürchtungen seiner Gegner aber durch Äußerungen von Regimevertretern. Ali Akbar Salehi, ein ehemaliger Leiter der iranischen Atombehörde, sagte vorige Woche in einem Interview im Staatsfernsehen, sein Land habe alle wissenschaftlichen und technischen Fragen für den Bau einer Atombombe gelöst. Er verglich die Atombombe mit einem Auto, für das man verschiedene Teile brauche. „Wenn Sie mich also fragen, ob wir das Getriebe und den Motor gebaut haben, lautet meine Antwort: Ja.“

Ali Akbar Salehi bei einer Pressekonferenz im Jahr 2009 Foto: AP/Vahid Salemi

Aber will der Iran die Bombe wirklich? Alex Vatanka, Iran-Experte beim Nahost-Institut in Washington, glaubt das nicht. Das iranische Atomprogramm sei mindestens ein halbes Jahrhundert alt, habe aber bis heute keine Atombombe hervorgebracht, sagte Vatanka unserer Zeitung. „Die fundamentale Frage lautet also: Worauf wartet der Iran?“

Iran braucht Atomprogramm für Verhandlungen mit dem Westen

Das Regime in Teheran müsse zwischen dem Nutzen der Atombombe und den politischen Kosten – den absehbaren Angriffen der USA – abwägen, meint Vatanka. Bisher sei die Führung immer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kosten größer seien als der Nutzen. Auch der Gaza-Krieg dürfte daran nichts geändert haben.

Das heißt nicht, dass die Islamische Republik auf das Drohpotenzial des Atomprogramms verzichten will. Im Gegenteil: Mit neuen Verhandlungen über die Atomfrage könnte der Iran den Westen dazu bringen, die internationalen Sanktionen abzubauen. Das Programm bis zum Bau einer Bombe fortzuentwickeln, sei dagegen nicht im Teheraner Interesse, sagt Vatanka: „Für den Iran ist es besser, das Atomprogramm als Verhandlungsmasse zu behalten, als das Risiko einzugehen, dass es bei amerikanischen Militärschlägen in die Luft gejagt wird.“