Ein Prosit auf den 101. Geburtstag: Erika Kolschmann mit ihrer Tochter Gerlinde Lindner im Garten des Haues am Weinberg Foto: Elke Hauptmann

Am 27. Mai 1919 wurde Erika Kolschmann in Obertürkeim geboren. Zum 101. Geburtstag, den sie im Haus am Weinberg feiert, hat ihr eine Abordnung des Musikvereins Obertürkheim ein Ständchen gebracht.

Obertürkheim - Zu ihrem runden Geburtstag im vergangenen Jahr hat sie keinen Trubel haben wollen. Gestern aber, an ihrem 101. Geburtstag, hat Erika Kolschmann die Aufmerksamkeit aller sichtlich genossen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so alt werde.“ Strahlend sitzt sie auf der Hollywood-Schaukel im Garten des Hauses am Weinberg und freut sich über die gelungene Überraschung: Eine „Corona-Abordnung“ des Musikvereins Obertürkheim bringt der Jubilarin ein kleines Ständchen im Freien. Die fünf Bläser u nterhalten sie und zahlreiche weitere Bewohner der Seniorenwohnanlage mit schmissigen Melodien – und natürlich darf dabei „Zum Geburtstag viel Glück“ nicht fehlen.

Erika Kolschmann singt und klatscht freudig mit. „Musik habe ich immer schon gemocht“, erzählte die kleine, zierliche Frau lächelnd. Chic gekleidet und ordentlich frisiert wie immer, empfängt sie im Park die Gratulanten – mit gebührendem Abstand. Winken statt Händeschütteln, ein Prosit aus der Ferne auf den seltenen Geburtstag, so feiert man im Haus am Weinberg die älteste Bewohnerin in Zeiten von Corona. Seit 2014 lebt Erika Kolschmann hier im Betreuten Wohnen. Und komme noch allein zurecht, wie sie stolz berichtet. Sie, die sich früher mit Schwimmen fit gehalten hat, sei gut beieinander, „nur meine Füße wollen nicht mehr so wie ich will.“

Schwere Jahre

Geboren wurde Erika Kolschmann am 27. Mai 1919 in Obertürkheim, wo sie als mittlere von drei Töchtern aufwuchs. „Meine Schwestern sind aber beide schon verstorben.“ Anfangs habe sie in der damals ansässigen Schokoladenfabrik Haller gearbeitet, später dann dort aufgehört, um ihre Mutter zu pflegen – der Vater war im Zweiten Weltkrieg bei einem Fliegerangriff ums Leben gekommen. Die Zeit während des Krieges sei sehr schwer gewesen, erinnert sie sich. „Für Essen, einen Laib Brot musste man ewig anstehen. In der Sperrzeit durfte man nicht auf die Straße gehen, es gab Plünderungen.“

In dieser Zeit habe sie ihren Mann Erwin kennengelernt. „Einen Reingeschmeckten“, fügt sie mit knitzem Blick hinzu. Er war ein Flüchtling aus dem Sudetenland. 1946 haben sie in der Petruskirche geheiratet. „Das war zwei Tage vor meinem 25. Geburtstag und der Flieder hat so schön geblüht.“ Sie erinnert sich noch gut an dieses Ereignis. Doch auch daran, dass die Leute damals vorwurfsvoll gesagt hätten, wie könne sie nur. „Ich hätte aber keinen besseren Mann haben können. Wir waren 49 Jahre verheiratet, bis er 1995 mit 72 Jahren verstorben ist.“ Er habe ebenso wie sie bei der Landesversicherungsanstalt gearbeitet. „Bis zur Rente hab’ ich immer geschafft, das war mir wichtig.“

Familienfeier wird nachgeholt

1951 wurde Tochter Gerlinde geboren. „Sie sorgt heute gut für mich, kauft ein, ruft an und kommt regelmäßig zu Besuch.“ Natürlich ist sie mit ihrem Mann bei diesem ungewöhnlichen Geburtstagsfest dabei, der Rest der Familie allerdings – dazu gehören auch zwei Enkel- und zwei Urenkel – kann leider nicht mitfeiern. „Wir holen das Zusammensein nach, wenn Familienfeste wieder möglich sind“, verspricht Gerlinde Lindner. Ihre Mutter schaut glücklich drein: „Ich hatte ein gutes und schönes Leben.“