Mehrheitlich gibt es laut einer Umfrage Ärger mit den Kebap-Läden. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Im Umfeld von Kebap-Imbissen und Grillrestaurants gibt es immer wieder Stunk: Anwohner fühlen sich durch den Grillrauch belästigt. Wissenschaftler suchen nun nach technischen Lösungen des Konflikts.

Stuttgart/Mannheim - Mohammad Aleysa legt die Kebap-Spieße auf einen Grillrost, dreht sie allenthalben um und serviert höchstpersönlich das schmackhafte Ergebnis auf einem Brötchen. Doch der 41-Jährige im dunklen Anzug und weißen Hemd ist kein Grill-Profi, sondern ein Umweltschutztechniker am Stuttgarter Fraunhof-Institut für Bauphysik IBP. Dieses soll im Auftrag des Umweltbundesamtes analysieren, was aus gewerblichen Holzkohlengrills an Gerüchen und Abgasen entweicht und mit welchen Methoden die Belästigung minimiert werden können.

„Die Verbesserung der Luftqualität hat mich seit meiner Ankunft in Deutschland vor 15 Jahren umgetrieben“, sagt der aus Syrien stammende Ingenieur. Das Thema sei in vielen Städten Deutschlands ein Dauerbrenner. Bei einer bundesweiten Umfrage des Fraunhofer-Instituts IBP meldeten 183 Kommunen Beschwerden wegen Grillrauchs - nicht nur aus Kebap-Läden, Grill-Imbissen und Grill-Restaurants, sondern auch aus Pizza- und Brotbacköfen. Nur in 13 Prozent der Fälle wurden Abgasreinigungsanlagen betrieben - wobei keine einzige wesentlich zur Lösung des Problems beigetragen habe, erläutert Aleysa die Erkenntnisse aus der Befragung. Er schätzt, dass Rauch- und Geruchsbelästigung noch viel stärker verbreitet sind, doch die Betroffenen ihren Unmut oft nicht lautstark kundtun.

Ärger mit den Kebap-Läden

Mehrheitlich gibt es laut der Umfrage Ärger mit den Kebap-Läden. In Mannheim zum Beispiel konkurrieren um die zwei Dutzend türkische und arabische Restaurants rund um den Marktplatz. Diese Situation erhitzt die Gemüter: Anwohner können im Sommer die Fenster nicht öffnen, Markthändler beklagen quasi „geräuchert“ zu werden, Vegetarier unter den vielen Gästen der Außengastronomie rümpfen die Nase. Die Stadt hat deshalb ein Gutachten zur „Ermittlung der Geruchshäufigkeiten verursacht durch Grillrestaurants“ in Auftrag gegeben. Derzeit kann die Stadtverwaltung mit Hilfe des Baurechts die Einrichtung neuer gewerblicher Grills vorübergehend untersagen. Bislang ist auf dieser Basis eine Anfrage abgelehnt worden. Die für den Frühsommer erwartete Expertise soll dazu dienen, solche Absagen zu untermauern, wie ein Sprecher erläutert.

Doch welche Technik könnte das Problem lösen? Aleysa und sein fünfköpfiges Team haben in einer Halle des Instituts einen handelsüblichen Grill mit einer riesigen Abgasreinigungsanlage aufgebaut. Ziel des Experiments ist, nicht nur die Emissionen bei dem Grillvorgang zu identifizieren, sondern auch die Wirksamkeit der mehrstufigen Abgasreinigungsprozesse zu bewerten; dabei stehen insbesondere die Geruchsstoffe im Fokus.

Geruch soll neutralisiert werden

In Stufe eins soll der Geruch durch einen Ozongenerator weitgehend neutralisiert werden. Eine Schwierigkeit dabei ist die hohe Verdünnung der Emissionen: Ein Quadratmeter Grill produziert 2000 Kubikmeter belastete Luft - pro Stunde. So könne gar nicht die gesamte Menge verunreinigter Luft erfasst werden, erläutert Alesya. Danach werden die Abgase mit Seifenwasser ausgewaschen, mit Elektrofiltern vom Wasser getrennt und durch Aktivkohlepatronen geleitet, die die verbliebenen Gerüche und Feinstaub herausfiltern sollen. „Dieser Reinigungsvorgang ist ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor, denn Kohlenstoffgranulat ist teuer“, erläutert Aleysa. Für die Gastronomen sei es bei so einer komplexen, mehrere Zehntausend Euro teuren Anlage auch unumgänglich, einen Wartungsvertrag abzuschließen.

Stationäre gewerbliche Holzkohlegrills, aber auch die Technik zur Minderung der Emissionen und deren Grenzwerte befinden sich nach Worten von Christian Liesegang vom Umweltbundesamt in einer rechtlichen Grauzone: Sie sind aus der Bundes-Immissionsschutzverordnung weitgehend ausgenommen, deshalb gibt es keine obligatorische Prüfung durch den Schornsteinfeger. Abgasgrenzwerte existieren nicht. Lediglich für neue Grills und deren Abgasreinigungsanlagen gilt bereits, dass der Schornstein erst über dem Dachfirst endet und somit die Abgase nicht direkt ins Wohnzimmerfenster hineinwabern.

Auf  Basis der Stuttgarter Versuchsergebnisse soll letztendlich das Bundesumweltministerium - beraten vom Umweltbundesamt - rechtliche Klarheit schaffen. Dazu könne auch gehören, den Einsatz funktionsfähiger Emissionsminderungstechnik und deren regelmäßige Überprüfung vorzuschreiben, erläutert der Experte für Kleinfeuerungsanlagen Liesegang.

Was die Forscher im Grillrauch gefunden haben

Was die Forscher im Grillrauch gefunden haben, wird wohl kein Anwohner gerne einatmen. Die bislang gemessenen Schadstoffe sind Staub, Stickoxid, Kohlenstoffmonoxid, organische Kohlenwasserstoffe, Benzol und Xylol; zukünftig werden noch polyzyklisch-aromatische Kohlenwasserstoffe und Gerüche gemessen. Liesegang: „Das sind zum Teil krebserregende Stoffe, alle miteinander sind sie nicht gesund.“

Experimentiert wird mit Lammfleisch, aber auch mit Hähnchen, Fisch und Gemüse. Insgesamt verbraten die Forscher mehrere hundert Kilogramm Grillgut. Die Ergebnisse der Rauchanalyse werden mit denen eines „By-Passes“ verglichen. Das ist ein Rohr, in dem das Gas alle Reinigungsstufen ungefiltert überspringt und - wie der behandelte Ausstoß - auf dem Dach des Labors gemessen wird.

Was Aleysa dort nach dem Grillen der Lammspieße und der Reinigung an den Messgeräten abliest, macht ihm keine Freude. „Das ist viel zu viel“, entfährt es ihm beim Anblick der Messwerte. Mit 60 Millionen Partikeln pro Kubikzentimeter Luft hat das Grillen für die Lungen besonders gefährliche Ultrafeinstäube verursacht. An ihnen haften überdies noch Schadstoffe aus dem Rauch. Auch der simple Riechtest zeigt: Was oben aus dem Schornstein kommt, ist keineswegs Frischluft, sondern der Geruch vom 15 Meter weiter unten gegrillten Fleisch.

Bis die Versuche im September beendet werden, dürfen sich Aleysas Kollegen noch auf die leckeren Ergebnisse angewandter Wissenschaft freuen. Dann geht es mit den gewonnenen Erkenntnissen in die Simulation. Das Projekt soll Mitte 2021 abgeschlossen sein.