Im Sommer kommt Adele für zehn Konzerte nach München. (Archivbild) Foto: dpa/Simon Emmett

Zum ersten Mal seit 2016 spielt Adele im Sommer wieder Konzerte in Deutschland, genauer gesagt in München. Die Nachfrage nach den Tickets ist groß, der Vorverkauf hat es in sich. Ein Erfahrungsbericht.

Adele kommt. Nach München! Erst zwei, dann drei, dann vier Konzerte werden angekündigt. Zwei, vier, und schließlich sechs „Zusatzshows“ kommen hinzu. Zehn Konzerte für je 80.000 Zuschauer. Selbst Stuttgarter Litfaßsäulen sind mit überlebensgroßen Plakaten bestückt. Die einzigen Konzerte in Europa. Laut Veranstalter gibt Adele zum ersten Mal seit 2016 wieder Konzerte in Deutschland.

Alles scheint nur mit Superlativen zu funktionieren. Perfekt geplant. Erste Animationen der eigens aufzubauenden Arena - die überall auf der Welt stehen kann, wo es genügend Platz gibt - tauchen im Internet auf. Preise werden bekannt gegeben. Von 74,90 bis 419,90 Euro sollen die Tickets kosten. Die Informationen kommen häppchenweise, fast stündlich gibt es Neuigkeiten. Wer sich auf der Homepage von Adele registriert, der kann am Pre-Pre-Pre-Sale teilnehmen. Die Neugier ist geweckt. Selbst diejenigen, die vielleicht gar keine Fans sind, möchten plötzlich unbedingt dabei sein. Auch ich. 75 Euro, das kann man ja mal machen. Zumal, wenn die Schulfreundin in Laufnähe des Münchner Messegeländes wohnt. Ideale Voraussetzungen sollte man meinen. Von wegen!

Ein Urlaubstag in der Warteschlange

Das mysteriöse Wort dieses Tages lautet „Platin-Ticket“, das Reizwort „Warteschlange“. Irgendwie beginnt es einem zu dämmern, dass man in die Fänge einer gigantischen Konzertmaschinerie geraten ist. Wenn man einen Urlaubstag damit verbringt, sich alle paar Stunden auf mehreren Geräten gleichzeitig immer wieder in die Warteschlange einzureihen. Diesmal sind nur 11.538 Wartende vor einem. Das sollte doch klappen. Doch am Ende: wieder nichts.

Die Auflösung folgt erst am Abend. Wenn alle Presales, der Artist-Presale, der „Magenta-Telekom-Prio-Ticket-Spezial-Exklusiv-Presale“ und der sehr kurzfristig von Freitag 10 Uhr auf Donnerstag 18.30 Uhr vorgezogene Vorverkauf bei Eventim vorbei sind. Wenn es zwar geklappt hätte mit Karten für 399,90 Euro pro Stück, man für verschiedene Termine sogar die begehrten Front of Stage 1 - Tickets für jeweils 419,90 Euro im Warenkorb gesichert hatte. Die Reservierungszeit läuft im Sekundentakt im Countdown ab. So muss es sich anfühlen, wenn man spielsüchtig ist. Das funktioniert. Die Strategen aus der Veranstalterbranche haben ganze Arbeit geleistet. Es wird künstlich eine Verknappung hergestellt. Mehrfach bin auch ich kurz davor, einfach auf „Tickets kaufen“ zu klicken. Doch immer noch rechtzeitig: Nein. Ich bezahle keine 800 Euro für zwei Adele-Tickets. Nein. Ich mache da nicht mit! Für diese Summe kann man eine Woche in den Urlaub fahren!

Plötzlich sind viele Tickets verfügbar

Die psychologische Ticket-Kriegsführung erreicht übrigens am Donnerstag in der Mittagszeit ihren Höhepunkt. Eine Stunde vor dem Presale von Ticketmaster um 14 Uhr – der seltsamerweise gar keinen besonderen Namen trägt – kann man plötzlich ganz viele Tickets kaufen. In fast allen Kategorien. Und auch Sitzplätze nebeneinander, vier, sechs, sogar acht Stück. Wobei man ohnehin pro Kundenkonto nur maximal vier Karten kaufen darf. Trotzdem. Die Münchner Schulfreundin sitzt vier Blöcke entfernt von ihrer Tochter, weil es morgens um 10 Uhr leider nur noch Einzelplätze gab.

Um 13 Uhr sind unendlich viele Plätze verfügbar. Aber keine unter 200, eher 300 Euro. Der Trick: Es sind sogenannte Platin-Tickets. Damit erkauft man sich keinerlei Privilegien. Es handelt sich weder um VIP-Tickets, noch um welche mit früherem Einlass. Immerhin werden potenzielle Käufer darauf hingewiesen. Es sind die gleichen Karten wie wenige Stunden zuvor – nur für das drei- bis vierfache des regulären Preises.

Den offiziellen Ticketportalen ist der Schwarzmarkt seit Jahren ein Dorn im Auge. Nun hat sich Ticketmaster zumindest für einige Stunden seinen ganz eigenen, äußerst dynamischen Markt geschaffen. Zwar werden dennoch bereits am Tag des Presales auf Ebay Adele-Tickets für 1500 Euro und mehr angeboten. Das ganz große Geschäft läuft aber am ersten Tag des Vorverkaufs über Ticketmaster. Die Platin-Tickets werden vom Künstler und deren Management direkt bereitgestellt. Die Preisgestaltung wird dabei dem Markt angepasst.

Karten für 74,90 Euro soll es gegeben haben. Aber wohl nur in der allerletzten Reihe in einer Arena für 80.000 Zuschauer. Und alle Karten bis 150 Euro waren sofort weg.

August in München steht im Zeichen des Adele-Tourismus

Durchatmen. Nachdenken. Den Urlaubstag einfach löschen. Die vielen Stunden der anderen vielen Millionen Ticketjäger müssen Ökonomen berechnen. Dass Adele europaweit an den Vorverkaufstagen einen hohen wirtschaftlichen Schaden angerichtet hat, scheint sicher. Selbst im Fernsehen vor laufender Kamera haben Fans zugegeben, es während der Arbeitszeit versucht zu haben. Die Stadt München hingegen freut sich. Die Hotelpreise sind gestiegen und der ansonsten eher maue August steht 2024 ganz im Zeichen des Adele-Tourismus.

Am Ende des Tages muss man nur ganz kurz sehr sehr tapfer sein und - ja, ehrlich - auf „Ticket aus dem Warenkorb entfernen“ klicken. Ein überragendes und wirklich befreiendes Gefühl!

Plötzlich gibt es viele teure Tickets

Am späteren Abend wäre ich beinahe rückfällig geworden. Nur noch mal ganz kurz schauen, ob es vielleicht doch noch Tickets auf den billigen Plätzen gibt. Und dann erst habe ich begriffen: In so gut wie allen Kategorien gibt es plötzlich Tickets. Super bequem zu bestellen. Ohne Warteschlange. Keine Eingabe eines Codes, um zu beweisen, dass man kein Roboter ist. Es sind auch nicht 258.679 vor einem in der Warteschlange. Im Saalplan kann man - wie früher - einfach per Klick die Plätze wählen. Der Haken an der Sache? Es sind alles Platin-Tickets. Übersetzt: Karten, die noch wenige Stunden zuvor 99 Euro gekostet haben, sind nun für schlappe 350 Euro zu haben. Noch ein bisschen später sind sie noch ein bisschen teurer. Zusammenhängende Plätze können teurer sein als Einzelplätze.

Sie ist also endgültig in Europa angekommen, die dynamische Preisgestaltung von Konzertkarten. In den USA längst gang und gäbe.

Vorfreude durch Irrsinn des Vorverkaufs getrübt

Am späteren Abend des Donnerstags - mehr als 14 Stunden nach dem Verkaufsstart der Telekom Prio Tickets, wie sie offiziell heißen, gibt es wieder in vielen Bereichen Tickets - zu den ursprünglich festgelegten Preisen. Man muss diese zwar teuren, aber zumindest am ersten Tag noch stundenweise gültigen Preise künftig wohl „unverbindliche Startpreise“ nennen. Mal sehen, ob nach solchen Torturen im Irrsinn des Vorverkaufs bei den Fans irgendwann überhaupt noch Vorfreude auf das Konzert aufkommt. Zum Nachdenken, ob man da nun wirklich hin möchte und was es einem wert ist, blieb ja keine Zeit.

Das Geschäft geht auch dann noch weiter, wenn alle 800.000 Karten für Adele in München verkauft sein werden. Denn dann beginnt irgendwann der Wiederverkauf auf den offiziellen Plattformen der beiden Giganten Eventim und Ticketmaster. Der eine ist vielleicht verhindert, der andere hat bessere Karten bekommen. Manche werden feststellen, dass sie in den Strudel des Karten-Kaufrauschs hineingezogen worden sind und wachen daraus in einigen Tagen wieder auf.

Wer auf Nummer sicher gehen will, und sein Ticket im Wiederverkauf (Resale) verkaufen oder auch erst noch kaufen will, beschert Eventim und Ticketmaster weitere Gewinne, mit dem immer gleichen Ticket. Es werden Gebühren und Provisionen für den Besitzerwechsel fällig.