Jan Schindelmeiser Foto: Rudel - Rudel

Von Sigor Paesler

Stuttgart – Jan Schindelmeiser ist noch dabei, sich einen Eindruck von seinem neuen Arbeitgeber VfB Stuttgart zu machen. Er schaut beim Training des Absteigers aus der Fußball-Bundesliga zu, er führt Gespräche mit Mitarbeitern, er schüttelt viele Hände. Auch bei seiner Vorstellungs-Pressekonferenz am Donnerstag in der Mercedes-Benz-Arena bekam der neue Sportvorstand vorgeführt: Es gibt viele Fragen zu beantworten rund um den VfB. Genau 58 Minuten dauerte die Veranstaltung – das ist rekordverdächtig.

Freundlich, verbindlich, kommunikativ. So präsentierte sich der frühere Manager des baden-württembergischen Rivalen 1899 Hoffenheim. Er brachte Dinge auf den Punkt. Eines aber wollte er unbedingt vermeiden: „Ich möchte nicht als Ankündigungs-Weltmeister in die Historie des Vereins eingehen.“ Kein Ausrufen einer neuen VfB-Philosophie. Kein flammendes Versprechen, dass die Schwaben in einem Jahr wieder in der Bundesliga spielen. Dafür viel Herzblut und viel Realitätssinn. Die spannendste Frage, was seine Person betrifft, wartete der 52-jährige gebürtige Flensburger erst gar nicht ab, sondern beantwortete sie gleich selbst

Die vergangenen sechs Jahre: Ende Juni 2010 verließ Schindelmeiser Hoffenheim. Seither trat er öffentlich kaum in Erscheinung, sein Name wurde aber regelmäßig genannt, wenn ein Fußballclub einen Manager suchte. „Im Personalberatungsbereich“, arbeitet der Inhaber der Trainer-A-Lizenz, der in Göttingen Sport, Publizistik, Politik und Betriebswirtschaftslehre studiert hat, bis zuletzt. Er betreute dabei vor allem junge Trainer, Sponsoren und Investoren. Im Fußballgeschehen war er also weiterhin „mittendrin“. Dazu ging Schindelmeiser, dessen Lebensmittelpunkt derzeit noch Köln ist, seiner (zeitaufwendigen) Auto-Leidenschaft nach und restaurierte einen 46 Jahre alten Porsche 911 sowie weitere Sportwagen. Wieder in den Vereinsfußball zu gehen war „nicht der Plan. Ich war nicht auf Jobsuche“.

Das Engagement beim VfB: Aufsichtsratsmitglied Wilfried Porth bezeichnete Schindelmeiser als „eine sehr gefestigte Persönlichkeit“, die viel Leidenschaft und Kompetenz mitbringe. Er betonte zudem, dass sich nicht Schindelmeiser beim VfB beworben, sondern der Verein sich um ihn bemüht habe: „Wir sind abgestiegen. Um jetzt einen hochkarätigen Manager zu verpflichten, müssen auch wir zeigen, was wir anbieten können.“ Der neue Sportvorstand betonte, er habe sich bei seiner Entscheidung auch an der menschlichen Komponente orientiert: „Die Gespräche waren sehr herzlich. Ich habe sehr schnell gemerkt, dass wir eine Gemeinschaft hinbekommen, die gut und gerne zusammenarbeitet.“ Er will nicht als Revolutionär auftreten, sondern sieht sich als „Impulsgeber, Triebfeder und Mentor“. Seine Aufgabe sei es, „dem Trainer Voraussetzungen zu schaffen, immer das nächste Spiel zu gewinnen. Die größte Herausforderung im Profifußball überhaupt ist doch, die kurzfristigen Erfordernisse mit den langfristigen Planungen in die Balance zu bringen“.

Die Aufgabenteilung: Dass Schindelmeiser gleich einen Vorstandsposten bekam und nicht, wie zunächst auch angedacht, als Manager angestellt wurde, erklärte Porth so: „Wir haben Vorstandsmitglieder für Marketing und Finanzen. Der Hauptzweck des Vereins ist der sportliche Erfolg. Wir wollen das auch damit herausstellen, dass wir den Gesamtverantwortlichen für diesen Bereich gleichberechtigt mit den anderen Kollegen in den Vorstand integrieren.“ Schindelmeiser ist der Sport-Chef, ihm arbeiten unter anderem Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, Marc Kienle und Joachim Cast zu, die Aufgabenbereiche sind jedoch noch nicht scharf konturiert. „Meine Aufgabe ist es, das Potenzial dieser Jungs zu nutzen. Da spielt die Visitenkarte und das, was drauf steht, überhaupt keine Rolle“, erklärte Schindelmeiser. Nach einer ersten Einarbeitungszeit jedoch müsse man „die Profile nachschärfen“.

Die Ziele: Die Formulierung „Sofortiger Wiederaufstieg in die Bundesliga“ nahm Schindelmeiser nicht in den Mund, sondern sprach lieber davon, einen Kader zusammenzustellen, „der die offen formulierten Ziele erreichen kann“. Auf Nachfrage begründete er seine Zurückhaltung so: „Ich muss mich ja an der Wirklichkeit orientieren. Im Moment haben wir keine Mannschaft, der wir dieses Ziel in den Rucksack packen können.“ Er wolle nicht auf die Euphoriebremse treten, genaue Ziele aber erst formulieren, wenn der Kader steht.

Der Kader: Der Faktor Zeit ist für Schindelmeiser im Moment die größte Herausforderung. Deshalb kündigte er an, dass die personellen Planungen zum Saisonstart am 8. August noch nicht abgeschlossen sein werden, sondern bis zum Ende der Transferperiode am 31. August dauern könnten. Vor allem in der Offensive sieht er noch Bedarf. In Simon Terodde wurde zwar der Torschützenkönig der vergangenen Zweitliga-Saison aus Bochum geholt, doch Daniel Ginczek wird noch auf nicht absehbare Zeit verletzt fehlen. Serey Dié, Emiliano Insua und Filip Kostic hat der Sportvorstand abgeschrieben: Dié steht kurz vor einer Rückkehr zum FC Basel, Insua zieht es zurück nach Lissabon und bei Kostic ist es ohnehin nur noch eine Frage, zu welchem Verein und zu welchen Ablösemodalitäten er den VfB verlassen wird. Zurzeit trainiert der Serbe in Stuttgart individuell. Für die dringend benötigten weiteren Neuverpflichtungen sieht Schindelmeiser ausreichend finanziellen Handlungsspielraum.

An die Arbeit: Der kurzen Phase des Kennenlernens müssen jetzt die ersten Entscheidungen folgen.

Wahl des Präsidenten

Die Frist für die Einbringung von Vorschlägen für die Wahl eines neuen VfB-Präsidenten auf der Mitgliederversammlung am 9. Oktober ist vor wenigen Tagen abgelaufen. „Es sind einige Vorschläge eingegangen“, erklärte Aufsichtsratsmitglied Wilfried Porth. Das Gremium selbst hat ebenfalls einige Namen im Kopf und führt Gespräche. Die Tendenz geht laut Porth dahin, dass es einen ehrenamtlichen Präsidenten geben und dass der Aufsichtsrat den Mitgliedern nur einen Kandidaten vorschlagen wird.