Quelle: Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Die Sonne scheint, es weht ein leichter Südwest-Wind weht - der Feinstaubalarm in Stuttgart endet deshalb in der Nacht zum Freitag. Der Deutsche Wetterdienst prognostiziert eine Verbesserung des Austauschvermögens der Atmosphäre.

Seit dem 21. November herrscht nun schon Feinstaubalarm in der Landeshauptstadt. Nachdem die von der EU vorgegebenen Grenzwerte von 50 Mikrogramm pro Quadratmeter Luft an den ersten Alarmtagen zunächst deutlich überschritten wurden - mit 131 Mikrogramm wurde am 22. November gar ein neuer Spitzenwert aufgestellt - liegen sie seit Tagen schon unter dem Limit. Dennoch blieb der Alarm bestehen, „weil weiterhin kein Regen in Sicht war und die Schadstoffwerte noch nicht weit genug abgesunken waren“, erklärt Stadtklimatologe Ulrich Reuter. Zur Aufhebung des Alarms müsse sich eine nachhaltige und deutliche Verbesserung des Austauschvermögens abzeichnen. Erst jetzt seien die Voraussetzungen dafür gegeben: „Die austauscharme Situation endet an diesem Donnerstag. Am Freitag kommt eine schwache Kaltfront, die den Austausch zunächst verbessert.“ Der Feinstaubalarm für den Autoverkehr wie für die Komfort-Kamine endet daher am 1. Dezember um 24 Uhr.

Grundlage für den Feinstaubalarm ist ein bundesweit einzigartiges Prognose-Modell. „Es gibt bislang auf diesem Gebiet nichts Präziseres, um das Austauschvermögen der Atmosphäre und damit auch die Luftqualität vorherzusagen“, betont Uwe Schickedanz, der Leiter des hiesigen DWD-Standortes. Die Weltorganisation für Meteorologie habe zwar Kriterien festgelegt, aber die würden nicht weiterhelfen, weil sie weder die regionale Topografie noch die regionalen Emissionen berücksichtigen. „Wir mussten für Stuttgart ein ganz neues System entwickeln.“ Denn es habe viele Fälle gegen, „in denen wir auch so dicke Luft hatten“, so Schickedanz. „Unklar war dabei das Zusammenspiel von Wetter, Emissionen und Lage.“

Um das herauszufinden, wurde eine Flut an Daten wurde gesichtet; zig Angaben zu Temperaturen, Wind, Wolken und Luftdruck wurden ausgewertet und in Beziehung zueinander gesetzt. Das Prognose-Modell funktioniert nach dem Ausschlussprinzip und hat eines sehr deutlich gemacht: Regen hat den größten Einfluss auf Feinstaub - er wäscht die Luft rein. „Liegt die Feinstaubkonzentration bei 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und fällt auch die folgenden Tage kein Regen, wird der Feinstaub mit großer Sicherheit über dem Grenzwert von 50 Mikrogramm liegen“, erklärt Schickedanz. „Dabei ist es egal, ob der Wind weht oder der Luftaustausch stabil ist.“

Täglich werten Schickedanz und sein Team nun die Vorhersagedaten nationaler Wetterdienste nach diesen Kriterien aus und prüfen, wie sich Feinstaub, Wind, Regen und Luftdruck in den kommenden Tagen entwickeln werden. Klimatologe Reuter entscheidet dann zwei Tage im Voraus, ob Feinstaubalarm ausgelöst wird. Umstritten freilich ist, ob diese Maßnahme tatsächlich Wirkung erzielt - der Straßenverkehr gilt als Hauptverursacher für die Feinstaubbelastung. Schafft es Stuttgart im kommenden Jahr nicht, die Luft im Talkessel nachhaltig zu verbessern, drohen 2018 Fahrverbote.

Maßnahmen zur Luftreinhaltung

Umweltzone: Seit 2012 dürfen grundsätzlich nur noch Fahrzeuge mit grüner Umweltplakette in Stuttgart einfahren. Der Ruf nach einer neuen, blauen Plakette für Fahrzeuge der Euro-Abgasnorm 6 wurde bisher beim Bund in Berlin nicht erhört. Mit der blauen Plakette könnten weitere Fahrzeuge aus dem Talkessel ausgesperrt werden - und damit die Stickstoffdioxid-Emissionen um 40 Prozent gesenkt werden.

Tempo 40: Nachweisbare Erfolge brachten nach Ansicht des Amts für Stadtklimatologie Temporeduzierungen an diversen Steigungsstrecken. Wo nur noch Tempo 40 gefahren werden dürfe, seien vor allem die Stickoxide messbar zurückgegangen, sagt Amtsleiter Ulrich Reuter.

Durchfahrtsverbot: Lastwagen ohne Lieferadresse im Stuttgarter Zentrum dürfen nicht durch den Kessel fahren. Wie viele Lastwagen das fernhält, lasse sich aber nicht sagen, so Reuter.

Kleber: Eine Lösung aus Calcium- und Magnesiumacetat (CMA) ging 2010 als Feinstaubkleber in die Geschichte ein. Eine Weile lang war man sich sicher, dass diese Lösung, die eigentlich als Taumittel eingesetzt wird, auch in der Lage ist, die feinsten Partikelchen zu binden und zu Boden zu bringen. „Das hat aber nichts gebracht“, sagt Reuter heute.

Kehren: Vor zehn Jahren kam eine speziell entwickelte Kehrmaschine am Neckartor zum Einsatz. Begleitet von der Uni Stuttgart wurde sechs Monate lang getestet, ob man der hohen Belastung fegend, saugend und wischend Herr werden kann. „Es gab aber keinen messbaren Effekt auf die Werte“, bilanziert Reuter.

Jobticket: Um mehr Pendler zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen, rief die Stadt vor zwei Jahren das Jobticket, ein bezuschusstes Abo für den öffentlichen Nahverkehr, ins Leben. Das Beispiel machte Schule. 450 Firmen in der Region haben inzwischen ein Jobticket eingeführt. Allein bei der Stadtverwaltung nutzen derzeit 11 000 Beschäftigte das Jobticket.

Moos: Forscher haben festgestellt, dass Moose in der Lage sind, die Luft zu filtern. Teile des Feinstaubs können sie festhalten, andere sogar in Pflanzenmasse umwandeln. Wie groß die Wirkung ist, wenn man Moos neben einer viel befahrenen Straße aufhängt, soll mit einer 100 Meter langen Mooswand getestet werden. Im nächsten Frühjahr soll sie stehen, im Sommer sollen erste Ergebnisse vorliegen.