Die Zahl der Anträge für den Kleinen Waffenschein ist 2016 sprunghaft gestiegen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Nach den Vorfällen in Köln in der Silvesternacht 2015/ 2016 sahen sich die Behörden auch in Stuttgart einer Flut an Anträgen für den Kleinen Waffenschein gegenüber, die sich am Jahresende in der Statistik niederschlägt. 862 Genehmigungen wurden 2016 erteilt. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor lag die Zahl bei 167 Anträgen.

Lässt sich Sicherheit erkaufen? In den Tagen und Wochen nach den Übergriffen auf Hunderte Frauen in der Silvesternacht in Köln drängte sich diese Frage fast unwillkürlich auf. Denn auch fernab der Domstadt schnellte die Zahl der Personen, die den Kleinen Waffenschein für Schreckschusspistolen, Reizgas oder Pfefferspray beantragten, in ungeahnte Höhen. Im ganzen Bundesgebiet rüsteten die Bürger in kurzer Zeit auf.

Die Landeshauptstadt bildete da keine Ausnahme. 229 Anträge auf den Kleinen Waffenschein gingen im Januar, 208 im Februar beim Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart ein. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 wurden 55 Freigaben erteilt, 2015 lag die Zahl der positiv beschiedenen Anträge bei 167. Die Folge des plötzlichen Ansturms: Die Genehmigungsverfahren dauerten deutlich länger als bisher. Am Jahresende wurden nach Angaben von Stefan Praegert, Leiter der Waffenbehörde, 862 neue Besitzer des Kleinen Waffenscheins in Stuttgart registriert — das entspricht einer Verfünffachung der Zahl von 2015.

86 Euro werden als Gebühr von Seiten der Stadt erhoben. Begründen, warum sie die Erlaubnis haben wollen, müssen die Antragsteller nicht - im Gegensatz zur Waffenbesitzkarte, die man für eine Schusswaffe mit scharfer Munition benötigt. Dennoch: ein paar Voraussetzungen sind auch für den Erwerb des Kleinen Waffenscheins zu erfüllen. Der Antragsteller muss 18 Jahre alt sein und darf keine Vorstrafen haben. Eine Abfrage beim Bundeszentralregister, beim staatsanwaltschaftlich zentralen Ermittlungsregister sowie bei der zuständigen Polizeidienststelle gehört deshalb zu den Aufgaben der Waffenbehörde. Auch eine psychische Erkrankung steht einer Ausstellung des Dokuments im Weg - ebenso wie eine Drogen- und Alkoholabhängigkeit. Zudem werden die Inhaber des Scheins alle drei Jahre überprüft. Etwa fünf bis zehn Prozent der Anträge werden schätzungsweise in Stuttgart abgelehnt. Zu öffentlichen Veranstaltungen - Fußballspiele, Rockkonzerte, Volksfeste - darf die Waffe nicht mitgenommen werden.

Von Seiten der Stuttgarter Polizei wird die zunehmende „Aufrüstung“ der Bürger mit Sorge betrachtet. Denn eine sichere Handhabung der Waffen durch die Besitzer sei nicht in allen Fällen gewährleistet, warnt ein Sprecher. Im Fall der Selbstverteidigung könne zudem der Schuss im wahrsten Sinne des Wortes „nach hinten losgehen“. Der Besitz von Schreckschusspistolen, Reizgas oder Pfefferspray entpuppe sich deshalb mitunter nur als „trügerische Sicherheit“. Grundsätzlich sei jede Waffe eine Waffe zuviel.

In den vergangenen Monaten ist es in der Stuttgarter Behörde ruhiger geworden, die Antragsflut ist seit dem Frühjahr 2016 wieder abgeebbt. Die Zahl der behördlichen Genehmigungen bewege sich nun im Monat zwischen 30 und 50 - und damit wieder auf einem „normalen Niveau“, betont Abteilungsleiter Stefan Praegert. Auch der Anschlag in Berlin auf einem Weihnachtsmarkt im Dezember vergangenen Jahres habe daran nichts verändert.

Das Wichtigste in Kürze

Wer als Privatmann über eine Waffe verfügen will, braucht dafür eine Erlaubnis. Erteilt oder verweigert wird sie von den Waffenbehörden der Kreise oder kreisfreien Städte. Die Regelungen im Überblick:

Der Kleine Waffenschein ist die behördliche Genehmigung zum verdeckten Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Kriterien: Mindestalter 18 Jahre sowie Zuverlässigkeit und persönliche Eignung.

Die Waffenbesitzkarte erlaubt den Erwerb und den Besitz, nicht aber das Führen von Waffen. Ständig bei sich tragen darf man die Waffe also nicht, die Karte berechtigt aber zur geregelten Nutzung - etwa durch Sportschützen in einem Schützenverein.

Der Waffenschein berechtigt dazu, eine geladene Schusswaffe in der Öffentlichkeit am Körper zu tragen. Dieses Dokument ist einem kleinen Personenkreis vorbehalten. Neben Volljährigkeit, Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung muss ein nachvollziehbares Bedürfnis vorliegen - etwa das Sportschießen oder die Jagd. Auch waffentechnisches und waffenrechtliches Wissen muss nachgewiesen werden.