Befürwörter des Wildtierverbots sitzen mit Masken im Wirtschaftsausschuss. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Ab April 2019 soll es keine Wildtiere mehr auf dem Cannstatter Wasen geben. Zu dieser Entscheidung ist der Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats mit einer Mehrheit von 9:7-Stimmen (eine Enthaltung) gekommen. Die Vollversammlung des Gemeinderates muss Anfang 2017 das Verbot noch absegnen, es ist aufgrund ähnlicher Mehrheitsverhältnisse jedoch quasi beschlossen.

Frank Keller vom Circus Krone nahm das geplante Verbot gestern Nachmittag relativ gelassen auf. „Wir werden dagegen klagen und gewinnen.“ Hierbei werde man sich auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Berufsausübung berufen. „Erneut.“ Bereits in Darmstadt und Chemnitz sei man erfolgreich diesen Weg gegangen. „In Düsseldorf hat die Stadt einen Rückzieher gemacht, als wir mit der Klage gedroht haben“, so der artistische Leiter und Tierschutzbeauftragte des Zirkus.

Wacklige Knie hat der Erste Bürgermeister Michael Föll gestern im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen nicht bekommen, er betonte jedoch gegenüber den Stadträten, dass die moralisch-ethische Frage das eine sei, es aber auf der anderen Seite ein Rechtsrisiko gebe. „Wir können nicht abschätzen, wie das Verwaltungsgericht im Fall einer Klage entscheiden wird. Es ist nicht auszuschließen, dass es das Verbot für nicht rechtmäßig hält.“ Zugleich stellte Föll klar, dass die Messlatte in der Landeshauptstadt aufgrund des Stuttgarter Modells höher liegt als in anderen Kommunen. Demzufolge sind seit 2011 Zirkus-Auftritte von Wildtieren in Stuttgart ausschließlich auf dem Cannstatter Wasen zulässig. Bei ihren Gastspielen hätten die Zirkusse Rechtsnormen stets eingehalten, sogar „übererfüllt“, so der Erste Bürgermeister. Veterinärmediziner hätten in den vergangenen fünf Jahren keine Beanstandungen gemeldet.

„Und das, obwohl bei uns die Kontrollen strenger als in jeder anderen Branche sind“, fügt Keller hinzu. „Wir sind pro Jahr in 30 Städten und werden einmal die Woche einen ganzen Tag lang kontrolliert.“ Der Tierschutz sei in Deutschland hervorragend geregelt. „Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche, diese müssen vom Veterinäramt eben aus dem Verkehr gezogen werden“, so der Circus-Krone-Verantwortliche, der gestern Nachmittag extra aus München zu einer Kundgebung der Gesellschaft der Circusfreunde nach Stuttgart angereist war. In der Königstraße hatten sie sich mit Flugblättern und einer Petition gegen das Verbot ausgesprochen. „In einem modernen Zirkus können auch sogenannte exotische Tiere durchaus tier- und artgerecht gehalten werden“, sagte Bernhard Eisel, Sprecher der Sektion Stuttgart.

Zu dieser Überzeugung ist die Ratsmehrheit wenige Stunden zuvor nicht gekommen. Wie erwartet hatten die Grünen, die SPD und die SÖS-Linke-Plus, die auch den Antrag gemeinsam stellten, nach einer hitzigen Debatte für das Verbot gestimmt. Die CDU, die Freien Wähler und die AfD lehnten es dagegen ab. Sibel Yüksel (FDP) enthielt sich. Auf Anraten von Michael Föll haben sich die Stadträte zudem auf eine Übergangsfrist verständigt. Demnach sollen Wildtiere erst im zweiten Quartal 2019 aus der Manege verbannt werden. „Dadurch wird das Rechtsrisiko gemindert. Außerdem geben wir den Zirkusbetrieben, die unser Vertrauen genießen, etwas Zeit, auf das Verbot zu reagieren.“

Die Planung des Circus Krone geht bislang noch nicht über das Jahr 2019 hinaus. Frank Keller glaubt jedoch nicht, dass die Münchner ihre Zelte ganz ohne Löwen oder Elefanten in der Landeshauptstadt aufschlagen werden. Ein Betrieb ohne Wildtiere sei für ihn nicht vorstellbar. „Sie stellen eine der drei Säulen dar. Das Exotische wird neben dem Nervenkitzel, also den Artisten, und den Clowns von dem Publikum erwartet.“ Sollte die Klage scheitern beziehungsweise das Verbot greifen, werde man sich nach Alternativstandorten in der Region umschauen müssen.

Anders sieht es beim Weltweihnachtscircus aus, der derzeit unter anderem mit zwei Seelöwen auf dem Wasen gastiert. Produzent Henk van der Meijden kündigte an, auch noch nach 2019 mit geändertem Programm nach Stuttgart kommen zu wollen. Eine Nachricht, die die Verantwortlichen der städtischen Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart mit Erleichterung zur Kenntnis nahmen. Auf eine Abwanderung des Weltweihnachtscircus, der ein Stuttgarter Alleinstellungsmerkmal sei, deute nichts hin, sagte Geschäftsführer Andreas Kroll.