Daimler treibt seit Jahren sein China-Geschäft mit hoher Geschwindigkeit voran. Die Zusammenarbeit mit Beijing Automotive (BAIC) im deutsch-chinesischen Produktions-Joint Ventures ist weiter vertieft worden. Unser Archivbild von 2013 zeigt China-Vorstand Hubertus Troska (rechts) und BAIC-Chef Xu Heyi bei der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Michael Paproth

Stuttgart - 429 325. Gleich zwei Mal nennt Hubertus Troska diese Zahl. Es zeigt, dass das Vorstandsmitglied der Daimler AG und in dieser Funktion für das Chinageschäft verantwortlich ziemlich stolz auf sie ist. Kann er auch sein: 429 325 Autos hat der Stuttgarter Hersteller von Januar bis Ende November in China verkauft, 27,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der gesamte chinesische Markt war bis Ende Oktober „lediglich“ um 15 Prozent gewachsen. Aber Troska mahnt: „Diese Wachstumsraten wage sich keiner jedes Jahr zu erträumen.“

Vorerst jedoch lässt es sich mit solchen Absatzzahlen im Gepäck gut nach Stuttgart fliegen, um an der gestrigen Vorstands- und der heutigen Aufsichtsratssitzung teilzunehmen - und sich auch noch am Montagabend mit Journalisten in Stuttgart zu treffen. Morgen schon fliegt der 1960 im spanischen Bilbao geborene Troska wieder nach China zurück. Dorthin, wo Daimlers Autosparte Mercedes-Benz Cars schon seit Jahren mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist und - angetrieben von der eigenen Produktion vor Ort - den Konkurrenten aus München beim Absatz recht nahe gekommen ist. China ist für Mercedes seit 2015 weltweit der größte Markt, die Autofabrik in Beijing (Peking) ist so groß wie Sindelfingen und Untertürkheim zusammen und die Mitarbeiterzahl im Reich der Mitte hat sich innerhalb von zehn Jahren auf 23 400 Frauen und Männer vervierzigfacht. In China laufen E-Klasse, C-Klasse sowie die sportlichen Geländewagen GLA und GLC und das Elektroauto Denza vom Band.

„Meine Zuversicht hat sich bewahrheitet“, sagt Troska rückblickend: „Und ich bin weiter ziemlich guter Dinge“, sagt er vorausblickend. Der Konzern habe die „richtigen Autos für die chinesischen Kunden“. Damit meint er beispielsweise die speziell für China gebaute Langversion der neuen Mercedes E-Klasse Limousine mit verlängertem Radstand und großzügigerem Fondbereich. „In China ist wichtig, was auf dem Rücksitz passiert“, erläutert Troska mit Blick auf Platzangebot und Lademöglichkeiten. Hier lässt man sich eben gerne fahren.

Eine spezielle Abholkultur

Vor 15 Jahren dominierte in China ein Fortbewegungsmittel namens Fahrrad, nun wird gezeigt, dass man ein Auto sein eigen nennt - und nimmt deshalb Bekannte mit. Bernard Auer, Direktor Market Management von Daimler Greater China, spricht von einer besonderen Abholkultur. Weitere spezielle Ausstattungsmerkmale wie Massagesitze, wärmende Getränkehalter oder hochwertige Luftfilter wegen schlechter Luft in den Millionenstädten sollen Käufer anlocken.

Obgleich Beobachter davon ausgehen, dass in China die finanziellen Anreize für Elektroautos nach und nach zurückgedreht werden, wollen die Stuttgarter ihr Engagement bei Elektroautos gerade auch im Reich der Mitte ausweiten. „Die Strategie ist, in China zu lokalisieren, das gilt auch für Elektrofahrzeuge“, sagt Troska. Seit 2014 bieten Daimler und sein chinesischer Partner BYD hier mit dem Denza ein reines Elektroauto an, das in Shenzhen gebaut wird und speziell für den chinesischen Markt entwickelt worden war. Die zweite Denza-Generation mit neuem Akku und 400 Kilometer Reichweite soll das bisher eher verhaltene Kaufinteresse wecken. Troska sagt: „Der Denza hilft uns sehr, weil wir schneller verstehen, wie die Kunden ticken und welche Preise sie zu zahlen bereit sind.“

In China werden reine Elektroautos favorisiert. Gefragt nach der Landeinfrastruktur, die neben Reichweite bei der Kaufentscheidung für oder gegen ein Elektroauto eine große Rolle spielt, sagt Troska: „Wenn China sie haben will, wird es sie geben.“ Es gebe entsprechende Ausbaupläne. In fünf Jahren werde die Infrastruktur da sein. „Dann werden wir sehen, ob dem Fisch der Wurm schmeckt“, sagt der Manager mit Blick auf das Kundeninteresse. 2015 waren in China mit 188 000 Fahrzeugen drei Mal so viele Elektroautos verkauft worden wie im Jahr zuvor.

Troska stellt fest, dass sich in manchen Stadtvierteln Pekings zunehmend Start-ups ansiedeln. Allerdings dominieren große Internetkonzern wie Alibaba, Tencent oder Baidu das digitale Geschehen. Daimler ist dabei, deren Dienste zu integrieren. „Es ist illusorisch zu glauben, man könnte den Kunden in unser Ökosystem ziehen“, sagt Troska. Besonders hoch sei die Nachfrage nach Internetdiensten im Auto. In der neuen E-Klasse, die für Daimler von enormer Bedeutung ist, kann der Fahrer auf Knopfdruck über ein Call-Center von einem Concierge Service Empfehlungen erhalten, beispielsweise für ein Sushi-Restaurant. Informationen dazu werden dann direkt auf das Navigationsgerät gesendet.