Ließ sich für seine Rede von Martin Luther inspirieren: Daimler-Chef Dieter Zetsche. Foto: Eisenmann Quelle: Unbekannt

(ae) - Beim „Männervesper“ sind Männer eigentlich unter sich. Wenn die evangelische Kirchengemeinde und die Weingärtnergenossenschaft Rohracker jedoch zu diesem einladen, sind auch Frauen willkommen. Und so war die Zuhörerschaft am Freitagabend in der Kelter gemischt. Als Redner hatten die Organisatoren Dieter Zetsche gewonnen. Der Vorstandsvorsitzende der Daimler-AG wusste mit manch ungewöhnlichem Vergleich zu erheitern.

Zu seiner heutigen Rede, gesteht Dieter Zetsche den rund 150 Zuhörern, sei er wie die Jungfrau zum Kind gekommen - und das auch noch an Heiligabend. „Einziger Unterschied: Mir erschien kein Engel, sondern Pfarrer Kleinmann.“ Es sind die ersten Lacher, die der Daimler-Chef an diesem Abend für sich verbuchen kann - und es werden nicht die letzten sein. „Zeitgemäße Konzernleitung und soziale Verantwortung“ ist sein Vortrag überschrieben. Auch wenn er selbst einräumt, dass das Thema des Tages eher der Brexit sei. „Es ist kein guter Tag für Europa und erst recht nicht für Großbritannien“, bewertet er das Votum der Briten.

Dann kommt Zetsche auf sein eigentliches Thema zu sprechen. „Von welchen Organisationen können wir uns vielleicht in puncto Zukunftsfähigkeit etwas abschauen - gerade in Umbruchphasen“, richtet er als Frage an die Zuhörerschaft. Seine Antwort: „Die Kirche ist eine Möglichkeit. Zugegeben: Unternehmensberatungen bringen das Beispiel eher selten.“ Aber 2000 Jahre seien eine „echte Ansage“. Vor allem von Martin Luther könnten Unternehmer so einiges lernen.

Dazu gehöre zunächst, seinen „Markenkern zu definieren“. Ferner: Man soll sich auf die Bedürfnisse der Menschen einstellen. „Luther nannte das: ‘den Leuten auf‘s Maul schauen‘.“ So sei die Bibelübersetzung als frühes Beispiel für maximale Kundenorientierung zu verstehen. „Und um die kümmern wir uns heute mehr denn je.“ Als dritte Luther-Maxime nennt der Vorstandsvorsitzende „keine Angst vor neuen Technologien“. Was zu Zeiten des Reformators der Buchdruck war, sei heute die Digitalisierung der Wirtschaft und die Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Ein weiterer Punkt: die Art der Zusammenarbeit: Eigenverantwortung statt Hierarchien seien gefragt. Nicht alles lasse sich von oben verordnen, junge Kollegen gelte es einzubinden und ihren Stimmen mehr Gewicht zu geben. Übrigens auch eine Parallele zu Luther: „Der war gerade mal 33 Jahre alt, als er sich angeschickt hat, die Welt zu verändern.“ Als letzte „Luther-Lehre“ verweist Zetsche auf das eigene Gewissen. „Ich bin überzeugt: Auf Dauer lässt sich nur mit anständigen Geschäften anständig Geschäft machen.“ Die „Daimler-Reformation“ sei entsprechend in vollem Gang. „Sie ist sicherlich eine der herausforderndsten Phasen der Unternehmensgeschichte.“

Die Anwesenden haben nun Gelegenheit, ihre Fragen an den Konzernchef zu richten. Die Themen sind breit gestreut. Beispielsweise wird Zetsche nach dem Sinn und Nutzen der E-Prämie gefragt oder wie er den Aspekt der „sozialen Verantwortung“ in seinem Unternehmen mit Leben füllt. Nach einer Stunde bricht der 63-Jährige wieder auf. Die Gespräche in der Kelter gehen munter weiter - manches Gehörte will schließlich bei Brot, Wurst und Käse sowie einem Glas Wein weiter diskutiert werden.