Auf einer Seite sind an den Wartehäuschen in Stuttgart die Werbeflächen angebracht. Die Vermarktung ist an eine Privatfirma vergeben, um die Kosten für die SSB neutral zu halten. Fotos: Müller Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Der erste Feinstaub-Alarm in Stuttgart fand wenig Beachtung, kaum jemand hat sich an das freiwillige Fahrverbot für Autos gehalten. Nun will die SPD-Gemeinderatsfraktion den Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) noch schmackhafter machen. Sie fordert die Stadt auf, an allen Haltestellen, wo es möglich ist, ein Wartehäuschen aufzustellen. Damit Fahrgäste nicht mehr im Regen stehen müssen.

Mehr als 1000 Bushaltestellen gibt es in der Landeshauptstadt, doch nicht alle sind überdacht. „Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die auf Buslinien angewiesen sind, werden im Regen stehen gelassen, weil ein Wetterschutz oder eine Überdachung fehlt. Dabei sollte doch gerade zu Zeiten des Feinstaubalarms ein großes Interesse vorhanden sein, den Wechsel auf den ÖPNV möglichst attraktiv und komfortabel zu gestalten“, sagt SPD-Stadträtin Judith Vowinkel. Besonders Verbindungen, die über die Stadtgrenze hinaus in andere Landkreise und Kommunen führen, seien davon betroffen. Die Fahrgäste würden im Regen stehen gelassen.

Dabei ist der SPD sehr wohl bekannt, dass nicht überall genügend Platz vorhanden ist, um die in Stuttgart verwendeten Standard-Wartehäuschen aufzustellen. Allerdings könnte aus Sicht der Sozialdemokraten auch eine kleinere Lösung mit einem einfachen Regenschutz, wie er in anderen Kommunen bereits verwendet wird, möglich sein. Das erscheint jedoch schwierig angesichts der Tatsache, dass die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) die Aufgabe des Baus und der Instandhaltung der Wartehäuschen an eine Privatfirma vergeben hat, die sich aus den Einnahmen der vorhandenen Werbeflächen finanziert. Darüber hinaus sieht die SPD daher die Kommune gefordert, für die fehlenden Wartehäuschen zu sorgen, was auch in ländlichen Gegenden üblich sei und gut funktioniere.

Grundsätzlich untersteht dies dem Straßenbaulastträger wie es im Amtsdeutsch heißt, also der Kommune. Doch bereits in den 1980er-Jahren hat diese die Aufgabe an die städtische Tochtergesellschaft vergeben. „Allerdings wurde damals vergessen auch die nötigen finanziellen Mittel bereit zu stellen“, sagt SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Daher hat das Verkehrsunternehmen seit vielen Jahren einen Vertrag mit der Privatfirma „Klett Decaux“ abgeschlossen, um die Aufgabe kostenneutral für sich zu halten. Dabei habe man sich bewusst für den renommierten und international tätigen „Stadtmöblierer“ entschieden. Dieser ist für den Bau und die Instandhaltung der Wartehäuschen verantwortlich. Im Gegenzug darf das Unternehmen die an den Haltestellen vorhandenen Werbeflächen selbst vermarkten. Schätzungsweise 700 Wartehäuschen gibt es laut Schupp in Stuttgart. Das entspreche einer Quote zwischen 60 und 70 Prozent. „Grundlegend ist die Versorgung sehr gut“, ist die SSB-Sprecherin daher überzeugt. Denn nicht überall sei ein Wartehäuschen möglich.

Gleich vier Gründe sprächen dagegen: Ein zu geringes Fahrgastaufkommen, zum Beispiel kurz vor Endhaltestellen. Ein zu geringes Platzangebot. So muss laut Vorgaben des Stadtplanungsamtes mindestens eine Durchgangsbreite von zwei Metern auf dem Gehweg vorhanden sein. Ebenso sind Wartehäuschen vor denkmalgeschützten Gebäuden wie etwa vor dem Neuen Schloss nicht möglich. „Dafür würden wir keine Genehmigung erhalten, um den Eindruck nicht zu beeinflussen“, sagt Schupp. Und zuletzt fällt ein Bau auch flach, wenn sich im Untergrund zahlreiche wichtige Versorgungsleitungen befinden.

Doch bei allen Einschränkungen spielt auch der wirtschaftliche Aspekt eine gewichtige Rolle. „Es muss für die Firma rentabel sein. Wo niemand eine Werbung sieht, macht diese keinen Sinn“, gesteht Schupp. Eine Quote von 100 Prozent, dass alle Haltestellen mit Wartehäuschen versehen sind, sei daher illusorisch. Vor allem müsste die Aufgabe für die SSB unbedingt kostenneutral sein. „Wir können das finanziell nicht stemmen“, betont Schupp. Für die SPD muss da dann die Stadt einsteigen.