In die Schleusenkammern können nur Schiffe mit einer Länge von maximal 105 Metern einfahren. Die Experten fordern, dass die Kammern in den kommenden zehn bis 15 Jahren auf 135 Meter verlängert werden. Foto: Kuhn Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Stuttgart war an den vergangenen Tagen das Mekka der Logistikexperten. Der Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) diskutierte auf seiner Jahrestagung über die Zukunft der Binnenhäfen. Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Landesverkehrsministerium, erhofft sich durch das Pariser Klimaabkommen „Rückenwind für die Binnenschifffahrt“ als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste Fracht vom Lastwagen auf Schiff und Schiene verlagert werden, so die Experten. Wichtigste Voraussetzung: die Verlängerung der Neckarschleusen.

Der Termin der BÖB-Jahrestagung war gut gewählt. Im Bundestag wird gerade der Bundesverkehrswegeplan diskutiert und der Pariser Klimavertrag tritt in Kraft. Der Ausstoß der Treibhausgase soll gesenkt werden. Die Transportbranche soll einen wichtigen Beitrag leisten. „Wenn die Politik die vereinbarten Ziele erfüllt, geht für die Binnenschifffahrt die Post ab“, meinte Uwe Lahl. Schließlich sei es dann unumgänglich, die Verteilung des Transportaufkommens zu ändern. Mehr Waren müssten vom Lastwagen auf Schiene und auf Binnenschiffe verlagert werden. Die Experten waren sich einig: Den Binnenhäfen kommt als trimodale Verteilerzentren eine noch größere Bedeutung zu. Sie sind die Drehscheiben, an denen die drei Transportmittel Lastwagen, Zug und Binnenschiff zusammenkommen. Dies hätten auch die Verantwortlichen der Hafen Stuttgart Gesellschaft (HSG) längst erkannt, so Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll. „Der Neckarhafen ist zu einer multimodalen Logistikdrehscheibe geworden“, meinte Föll und verwies auf das Containerterminal. Um die positive Entwicklung nicht zu gefährden, so machte er mit einem Seitenblick Richtung Norbert Barthle, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, klar, müssten die Neckarschleusen verlängert und für die modernen, 135 Meter langen Containerschiffe passierbar gemacht werden.

Deswegen sei der Ausbau der Neckarschleusen im aktuellen Bundesverkehrswegeplan auch in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden, erklärte Barthle. Er wird gerade im Bundestag diskutiert. Für das Bundesverkehrsministerium habe der Erhalt der mehr als 80 Jahre alten Schleusen allerdings Vorrang. Erst dann gehe es um die Verlängerungen der Schleusenkammern, und zwar zunächst um die Schleusensanierung von der Neckarmündung bis Heilbronn und anschließend erst um jene bis Plochingen. „Wir sprechen von einem langen zeitlichen Korridor“, erklärte Barthle.

Neckarschifffahrt mit Kapazität

Der Vertreter des Landesverkehrsministeriums wurde deutlicher. „Für den Abschnitt bis Heilbronn ist eine Bauzeit bis 2044 und für die Verlängerung der Kammern bis Stuttgart eine Periode bis Ende dieses Jahrhunderts prognostiziert.“ Lahl verheimlichte nicht, was er davon hält. „Das ist zu langsam, um eine Verkehrswende im Sinne des Klimaschutzes zu erreichen.“ Die Politik müsse den Teufelskreis durchbrechen. Wenn nicht in die marode Infrastruktur investiert werde, werde die Neckarschifffahrt immer unattraktiver und die Schleusenverlängerung lohne sich wirtschaftlich nicht mehr.

Welche immense Bedeutung Binnenhäfen und Schifffahrt für die Klimaziele haben, unterstrich Stuttgarts Hafendirektor Carsten Strähle. „Der Transport mit dem Lastwagen erzeugt dreimal so viel Kohlendioxid wie der Transport per Schiff.“ Deswegen sollte man die drei Verkehrsträger besser nutzen, um Engpässe - beispielsweise auf der Straße - abzubauen. Die Binnenschifffahrt habe genügend Potenzial. „Selbst eine Vervierfachung des Frachtaufkommens wäre für die Neckarschifffahrt kein Problem“, so Strähle. „Die Binnenschifffahrt wird zum Überlebensanker für den Klimaschutz“, so Lahl. Der Neckarausbau müsste deswegen nicht 2090, sondern in den kommenden zehn Jahren über die Bühne gehen, forderte der baden-württembergische Verkehrsexperte in seinem Schlusswort.