Auch wenn die Amseljungen aus dem Nest gesprungen sind, stehen sie noch in der Obhut der Eltern und werden noch eine Weile gefüttert. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Die Natur erwacht. Jungtiere werden flügge. Scheinbar unbeholfene Junghasen oder getüpfelte Rehkitze liegen in Wiesen, Amsel- oder Spatzenjunge sitzen tschilpend im Gebüsch. Es ist verführerisch, den Tierbabys helfen zu wollen. „Doch bitte Hände weg. Die Eltern sind meistens in der Nähe“, sagt Wildbiologe Klaus Lachenmaier vom Landesjagdverband. Naturschützer bitten, auf den Wegen zu bleiben und Hunde an die Leine zu nehmen.

Die sonnigen Wochenenden und die herrlich blühenden Wiesen laden zu Aktivitäten in der Natur ein. Es ist auch die Zeit, in der die Tierbabys lernen, auf den eigenen Beine stehen zu müssen. „Rehkitze liegen versteckt in Wiesen und auf Feldern. Deswegen sollten Spaziergänger jetzt nicht querfeldein über Wiesen und durch den Wald laufen“, bittet Lachenmaier. Denn weder Rehkitze noch junge Hasen fliehen. Im Gegenteil: Sie wurden von der Mutter versteckt abgelegt, während sie sich auf Nahrungssuche begibt. Bei Gefahr ducken sich Kitze instinktiv ins Gras, um unentdeckt zu bleiben. Bei den Mäharbeiten oder der Getreideernte kann den Tieren diese Überlebensstrategie zum Verhängnis werden. Auch Hunde haben es leicht, wenn sie ein liegendes Rehkitz im Gras oder Junghasen in der Sasse entdecken. „Nehmen Sie deswegen ihre Hunde bitte an die lange Leine oder behalten Sie sie in ihrem Einwirkungsbereich“, mahnt Lachenmaier. Ein verletztes oder getötetes Kitz oder ein gerissener Feldhase ist kein Unfall, sondern ein strafbares Delikt, das - wie in den Vorjahren mehrfach in Rotenberg und Uhlbach geschehen - zur Anzeige gebracht und von der Polizei verfolgt wird. Im Feld umherspringende Hunde gefährden nicht nur Vierbeiner. „Auch Rebhühner, Feldlerchen oder andere Bodenbrüter ziehen zurzeit ihre Jungtiere auf“, so Lachenmaier. Jede Störung koste Kraft und könne den Tod der Tierkinder bedeuten.

Doch auch Spaziergänger sollten ihr spontanes, angeborenes Verhalten in Zaum halten, wenn sie per Zufall auf ein vermeintlich schutzloses Jungtier treffen. Man hilft ihm nicht, wenn man es streichelt oder das „Findelkind“ gar zum Förster bringt. Als Grundregel gilt: Hände weg, nicht berühren und sich entfernen. „Rehkitze sind in der Regel nicht verlassen. Die Mutter ist oft in der Nähe“, so Lachenmaier. Auch die Hasenmutter schaut normalerweise ein- oder zweimal am Tag bei ihren Jungtieren vorbei, um sie zu säugen.

Das gilt im Übrigen auch für die meisten Vögel. Ob Amsel, Drossel, Meise, Spatz oder Star - die erste Generation der diesjährigen Brut ist jetzt meist schon flügge. „Sie verlassen das Nest, werden allerdings dann noch ein oder zwei Tage von ihren Eltern gefüttert“, erklärt Friedericke Woog, Ornithologin am Stuttgarter Naturkundemuseum. Oftmals sitzen die Nestlinge dann wild Flügel schlagend auf dem Boden oder unter Büschen und piepsen laut bettelnd. Auch hier gilt der gute Rat der Expertin: Nicht anfassen, Abstand halten. „Wenn der Vogel tatsächlich, beispielsweise an einer Straße, in Gefahr ist oder wenn eine Katze lauert, kann man ihn vorsichtig auf einen Ast setzen oder ihn in Sicherheit bringen, ansonsten Hände weg.“