Die „Stadt Stuttgart“ fungiert als Eisbrecher und Feuerlöschboot. Gestern war sie für die Hafen Stuttgart Gesellschaft auf dem Neckar unterwegs und schlug eine Schneise in die geschlossene, sieben Zentimeter dicke Eisschicht. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Es knirscht und kracht. Unter dem Rumpf des 44-Tonnen-Schiffes bilden sich Risse, die sieben Zentimeter dicke Eisschicht bricht. Das Boot der Hafengesellschaft Stuttgart war gestern als Eisbrecher auf dem Neckar unterwegs. „Wir halten die Fahrrinne frei“, sagt Bootsführer Klaus Riegraf. Minustemperaturen bereiten der Schifffahrt Sorgen. An der Schleuse Gundelsheim stauen sich Eisschollen. Kein Schiff kann die Schleuse passieren.

Die Silhouetten der Hafengebäude spiegelten sich gestern früh im Hafenbecken. Ein dicke, geschlossene Eisschicht bedeckt den Neckar. Hunderte Möwen und vereinzelt Krähen haben sich auf dem Eis niedergelassen. Klaus Riegraf von der Hafengesellschaft Stuttgart weiß, dass er gegen Mittag das Hafenboot startklar machen muss. „Es liegen einige Schiffe im Hafen. Wir schauen, dass sie jederzeit ablegen können“, sagt der erfahrene Bootsführer. Wie zum Beweis quält sich ein Binnenschiff vorsichtig flussabwärts. Die Eisdecke knirscht und es kracht. Der Kapitän hat Mühe, sein Riesenschiff an die Hafenmauer zu manövrieren. Anders das wendige Schiff, das sich die Hafengesellschaft und die Berufsfeuerwehr teilen. Die „Stadt Stuttgart“, Baujahr 1960, kommt mit den Eisplatten besser zurecht. „Es ist als Eisbecher und Hafenlöschboot konzipiert, hat einen verstärkten, spitz zulaufenden Rumpf sowie zwei 170 PS-Motoren“, erklärt Riegraf. Diese Kraft kann er optimal einsetzen. Wie ein Pflug schiebt sich das Schiff in die Eisschicht. 44 Tonnen haben Gewicht. Die Eisdecke splittert, es bilden sich Risse, das Schiff verdrängt die Eisschollen. Wie Eishockey-Pucks flitzen sie über die Eisdecke. Hinter dem Schiff entsteht eine Fahrrinne, links und rechts treiben kleingehäckselte Eisinseln. Zwei Touren in den Hafenbecken reichen, um das Anwachsen der Eisdecke zu unterbinden.

Denn durch die Stauhaltung herrscht auf dem Neckar kaum ein Durchfluss. Das Wasser steht nahezu im Becken. Bei Temperaturen unter minus zehn Grad Celsius wie in den vergangenen Nächsten verstärken sich die Eisschichten. Bestes Beispiel ist der Ölhafen: Dort beträgt die Schicht mehr als 15 Zentimeter. „In Plochingen und Esslingen messen wir zehn Zentimeter. Dort liegen zwei Schiffe, die sich mit eigener Kraft den Weg frei kämpfen müssen“, sagt Walter Braun, der Leiter des Wasserschifffahrtsamts Stuttgart. Er schickt keinen Eisbrecher los. Aus gutem Grund. „Wir haben das Glück, dass fast alle unsere Schleusen eisfrei sind.“ Allerdings gibt es eine Ausnahme: An der Schleuse Gundelsheim türmen sich Eisschollen. Seit zwei Tagen kann kein Schiff die Schleuse passieren. Die Schifffahrt ist ab Gundelsheim eingestellt.

Kluges Management ist nun gefordert. Eismassen können Schleusen- und Wehranlagen beschädigen. „Wenn wir jetzt in den Bereichen oberhalb von Gundelsheim noch mehr Eisschollen erzeugen, vergrößern wir das Risiko“, so Braun. Er setzt auf etwas höhere Nachttemperaturen, wie sie die Meteorologen vorhergesagt haben. „Dann werden wir versuchen, die Eisschollen über die Wehre neckarabwärts zu treiben.“ Um genug Wasserströmung zu erzeugen, muss der Neckarpegel gesenkt werden. „Für die Schifffahrt auf dem Neckar wurde die Fahrrinnentiefe von 2,80 auf 2,60 Meter gesenkt. Was sich jedoch kaum auswirkt, da die Schiffe aufgrund des Niedrigwassers auf dem Rhein eh nicht voll beladen sind“, so Braun.