Die Freiwilligen aus aller Welt engagieren sich in Deutschland im sozialen Bereich. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Lorena Greppo

Stuttgart - Nach der Schule für ein Jahr ins Ausland zu gehen - das ist schon lange nichts Außergewöhnliches mehr. Viele gehen auf Rucksacktour nach Australien, andere machen ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in weniger entwickelten Ländern. Dass aber auch Deutschland das Ziel von FSJlern aus aller Welt ist, das dürfte manchen überraschen.

43 junge Frauen und Männer unter 27 Jahren aus 18 verschiedenen Ländern hatten im August 2015 ihren freiwilligen Einsatz beim Diakonischen Werk Württemberg begonnen. Jetzt fanden sie in Stuttgart für ein abschließendes Seminar zusammen. Sie haben unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Auf einem Plakat halten sie fest, welche Vorstellungen sie von Deutschland hatten und was davon sich bewahrheitet hat. Darunter stehen Begriffe wie Pünktlichkeit und Meinungsfreiheit. Was die FSJ-Absolventen hingegen nicht erwartet hatten, aber hier erlebten, war etwa, dass in Deutschland auch zahlreiche Ausländer leben, oder dass es Vorbehalte gegenüber Muslimen gibt.

„Cooles, starkes Land“

Für Anna Masliuk steht fest: „Deutschland ist ein cooles, starkes Land.“ Die 26-jährige Ukrainerin hat in Kiew Medizin studiert und wollte nach ihrem Abschluss Erfahrung im Ausland sammeln, eine andere Kultur kennenlernen und eine andere Sprache lernen. Sie hatte sich nicht auf Deutschland festgelegt, ist aber Nachhinein zufrieden. In Leonberg hat sie im Samariterstift gearbeitet und war überwiegend in der Altenhilfe tätig. Die Medizinerin hat Deutschland als sehr soziales Land erlebt, in dem jedem eine Chance gegeben wird. Das sei in der Ukraine nicht so.

Anders waren die Voraussetzungen für Sydney Mireri. Der 25-Jährige hatte bereits in der Schule und im Goethe-Institut in Nairobi Deutsch gelernt. Außerdem habe Deutschland einen sehr guten Ruf für wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, sagt der junge Kenianer. Er kam deshalb gezielt hier her, eine Entscheidung, die in seinem Umfeld erst einmal für Verwunderung sorgte. In Kenia gebe es viele Vorurteile gegenüber Deutschen. „Bier, Wurst und Lederhosen“ kenne man. Außerdem assoziierten viele das Land immer noch mit Fremdenfeindlichkeit. „Anfangs hat meine Mutter fast täglich angerufen und gefragt, ob ich mich denn wohlfühle in Deutschland“, erzählt Mireri mit einem Lachen und versichert, es gefalle ihm sehr gut hier. Er arbeitet in einer Behindertenwerkstatt in Bad Urach. Auch Feindseligkeit aufgrund seiner Hautfarbe habe er keine erlebt. Ältere Leute seien manchmal skeptisch, gibt er zu, die jungen hingegen seien - anders als er es aus Kenia kennt - sehr freundlich und offen.

Für Sibylle Hahn, Teamleiterin der internationalen Programme der Diakonie Württemberg, bietet sich durch Freiwillige aus aller Welt eine Möglichkeit, zur Völkerverständigung beizutragen. Gerade in Situationen, wo etwa Senioren Vorbehalte gegenüber ausländischer Pfleger haben, könne man diese abbauen, wenn man ihnen Gelegenheit zum Kennenlernen gebe. „Sie nehmen es dann auch meistens gut auf und sind sogar stolz, dass Menschen aus aller Welt zu ihnen kommen“, sagt Hahn. Und schließlich haben auch die Gäste viel zu bieten.

Kenianische Würze

Dass das Aufeinandertreffen zweier Kulturen nicht immer nur einfach ist, haben Anna Masliuk und Sydney Mireri auch erlebt. Das Schwäbische habe ihnen gar nicht einmal so viele Probleme bereitet, auch wenn Begriffe wie „Gsälz“ schon für Verwirrung sorgten. Den Dialekt fänden sie lustig und hängen mit Feuereifer an jedes Wort ein „-le“ an. In der Küche habe es da schon ganz andere Erfahrungen gegeben. In Kenia würze man beispielsweise viel stärker, erzählt Mireri. Als er dann für seine deutschen Mitbewohner Kenianisch gekocht habe - mit reichlich Chili, versteht sich - habe das Ergebnis einer Katastrophe geglichen. „Dafür kann ich jetzt Spätzle machen“, sagt er stolz.

Sibylle Hahn hofft, dass die FSJler ihre positiven Erfahrungen mit anderen Ländern in die Heimat mitnehmen und dort einbringen können. Bei Sydney Mireri und Anna Masliuk muss das noch warten: Er hat einen Studienplatz für Medizin an der Uni Mainz bekommen, sie macht ein Praktikum in der Abteilung für innere Medizin an der Uniklinik Tübingen.