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Stuttgart (lsw) - Die grün-schwarzen Koalitionsgespräche in Baden-Württemberg gehen auf die Zielgerade. Zwar beinhaltete die Liste der Streitpunkte gestern noch einige gravierende Punkte - etwa den Windkraftausbau, das Ausmaß des Stellenausbaus bei der Polizei und die Frage, ob Gymnasien eine Wahlfreiheit zwischen dem acht- und neunjährigen Abitur bekommen sollen. Der Zeitplan solle aber eingehalten werden, hieß es unisono aus Verhandlungskreisen in Stuttgart.

Demnach soll die kleine Runde heute zum letzten Mal tagen, um die letzten Streitpunkte abzuräumen und vermutlich dann über Ressortzuschnitte zu beraten. Am Samstag will sich die CDU intern beraten. Dazu ruft der Landesvorstand die Erst- und Zweitkandidaten der Landtagswahl sowie die Kreisgeschäftsführer und Kreisvorsitzenden zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Am Sonntag sollen die Verhandlungsergebnisse der großen Koalitionsrunde aus Grünen und CDU präsentiert werden. Am Montag ist die Vorstellung des Koalitionsvertrags geplant - wohl aber noch ohne die Nennung von Namen zur Besetzung der Ministerposten.

Bei der Landtagswahl am 13. März waren die Grünen das erste Mal in Deutschland stärkste politische Kraft geworden. Nun wird über die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung verhandelt. Geführt werden soll sie vom grünen Ministerpräsidenten Kretschmann. Die Verhandlungen gestern sollten bis in die Nacht hinein gehen - über Ergebnisse wurde bis zum frühen Abend nichts bekannt. Beraten werden sollte dem Vernehmen nach dann auch über Kompromissvorschläge etwa zum Thema Jagdgesetz und zum Kostendeckel beim Bahnprojekt Stuttgart 21. Die CDU hatte eine Überarbeitung des Jagdgesetzes gefordert, das unter Grün-Rot novelliert worden war. Bei Stuttgart 21 geht es um eine Formulierung zum Thema Kostendeckel. Das Land will nicht mehr als die bereits zugesagten 930 Millionen Euro zahlen. Nach Angaben der „Stuttgarter Nachrichten“ soll der Deckelbegriff im Koalitionsvertrag nicht auftauchen. Man habe aber eine sinngemäße Aussage gefunden - die CDU habe eingelenkt.

Ein großes Problem für die Koalitionäre in spe ist der knappe Landesetat. Im Etat müssen jährlich rund 1,8 Milliarden Euro eingespart werden - und diese Summe reicht auch nur dann, wenn die Flüchtlingszahlen deutlich zurückgehen. Grüne und CDU zeigen sich aber fest entschlossen, dass das Land vom Jahr 2020 an die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einhalten wird. Gespart werden soll vor allem auch bei den Staatsdienern. Diese Ankündigung nahmen Beamtenbund und Gewerkschaften bereits mit Protesten auf.

Gestern wurde bekannt, dass die künftigen grün-schwarzen Koalitionäre ihre Zustimmung zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA an Bedingungen knüpfen. Das geht aus dem Entwurf der zuständigen grün-schwarzen Arbeitsgruppe für den Koalitionsvertrag hervor. Die Zustimmung werde von der Einhaltung der für die EU vereinbarten Standards zum Beispiel beim Verbraucherschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz abhängig gemacht. Zudem müsse TTIP transparent verhandelt werden, heißt es darin. Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, hatte im Februar einen Abbruch der „undurchsichtigen“ Verhandlungen gefordert und sich damit deutlich kritischer als die Grünen in Baden-Württemberg zu den TTIP-Verhandlungen geäußert. Mit dem Abkommen sollen durch gemeinsame Standards und den Wegfall von Zöllen viele neue Jobs entstehen - so die Befürworter. Kritiker befürchten, europäische Standards könnten fallen und etwa mit Hormonen belastetes Fleisch nach Europa gelangen.