Die Realschulen im Land sollen zusätzliche Freiheiten bekommen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Hermann Neu

Stuttgart - An den Realschulen im Land soll es künftig mehr Freiheiten und zusätzliche Möglichkeiten geben, flexibel auf die immer heterogenere Schülerschaft zu reagieren. Die Schulen können beispielsweise mit leistungsstärkeren oder -schwächeren Schülern verschiedene Gruppen oder sogar Klassen bilden.

Laut den Plänen des Kultusministeriums sollen die Änderungen im kommenden Schuljahr 2017/2018 beginnen und bis zum Schuljahr 2020/2021 etwa 42,9 Millionen Euro kosten. Das gestern vom Kabinett gebilligte Konzept geht nun in die Anhörung.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erklärte bei der Vorstellung des Konzeptes in Stuttgart, für die Realschulen sei in den vergangenen Jahren „zu wenig gemacht“ worden, Klagen darüber nannte sie berechtigt. Die Realschulen, die mittlerweile auch den Hauptschulabschluss anbieten, seien die Schulart, in die die Schüler am stärksten drängten. Sie seien „kein Restmodell, sondern ein Zukunftsmodell“. Stärken will die Ministerin Leistung und Qualität. Das klare Signal an die Eltern sei: „Wo Realschule draufsteht, ist auch Realschule drin“.

Noten am mittleren Niveau orientiert

Im Detail sieht das Konzept vor, dass sich die Notengebung in den Klassen 5 und 6 der Realschulen ausschließlich am mittleren Niveau ausrichtet. Vorrangiges Ziel sei es, die Schülerinnen und Schüler zum Realschulabschluss zu führen. Für leistungsschwächere Schüler soll es spezielle Förderung geben. In dieser Phase soll noch keine Unterscheidung zwischen Hauptschul- und Realschulabschluss als Ziel erfolgen. Am Ende der Klasse 5 soll es kein Wiederholen geben, erst nach der 6. Klasse entscheidet sich, ob ein Schüler auf Realschul- oder auf Hauptschulniveau weiterlernt. Nach der Orientierungsstufe ist in den Klassen 7 bis 10 die wesentliche Änderung, dass die Schulen orientiert an der Leistung der Schüler verschiedene Gruppen oder Klassen bilden können. Bisher war es auf dem Weg der sogenannten Binnendifferenzierung nur möglich, stärkere und schwächere Schüler innerhalb der Klasse besonders zu fördern. Nur in Deutsch, Mathematik und Englisch gab es in der 7. und 8. Klasse die Möglichkeit der zeitweiligen Trennung.

Künftig soll es den Schulen möglich sein, entsprechend dem jeweiligen pädagogischen Konzept sich noch stärker an den Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler zu orientieren. Am Ende der Klassen 7 und 8 wird dann aufgrund der Noten jeweils erneut entschieden, ob der Schüler auf Hauptschul- oder Realschulniveau weiterlernt. Der Wechsel ist freiwillig zum Halbjahr möglich, gegen den Willen des Schülers kann der Wechsel nur zum Schuljahresende erfolgen. In den Klassen 9 und 10 erfolgt dann die zielgerichtete Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss nach der 9. und den Realschulabschluss nach der 10. Klasse.

Die zur Differenzierung nötigen Ressourcen an Lehrkräften sollen schrittweise ausgebaut werden. Zum Schuljahr 2017/2018 kommen fünf Poolstunden zu den bisher acht Stunden hinzu, 2018/2019 steigt die Zahl um drei auf 16, 2019/2020 werden 18 Poolstunden und 2020/2021 dann 20 je Zug erreicht. Zehn der Poolstunden soll es pro Zug geben, mit weiteren zehn sollen die staatlichen Schulämter der betreffenden Raumschaft auf unterschiedlichen Bedarf etwa an Förderung vor Ort reagieren. Gerechnet auf die 429 öffentlichen Realschulen entspricht der Anstieg der Poolstunden 618 Deputaten.

SPD warnt vor Aussortieren

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sandra Boser, erklärte, für ihre Partei sei es wichtig, dass die Schulen selbst entscheiden, wie sie mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen ein gutes pädagogisches Konzept entwickeln. Der Fraktionschef der SPD und frühere Kultusminister Andreas Stoch warnte dagegen, es bestehe die Gefahr, dass die zusätzlichen Ressourcen „für das erneute Aussortieren der Schüler eingesetzt werden sollen“. Er spielte damit auf die geplante Teilung von Lernniveaus ab Klasse 7 an. „Die Trennung in Hauptschul- und Realschulgruppen oder gar -klassen und damit die Festlegung auf äußere Differenzierung nach Niveaustufen oder Abschlusszielen atmet den überholten Geist des dreigliedrigen Schulwesens.“ Die geplante Aufstockung der Poolstunden sei aber grundsätzlich ein positives Signal.