Dieser Brief, der ein Geschenk bei zügiger Bezahlung versprach, landete bei einer 74-Jährigen vor einigen Tagen im Briefkasten. Die Frau hatte jedoch überhaupt nichts bestellt. Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Ob mit Gewinnversprechungen, Zahlungsaufforderungen oder Geschenken bei zügiger Überweisung einer Rechnung - vor allem ältere Menschen sind im Visier von Betrügern. Das Problem: Sie verstehen es hervorragend, sich zu tarnen und gleichzeitig massiven Druck auf ihre Opfer auszuüben. Oft mit Erfolg.

Als Maria Frenzel (Name geändert) vor einigen Tagen ihren Briefkasten öffnete, staunte sie nicht schlecht: Post aus Österreich. In einem Schreiben wurde der 74-jährigen Münsterin zu „ihrer Bestellung über 31,90 Euro“ gratuliert, die sie beim „100 % GESUND SCHÖN FIT VERSAND“ getätigt haben soll. Die Firma wolle jetzt einfach daran erinnern, dass die Frist zur Begleichung der Rechnung in „5 Tagen abläuft“. Falls die Bestellung „innerhalb von 5 Tagen vor Ablauf des Fälligkeitsdatums“ bezahlt werden, so solle die Münsterin als Geschenk eine „wunderschöne Lupenbrille“ bekommen.

Maria Frenzel war ziemlich baff: Zum einen sehe sie noch recht gut. „Zudem habe ich definitiv bei dieser Firma, von der ich noch nie etwas gehört haben, keine Bestellung aufgegeben - weder schriftlich noch übers Internet.“ Überwiesen hat sie natürlich nichts, allerdings zum Hörer gegriffen und bei der auf dem Schreiben angegebenen Kunden-Hotline angerufen. Dort sei sie mit dem Hinweis auf „überlastetes Personal“ in einer Warteschleife gelandet, weshalb sie nach zehn Minuten wieder aufgelegt habe. Danach habe sie den Vorfall der Polizei gemeldet. „Solche Gauner haben bei mir keine Chance - ich bin von Natur aus misstrauisch“, so die resolute ältere Dame, die auch schon ominösen Gaszähler-Ablesern den Eingang verwehrt hatte, da die sich nicht ausweisen konnten.

Solche miesen Abzocker-Maschen sind dem Verbraucherschutz sehr wohl bekannt, nicht dagegen der Name der besagten Firma. „Doch das Grundprinzip der Gauner ist das gleiche“, sagt Hannelore Brecht-Kaul von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Der Brief, den die 74-Jährige erhalten hatte, ähnele den Schreiben von so genannten Inkasso-Firmen, die bei vornehmlich älteren Menschen scheinbar unbezahlte Rechnungen einfordern und dabei massiv Druck machen. Solche Firmen geben sich oftmals auch als Anwaltskanzleien aus, was gerade bei Senioren Eindruck macht und die Angst vor weiteren und vor allem höheren Gebühren anwachsen lässt. Das Resultat: „Die Menschen sind so verunsichert, dass sie den mutmaßlich ausstehenden Betrag überweisen“, so Hannelore Brecht-Kaul. Das Thema sei mittlerweile so akut geworden, dass viele Seniorenverbände und -einrichtungen sowie Vereine Vorträge seitens der Verbraucherzentrale buchen.

Bundesweit wird Bürgern per Telefon, Fax, Post oder E-Mail mitgeteilt, dass sie Empfänger eines hohen Gewinns seien. Die Zahlen sind erschreckend. Mit Stand 1. Juni 2015 wurden von den Generalstaatsanwaltschaften 59 Verfahren (2014: 46 Verfahren) an das BKA gemeldet. Der in diesen Verfahren angerichtete Gesamtschaden beträgt fast 132 Millionen Euro (2014: knapp 117 Millionen Euro). Insgesamt wurden gut 1, 11 Millionen Personen (2014: 1,01) geschädigt. Es ist laut Experten von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen. In einzelnen Ermittlungsverfahren lag die Anzeigenquote bei maximal zehn Prozent der Fälle. Aus Call-Centern in der Türkei agierende Täter, die sich auch als Rechtsanwälte oder Notare ausgeben, informieren die Angerufenen beispielsweise über den angeblichen Gewinn (Quelle: Polizeipresse Mittelhessen, 3. August 2016).

Die miesen tricks der Abzocker

Gewinn nur gegen

eine „Bearbeitungsgebühr“

Sie melden sich per E-Mail oder Telefon bei ihren Opfern und behaupten, diese hätten bei einem Gewinnspiel eine hohe Summe, ein Auto oder anderen Sachwert gewonnen. Allerdings könne der Gewinn nur nach Zahlung einer „Bearbeitungsgebühr“ übergeben werden.

Anrufer geben sich unter

anderem als Rechtsanwälte aus

Zielgruppe sind zumeist ältere Menschen. Die Anrufer sind in Gesprächsführung gut geschult und wirken überzeugend. Um ihre Opfer in falscher Sicherheit zu wiegen, geben sie vor, im Auftrag von Rechtsanwälten und Notaren anzurufen und teilen den angeblichen Gewinnern eine Rückrufnummer für die weitere Gewinnabwicklung mit. Melden sich die „Gewinner“ daraufhin bei den „Notaren“ oder „Rechtsanwälten“, werden sie dazu aufgefordert, angeblich angefallene Kosten (Notar, Transpor, Zoll) zu zahlen, bevor sie den Gewinn entgegennehmen können.

Täter geben klare

Zahlungsanweisungen

Die Täter geben klare Zahlungsanweisungen: Sie schicken ihre Opfer beispielsweise zur Post, um die angeblichen Kosten - häufig eine Summe von mehreren hundert bis über tausend Euro - zu überweisen, zum Beispiel per Bargeldtransfer. Oder sie fordern ihre Opfer dazu auf, Prepaid-Karten für Online-Käufe, wie zum Beispiel Ukash oder Paysafecard zu erwerben, mit denen man auch Geld ins Ausland überweisen kann.

Drohung mit einer Strafanzeige

Ist der Angerufene kritisch und nicht so leicht zu überzeugen, üben die Täter massiv Druck aus und drohen nicht selten mit „Konsequenzen“ wie zum Beispiel einer Strafanzeige, wenn das Opfer nicht zahlen will.

Einladung zur „Gewinnübergabe“ Auch per Post melden sich die Betrüger: Sie schicken Briefe an ihre Opfer, in denen sie hohe Geldgewinne versprechen, die sie angeblich für den „glücklichen Gewinner“ erstritten hätten. Um das Geld zu erhalten, müssten sich die Gewinner lediglich zu einer Veranstaltung anmelden, auf der das Geld ausgezahlt werde. Auf diese Weise versuchen die Betrüger, die „glücklichen Gewinner“ auf eine Verkaufsveranstaltung zu locken, auf der minderwertige Ware zu überhöhten Preisen angepriesen wird.

Vorsicht vor kostenpflichtiger

Telefonschlaufe

Ebenfalls per Post fordern kommerzielle „Gewinnspielbetreiber“ ihre Opfer in amtlich wirkenden Briefen dazu auf, eine bestimmte Telefonnummer zu wählen, um sich einen angeblichen Gewinnanspruch zu sichern und das möglichst schnell. Oder sie werden von einem Anrufer dazu aufgefordert, eine bestimmte Ziffer oder Ziffernfolge zu drücken. Wer das macht, landet zunächst in einer langen Warteschleife und wird dann in ein Gespräch verwickelt, das in der Regel nur ein Ziel hat: den Anrufer so lange wie möglich in der Leitung zu halten, damit hohe Telefongebühren anfallen.

So kann man sich schützen