Die Sportklinik will rund 50 Millionen Euro in den Standort Taubenheimstraße investieren. Unter anderem soll das Schwesternwohnheim abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Foto: Nagel Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Die Sportklinik gehört als überregionale Fachklinik für orthopädische Chirurgie, Unfallchirurgie und Sportmedizin zu einer der führenden Einrichtungen ihrer Art. Sie ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Weniger bekannt ist ihre Entstehungsgeschichte. Denn hinter dem Namen verbirgt sich die Arbeitsgemeinschaft Sporthilfe Württemberg. Die wurde am 16. April 1950 auf Anregung des damaligen Vorsitzenden des Toto-Lotto-Ausschusses, des Landesbeirats für Leibesübungen beim Kultusministerium und des Vorsitzenden des Württembergischen Fußballverbandes, Friedrich Strobel, mit dem Württembergischen Landessportbund und dessen Fachverbänden gegründet. Zwei Jahre später wurde die Arbeitsgemeinschaft als gemeinnütziger Verein beim Amtsgericht Stuttgart eingetragen.

Damals bestand große Notwendigkeit für eine Selbsthilfeorganisation des Sports, welche in der Lage war, bei Sportunfällen von besonderem Ausmaß finanziell einzugreifen. 1951 wurde jedoch erkannt, dass allein eine finanzielle Hilfe bei Sportverletzungen nicht ausreicht. Denn eine gezielte Behandlung und Beratung der Sportler sowie Prävention wurde noch viel höher eingestuft. Themen, die bis heute an Aktualität nichts eingebüßt haben.

1954 konnte dank der Unterstützung von Bund, Land, Stadt und dem Sport das Krankenhaus für Sportverletzte in Bad Cannstatt mit damals 27 Betten in Betrieb genommen werden. Auf Antrag des WFV wurde dem Krankenhaus für Sportverletzte vier Jahre später eine sportärztliche Beratungsstelle angegliedert, aus der sich dann später die noch heute bestehende chirurgisch-orthopädische Ambulanz entwickelte.

Das Gebäude, im Stil des ausgehenden 19.Jahrhundert erbaut, gehörte einst einem berühmten Cannstatter: dem Miederfabrikanten Sigmund Lindauer. Von ihm hatte es die Stadt Stuttgart für ihre Kurgäste gekauft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zunächst von Franzosen, dann von US-Amerikanern als Krankenhaus belegt. Als die Besatzer wieder abgezogen waren, hat die Stadt der Sporthilfe Württemberg angeboten, in der Villa ein Krankenhaus für Sportverletzte einzurichten. Nach einem rund sechs Monate langen Umbau, der rund 150 000 Mark kostete, wurde die neue Klinik am 4. August 1954 eingeweiht.

Doch bereits sechs Jahre später befasste man sich bei der Jahreshauptversammlung der Sporthilfe mit ersten Erweiterungsplänen, da der Zuspruch an das Sportkrankenhaus nie geahnte Größen annahm. 1961 war die Raumnot so groß geworden, dass die Verantwortlichen der Sporthilfe um eine Erweiterung nicht mehr herum kamen. Dass es jedoch acht Jahre dauerte, bis der Neubau für etwa 100 Betten realisiert wurde, lag zunächst einmal an der Frage: Wo soll das Klinikgebäude errichtet werden?

Die Stadt bot der Sporthilfe mehrere Areale an, die jedoch allesamt verworfen wurde. Zumeist wegen der schlechten Verkehrsanbindung. Nachdem auch zwei weitere städtische Flächen, eine lag an der Gnesener Straße, die andere unterhalb der Sommerrainschule, verworfen werden mussten, blieb nur noch eine Variante übrig: der Garten der ehemaligen Villa in der Taubenheimstraße 8. Allerdings wurde das Nachbargrundstück (Ecke Taubenheim-/Martin-Luther-Straße) benötigt, das damals im Besitz der Cannstatter Baufirma Bischoff war. Doch auch die eigentlichen Bauplanungen hatten es in sich und waren zeitaufwendig.

Denn da das Sportkrankenhaus weiter in Betrieb blieb, musste zuerst der Neubau errichtet werden. Nach dem Umzug in das neue Klinikgebäude konnte dann die alte Villa abgerissen und mit dem zweiten Gebäude begonnen werden. Das Projekt kostete insgesamt rund 13 Millionen Mark. 1973 war Einweihung der Einrichtung, die über 100 Betten verfügte und mittlerweile offiziell in Sportklinik Stuttgart umgetauft worden war.

Die Entwicklung in der Sportmedizin ging natürlich weiter. Es daueret allerdings bis 1991, eh die Sportklinik erneut erweitert und renoviert wurde. Bis 1993 wurden fast 18,5 Millionen Mark in den Standort investiert. 2004 stand dann schon das 50-jährige Jubiläum der Sportklinik Stuttgart vor der Tür. Vor diesem Hintergrund wurde sie in einer Rekordzeit von zehn Wochen während des laufenden Klinikbetriebes umgebaut. Die Kosten: 2,6 Millionen Euro.

2008 veränderte sich die Gesellschaftsstruktur der Sportklinik. Die Landeshauptstadt Stuttgart erwarb einen Geschäftsanteil an der Sportklinik Stuttgart GmbH in Höhe von 49 Prozent. Die übrigen 51 Prozent hält die Sporthilfe Württemberg. Zielsetzung dabei war, den Gesundheits- und Sportstandort Stuttgart weiter zu stärken.

Ende Januar 2009 war der Bau des neuen Chirurgischen Zentrums abgeschlossen. Herausragend dabei ist der voll integrierte OP-Saal aus Glas. Er verfügt über neueste Technologie, größtmögliche Funktionalität, modernster Audio- und Videotechnik und hat damit neue Maßstäbe in Süddeutschland gesetzt. 2012 wurde das Chirurgische Zentrum um einen weiteren OP-Saal erweitert, sodass die Klinik heute über fünf OP-Säle verfügt.

Doch längst hatten die Verantwortlichen erkannt, dass wenn man das hohe medizinische Niveau halten will, man um weitere Investitionen nicht herum kommt. 2012 wurde ernsthaft über einen Neubau auf dem ehemaligen Güterbahnhof-Areal nachgedacht. Dass diese Pläne an den zu hohen Kosten, sie waren auf 61,5 Millionen Euro angewachsen, scheiterten, ist längst bekannt. Stattdessen soll erneut der heutige, altehrwürdige Standort für 49,3 Millionen modernisiert und mit einem Neubau versehen werden. Obwohl einige Fraktionen des Gemeinderats nicht unbedingt erfreut über dieses Vorhaben sind, wird es wohl am kommenden Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik eine Mehrheit für die Pläne der Sportklinik geben. Denn wie schon einmal vor 50 Jahren blieb die Suche nach geeigneten Alternativen erfolglos.

12 Franklin Gothic Book 1829 gründete Jakob Heine Württembergs erste Heilanstalt für Orthopädie, acht Jahre später eröffnete Albert Veiel die erste Hautklinik Deutschlands. Seit fast 200 Jahren gilt Cannstatt als ruhmreicher Standort für medizinische Versorgung, was sich heute auch in einer großen Anzahl von Kliniken widerspiegelt: Das Krankenhaus Bad Cannstatt, das Robert-Bosch-Krankenhaus, das Krankenhaus vom Roten Kreuz, die St.Anna-Klinik und nicht zuletzt auch die Sportklinik sind hier ansässig. Über die zuletzt genannte Einrichtung gab es in den vergangenen Monaten heftige Debatten. Denn die Sportklinik möchte ihren Standort in der Taubenheimstraße erweitern. Nicht alle Fraktionen sind damit einverstanden, allerdings wird der Ausschuss für Umwelt und Technik am kommenden Dienstag wohl grünes Licht dafür geben. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Sportklinik schon einmal eine Standortdebatte entfacht hatte.