Die Ausgrabungen des Landesdenkmalamts beim Steiggemeindehaus zeigen rechterhand verlaufend die zwei Meter dicken Mauerreste der Altenburg, vermutlich aus dem Mittelalter. Im Vordergrund ist ein römischer Keller zu sehen. Fotos: Frey  Quelle: Unbekannt

Andreas Thiel vom Landesdenkmalamt ist sichtlich erfreut: Die Grabungen beim Steiggemeindehaus, das noch in diesem Sommer abgerissen wird, haben eine Sensation zutage gebracht: die Altenburg, nach der nicht nur das Gewann heißt. „Sie war vermutlich die Keimzelle der Stadt Stuttgart“, so der Oberkonservator beim Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart und Umgebung.

Von Iris Frey
Dies behauptet er auch deshalb, weil in unmittelbarer Nähe beim Steigfriedhof auch die älteste Kirche der Stadt, die Martinskirche stand, die so genannte Urkirche. Bei dem neuesten Fund handelt es sich um eine mittelalterliche Burg, wahrscheinlich aus dem 11. Jahrhundert, wie Thiel erklärt. 

Auf dem Gelände neben dem Steiggemeindehaus wurden zunächst flächig verteilt Gräber gefunden, ein „Körpergräberfeld“ aus dem Frühmittelalter. Anhand der Grabbeigaben, wie Schmuck und Schwert, wird es auf das 6./7. Jahrhundert datiert. Es sind fränkische Grabbeigaben, weiß der Grabungs-Chef. Bei den Bestatteten handelte es sich vermutlich um Franken, die die Alemannen damals beherrschten. Davon geht Thiel aus. „Im 6. Jahrhundert befand sich Südwestdeutschland unter fränkischer Herrschaft.“ Im 8. Jahrhundert fand in Cannstatt das Blutgericht statt, in der die Franken versuchten, die Alemannen zu eliminieren: Die Adeligen wurden nach Cannstatt gelockt und seien dort umgebracht worden.
Die älteste Pfarrkirche, die Martinskirche, die hier in unmittelbarer Nähe stand, verweist ebenfalls auf die Franken. Denn: Der Heilige Martin sei der Heilige der Franken gewesen, weiß der Experte. Und wo die Kirche ist, ist auch der politische Sitz nicht fern. So vermutet Thiel am Hallschlag an der Altenburger Steige einen fränkischen Herzogsitz.
Der Flurname „Auf der Altenburg“ verweist auf eine alte Burg. Eine Mauer von rund zwei Metern Dicke wurde nun auf dem Gelände direkt neben dem Steiggemeindehaus gefunden. Sie liegt oberhalb eines römischen Kellers. Schon lange wird nach einer Altenburg gesucht. So wurde die Altenburg bereits vom Historiker Gerhard Wein im Band „Die mittelalterlichen Burgen im Gebiet der Stadt Stuttgart“ aus dem Jahr 1971 beschrieben, deren Überreste bislang nicht gefunden worden waren. Bis jetzt. Der Name der Burg und des Ortes „Altenburg“ sei, so Wein, von einer einstmaligen älteren Befestigungsanlage abgeleitet. Auch Wein erklärt, dass die Altenburg damals ein fränkischer Stützpunkt gewesen sei, die in der nachrömischen, aber vorkarolingischen Zeit gebaut worden ist.
Bezogen auf Geschlechter und urkundliche Erwähnungen nennt Wein die „von Altenburgs“ und die „Fliner von Altenburg“, die hier vermutlich residierten. Die Altenburg wird spätestens seit Anfang des 12. Jahrhunderts benannt und 1287 von König Rudolf zerstört, als eine von sieben Burgen in Cannstatt. Diese gesuchte Altenburg ist also nun beim und unter dem Steiggemeindehaus zu finden. Wenn es diesen Sommer abgerissen ist, wird sich das weitere bei den Ausgrabungen ergeben. Auf dem Gelände ist Wohnungsbau geplant. Thiel freut sich mit seinem Grabungsteam über den besonderen Fund, der Cannstatts Bedeutung hebt.
Auf dem Gelände ist auch ein römischer Keller gefunden worden, der auf Wohnhäuser deutet, ähnlich wie sie in der Düsseldorfer und Essener Straße gefunden wurden. Seit April wird beim Steiggemeindehaus in der Regie des Landesdenkmalamtes gegraben, mit wetterbedingten Unterbrechnungen. Nach dem Abriss des Gemeindehauses hofft Thiel dann mit seinem Team auf weitere Erkenntnisse zum Sensationsfund. Das Grabungsteam ist gespannt, was es noch alles entdeckt.