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Sei es ein rauchendes Baby, eine trauernde Familie am Sarg oder blau angelaufene Füße. Seit dem 20. Mai schmücken diese und ähnliche Schockbilder Tabakprodukte in Deutschland. Viele Raucher zeigen sich jedoch nicht geschockt, sondern unbeeindruckt. Denn trotz der neuen Aufdrucke gehen bei Cannstatter Tabakhändlern die Glimmstängel wie gewohnt über die Ladentheke.

Von Erdem Gökalp

„Das Bild mit dem Loch im Hals ist am unbeliebtesten“, sagt Liselotte Schweizer, Kioskbesitzerin in der König-Karl-Straße. Da die Bilder mögliche Nebenwirkungen des Rauchens aufzeigen, ist auch die Möglichkeit, eine Öffnung der Luftröhre am Hals zu erhalten, abgebildet. „Wenn den Kunden ein Motiv nicht gefällt, suchen sie einfach ein anderes aus. Das rauchende Baby ist sehr beliebt.“ Laut der Verkäuferin seien viele ihrer Kunden sehr kreativ darin, die unbeliebten Bilder zu umgehen. Einige sind flexibel und steigen um auf eine Marke, deren Packung aus dem Altbestand ist und daher noch nicht mit Schockbildern bedruckt. Wieder Andere überkleben die Bilder mit bunten Aufklebern.

Die Cannstatter Kioskbetreiberin Martha Vavelidis hat nach dem Auftreten der Schockbilder, eine stärkere Popularität der E-Zigaretten beobachtet. „Bei mir haben die Bilder schon gewirkt. Ich nehme mir jetzt zumindest vor, aufzuhören“, sagt sie. Matthias Ludewig; Kioskbesitzer in der Unterführung Wilhelmsplatz; ist skeptisch gegenüber der Maßnahme. Er raucht selbst seit 40 Jahren und hat sich bisher nicht beeinflussen lassen von den Bildern. Auch bei ihm suchen sich Kunden ihre Lieblingsbilder gezielt aus. „Ich sehe das nicht gerne, wenn Kunden das machen. Wir sind doch kein Atelier.“ Das jüngere Publikum sei stärker durch die Bilder beeinflusst. Seine Verkaufszahlen sind gleich geblieben.

Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt Wiesbaden vor einigen Tagen veröffentlichte, sprechen eine andere Sprache. Nach der Einführung von Schockbildern und größeren Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln und anderen Tabakwaren ist der Absatz gesunken. Im dritten Quartal wurden in Deutschland 11,3 Prozent weniger Zigaretten versteuert als im Vorjahr. Auch der Absatz von Zigarren und Zigarillos sowie die Menge des versteuerten Feinschnitts zum Selbstdrehen gingen zurück. Die Statistiker erklären dies mit der Verschärfung der Warnhinweise infolge der EU-Tabakrichtlinie. Hersteller müssen daher ihre Produktion umstellen. Im ersten Quartal hatten sie noch kräftig Ware nach den alten Bestimmungen produziert, weil diese noch ein Jahr lang weiter verkauft werden darf. Insgesamt wurden im dritten Quartal bundesweit Tabakwaren im Verkaufswert von 6,3 Milliarden Euro versteuert. Das waren 0,8 Milliarden Euro oder 10,9 Prozent weniger als im Vorjahr.

Die technische Umstellung sei sehr zeit- und kostenintensiv gewesen, berichtete Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes. Er gibt sich optimistisch, denn die Branche erwarte nun, dass sich der Absatz zum Jahresende normalisiere. „Wir rechnen im Gesamtjahr weiterhin mit mehr als 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen für den Fiskus.“

Laut einer Umfrage der DAK Versicherung haben 81 Prozent der Deutschen die Meinung, dass die Bilder keine wirksame Maßnahme gegen das Rauchen seien. Carsten Zenner, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller (BDTA) sagt, dass sich die Tabakprodukte wie gewohnt verkaufen: „Jeder wusste vorher schon, dass Tabakrauchen schädlich ist.“ Ein Nachteil durch die Bilder sei allerdings, dass sie den Informationsaufdruck mit den Inhaltsstoffen von der Packung verdrängt haben. Zenner hat noch ein weiteres Problem mit der Maßnahme: „Es wäre besser, wenn die Raucherprävention nationale und

nicht

europäische

Angelegenheit bleiben würde.“ Zu einer europäischen Angelegenheit wurde die Raucherprävention mit der Unterzeichnung des Vertrags zu dem Tabakrahmenübereinkommen. Mit 167 weiteren Staaten hat Deutschland 2005 der Vereinbarung zugestimmt. Damit setzte der Staat sich als Ziel, „heutige und zukünftige Generationen vor den verheerenden gesundheitlichen, sozialen und die Umwelt betreffenden Folgen des Tabakkonsums und des Passivrauchens zu schützen.“

Laut Sabine Lang vom Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation, seien die Bilder zwar sinnvoll, jedoch seien andere Maßnahmen effizienter.

„Gerade wenn das komplette Umfeld raucht, braucht es mehr, um einen Raucher davon abzubringen“, sagt sie. Sinnvoll wäre, in Ausstiegangebote zu investieren, wie Beratungen am Telefon, internetbasierte Hilfen, Kurse und stationäre Aufenthalte. Zudem seien die Motivationslagen zu rauchen sehr individuell, wodurch nur ein bestimmter Teil der Raucher durch die Schockbilder angesprochen werde. Auch Professor Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor am Robert-Bosch-Krankenhaus, ist von der nachhaltigen Abschreckung der Bilder nicht überzeugt. Er ist unter anderem für die Klinik Schillerhöhe zuständig, die Raucherentwöhnungskurse anbietet. „Rauchen ist nun einmal eine Sucht“, so der Experte. Persönliche Betroffenheit oder ein Krankheitsfall im Familien oder Freundeskreis seien sehr viel „wirksamer“, als Schockbilder. „Auch Maßnahmen wie Rauchverbot in öffentlichen Gebäude, Flughäfen, Bahnhöfen oder Restaurants sind hilfreicher und haben dazu beigetragen, dass das Rauchen sich auf dem Rückzug befinde.

Überschrift

Ruben

Vaca Galvez:

Ich bin 21 und rauche seitdem ich 16 bin. In meiner Heimat Spanien gibt es die Schockbilder schon seit vielen Jahren. Ich glaube nicht, dass die Bilder an dem Rauchverhalten der Menschen etwas verändern werden. Meine ganze Familie raucht, nur mein Vater hat aufgehört. Meine Oma lässt sich nicht einmal nach zwei Herzinfarkte davon abhalten. Obwohl die Bilder keine Wirkung auf mich haben, nehme ich mir jede Woche unabhängig davon vor: Montag höre ich auf zu rauchen. Bisher hat es nur einmal für sechs Monate geklappt.“

Patrick

Laccmann:

„Ich rauche weiter, auch wenn ich die Schockbilder sehe. Ich rauche seit meinem 16. Lebensalter. Außerdem tangieren mich die Bilder nicht, weil ich ohnehin schon seit Jahren einen Plastikbehälter benutze, um meine Zigaretten aufzubewahren. Nur beim Einkaufen sehe ich die Bilder auf den Packungen. Ich rauche einfach schon viel zu lange, als dass mir diese Maßnahme etwas anhaben könnte. Eine größere Abschreckung ist für mich, wenn der Preis steigt. Ich rauche eine Packung am Tag seit fast vierzig Jahren.“

Lysander

Diehl:

„Die Europäische Union hat sich mit der Vorgabe der Motive mal wieder von ihrer humorvollen Seite gezeigt. Man will den Nachwuchs von den Zigaretten wegekeln, aber traut sich gleichzeitig nicht, wirklich zu schocken. Das Bild mit dem Vater, der seinem Baby auf dem Arm Rauch ins Gesicht bläst, kommt mir vor wie aus einem Comedysketch. Die sollten eher Bilder von amputierten Beinen oder verfaulten Kieferknochen zeigen wie in Asien. Das würde ich als richtiges Schocken vor dem Rauchen bezeichnen.“