Roland Müller, der Leiter des Stadtarchivs Stuttgart, wurde von Fotograf Joachim Feigl bei der Arbeit im Bellingweg in Bad Cannstatt festgehalten. Foto: Joachim Feigl Quelle: Unbekannt

(mar) - Archive gelten als verstaubte, muffelige, völlig überfüllte Kellergewölbe. Mit diesen Klischees will der Fotograf Joachim Feigl aufräumen und ist aktuell mit einer Ausstellung im Stadtarchiv Stuttgart zu sehen.

Der Fotograf Joachim Feigl gestaltete eine Fotoserie über Archive und die Bedeutsamkeit für das zukünftige Geschichtsansehen. „Der Schlüsselmoment war für mich in Ludwigsburg im Staatsarchiv. Zwei Frauen haben dort entschieden, welche Dokumente vernichtet werden und welche ins Archiv kommen. Mir wurde bewusst, dass diese Auswahl in einigen hundert Jahren über das Bild unserer heutigen Gesellschaft entscheidet“, erzählt Joachim Feigl. Er arbeitet hauptberuflich bei der Daimler AG in der Marktforschung und stellt in seiner Freizeit Fotoprojekte auf die Beine. Insgesamt hat er 24 Archive in Baden-Württemberg besucht und dort versucht, die Stimmung in einem Bild einzufangen.

Gerade in der Umgebung von Stuttgart gibt es eine enorme Archiv-Vielfalt: Vom Staatsarchiv und dem Grundbuchzentralarchiv, über das Archiv für Familienforschung bis hin zum Pharma-Archiv des Celesio Konzerns. Jedes dieser Archive ist auf ein Gebiet spezialisiert und versucht für die nächsten Generationen die wichtigsten Informationen aufzubewahren. „Im Gegenteil zu den gängigen Klischees sind die Archive meistens hochmoderne Gebäude, die sehr viel interaktiv und multimedial arbeiten.“ Dazu zählt auch das Stadtarchiv Stuttgart. Es ist erst seit fünf Jahren im Bellingweg in Bad Cannstatt zu finden. Zuvor war das im Volksmund genannte „Gedächtnis der Stadt“ auf mehrere Standorte in Stuttgart verteilt und wurde erst im Jahr 2011 am Güterbahnhof zentriert. Das fünfjährige Jubiläum feierte das Stadtarchiv groß. Hier lagern nicht nur Unterlagen der Stadtverwaltung, sondern auch von Privatpersonen oder Vereinen, außerdem eine bedeutende Bildsammlung. Archive sammeln auch sehr spezielle Dokumente, wie das Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim. Dort werden bis 2017 alle Grundbücher aus Baden-Württemberg aus 654 Grundbuchämtern zusammengeführt. Oder im Archiv für Familienforschung, wo Nachlässe aus „normalen“ Familien liegen, wie Schriftstücke, Bilder und Bücher, die zeigen, wie das Alltagsleben im Schwaben der Vergangenheit war.

Als studierter Psychologe interessiert sich Joachim Feigl vor allem auch für die Menschen, die jeden Tag in den Archiven arbeiten. „Die Archivare haben ein enormes Spezialwissen. Das versuchen sie so gut wie möglich an den Laien heran zu bringen. Ich habe sehr viel gelernt in der Zeit des Projekts“, erzählt Feigl über seine Arbeit. Dafür reist er seit dem Jahr 2013 durch Baden-Württemberg. „Wichtig war mir, die Archivare bei ihrer alltäglichen Arbeit zu zeigen und welchen Wert diese Arbeit hat.“