Das biblische Szenario um die Geburt Jesu wird seit 1963 in der Kirche St. Rupert nachgestellt. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Thomas Wilk

Seit 53 Jahren steht in der St.-Rupert-Kirche auf dem Hallschlag zu Weihnacht eine Krippe mit Maria, Joseph und dem Jesuskind, Hirten und Königen. Das Besondere daran: Die Figuren stammen aus dem Jahr 1963 und wurden damals von einem Gemeindemitglied liebevoll von Hand gefertigt.

Jedes Jahr, ein paar Tage vor Heiligabend, zieht sich Uwe Hellmann seine dicke Winterjacke an und macht sich auf den Weg hinauf zur Kirche St. Rupert. Gemeinsam mit dem Mesner schafft er aus dem Keller der Kirche schwere Dielenbretter, Moos, Äste, Wände aus Styropor und vieles andere in großen Kisten in den Kirchenraum. Dann macht sich der 65-Jährige ans Aufstellen der Krippe.

Wenn neben dem Altar der Boden mit Moos und Sand ausgelegt ist und die Wände und das Dach des schlicht gehaltenen Stalles stehen, wirft Hellmann noch einmal einen kritischen Blick auf seine Komposition. Dann holt er aus einer großen Bananenkiste neun kleine Kostbarkeiten ans Tageslicht: Filigran und mit viel Liebe gestaltete, etwa 30 Zentimeter hohe Figuren, die hier in St. Rupert seit 1963 zu jeder Weihnacht aufgestellt werden. Maria Mosbacher, ein Mitglied der Gemeinde, hatte die Figuren vor 53 Jahren eigenhändig geschaffen. Im Laufe der Zeit kamen Ochsen und Esel, Hunde und Schafe der Hirten hinzu. In der Ur-Version Anfang der 60er-Jahre war die gesamte Landschaft, die den Stall samt Krippe umgab, sogar aus geschnittenen Rebstöcken gefertigt - die natürlich aus Cannstatter Weinbergen stammten.

Nachdem die Krippe in früheren Jahren mal vorn am Altar, mal hinten im Kirchenschiff aufgestellt wurde, hat sie mittlerweile ihren festen Platz rechts neben dem Altar gefunden. Seit 2002 hat Uwe Hellmann das Aufstellen ehrenamtlich übernommen und ist mit Eifer bei der Sache. Der aus Schöningen in Niedersachsen stammende Rentner, der seit 1989 in der Gemeinde St. Rupert wohnt, probiert dabei jedes Jahr neue Varianten aus. Wie steht die Krippe dieses Mal? Wo werden die Hirten mit ihren Schafen postiert? Wohin ist Marias Blick heuer gerichtet?

Uwe Hellmann sorgt auch dafür, dass Figuren, Krippe, Häuser und Landschaft in Form bleiben. Bereits im Herbst bearbeitet er auf der heimischen Terrasse Holz, Pappmaschee und Styropor mit Heißkleber, Tacker, Farbe und Modelliermasse, ergänzt und bessert aus; die winzigen Kleidungsstücke der Figuren reinigt er behutsam. Auch die weihnachtliche Dramaturgie will berücksichtigt sein: Nach dem Christfest ziehen sich die Hirten etwas zurück und machen den drei Heiligen Königen Platz, die unter Hellmanns Regie pünktlich am 6. Januar die Krippe erreichen. Einige bauliche Veränderungen sind beim 65-Jährigen bereits in Planung: Zurzeit werkelt er am Bau eines großen Torbogens, durch den die drei Heiligen Könige würdig einziehen können - samt Elefant aus der Hellmannschen Sammlung.

Die Schöpferin der Figuren, Maria Mosbacher, war mit ihrem Mann Werner 1959 nach Stuttgart gezogen. Zunächst hatte die gelernte Hutmacherin eine kleine Krippe für die Hauskapelle der Schwestern in St. Maria Regina in Stuttgart-Hallschlag gefertigt. Dazu formte sie die Figuren mit dem Taschenmesser aus einer Plastika-Masse, bemalte sie eigenhändig und schneiderte die winzigen Kleidungsstücke selbst. Nachdem im Juni 1962 St. Rupert eingeweiht worden war, fragte der damalige Pfarrer Sigisbert Schwind die 32-Jährige, ob sie nicht auch ein Krippen-Ensemble für die neue Kirche anfertigen könne. Heiligabend 1963 standen Maria Mosbachers Figuren zum ersten Mal in St. Rupert. Ein guter Zeitpunkt auch für sie: Nur wenige Tage später, am 3. Januar, brachte sie ihr zweites Kind zur Welt. Maria Mosbacher fertigte in ihrem Leben insgesamt 27 Krippen, meist mit jeweils zehn Figuren. Die Werke wurden in der ganzen Welt ausgestellt, unter anderem 1984 in Tabor in Israel. 2006 starb die unermüdliche Bastlerin.

Die Krippe kann eine Stunde vor und nach dem Gottesdienst in St. Rupert, Koblenzer Straße 19, angeschaut werden. Allerdings „stoßen“ die Heiligen Drei Könige erst zum 6. Januar dazu. In diesem Jahr steht dort erstmals ein Spenden-Kässle für die Krippe.

Seit 15 Jahren baut Uwe Hellmann in der Kirche die Krippe auf. Jedes Jahr denkt er sich neue Varianten aus.