Der Eingangsbereich in den Kurpark an der Wiesbadener Straße sind gerade einladend aus. Der Belag ist abgeblättert, Rost hat sich breit gemacht. Fotos: Rehberger Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

In TV-Krimiserien geht alles immer sehr schnell. Ergebnisse von Spurensicherung, DNA-Tests, Untersuchungen liegen ruckzuck vor. Die neuesten Techniken kommen zum Einsatz. In der Realität dauert alles länger. Doch ein bisschen Zukunft hält Einzug in die Polizeiarbeit. Eine Software wertet Daten zu Einbrüchen aus, kann dann eine Prognose aussprechen, wo in einem bestimmten Radius die Wahrscheinlichkeit für weitere Einbrüche am höchsten ist. In einem halbjährigen Versuch kam dies auch im Polizeirevier Martin-Luther-Straße zum Einsatz.

Am 30. Oktober startete der Versuch in den beiden Polizeipräsidien Karlsruhe und Stuttgart. Es erinnert ein bisschen an den Science-Fiction-Thriller „Minority Report“, in dem Morde vorhergesehen werden und so verhindert werden können. Die Software „Precobs“ (pre crime observation system), ein Kriminalitätsvorhersagesystem, arbeitet nicht mit hellseherischen Fähigkeiten, sondern mit den gefütterten Daten. Alle von der Polizei aufgenommenen Einbrüche, auch die gescheiterten und abgebrochenen Versuche, gehen bei „Precobs“ ein.

Was früher mit Hand und Fähnchen auf einem Stadtplan angebracht wurde, nachdem die Akten durchgeforstet und ausgewertet worden waren, ist jetzt mit einem Mausclick abrufbar. „Das System sucht nach Profi-Einbrüchen“, erläutert Tilmann Bach vom Zentrum für Sicherheitsforschung im Landeskriminalamt (LKA). Profi-Einbrecher betreiben großen Aufwand, spionieren zuvor die Gegend aus, schauen sich um. „Profis benutzen zum Beispiel Schließwerkzeuge und haben es meist auf Bargeld und Schmuck abgesehen“, ergänzt Maximilian Foerster von der Inspektion Kriminalitätsanalyse. Eine Fensterscheibe einschlagen und das TV-Gerät mitnehmen, spreche eher nicht für ein professionelles Vorgehen. Profi-Einbrecher wechseln, so die LKA-Experten, nach etwa drei erfolgreichen Einbrüchen das Gebiet. Das System sammelt alle Daten und gibt Signal, wenn ein möglicher Tatraum für eine solche Einbruchserie erkannt wird.

Dann werden die Operatoren aktiv. Jeweils fünf Spezialisten auf dem Gebiet der Wohnungseinbruchsdiebstähle der beiden Präsidien, die für „Precobs“ geschult sind - Bach: „Das geht grundsätzlich in ein bis drei Tagen“ - sorgen dann sieben Tage die Woche für die zielgetreue Analyse. „Das ist sozusagen das Beste aus zwei Welten.“ Denn das Softwaresystem sei nur ein „Baustein und kein Wundermittel“, also ein Hilfsmittel für die Analysten, das niemanden ersetzen werde. Die Spezialisten sehen die markierten Bereiche auf dem Bildschirm und schlagen dann Maßnahmen für den Bereich in einem Radius von 500 Metern vor, damit die Beamten draußen vor allem präventiv tätig werden können. Die empfohlenen Maßnahmen und Hinweise können die Beamten auf einem PDF-Ausdruck im Streifenwagen mitnehmen. „Das ist ein gutes Werkzeug“, erzählt Thomas Engelhardt, Leiter des Polizeireviers Martin-Luther-Straße, aus der Praxis. Seine Beamten hätten sich positiv geäußert. Das hören Bach und Foerster gerne. „Das Feedback der Beamten ist wichtig und findet auch Berücksichtigung in der Auswertung“, so Bach. Denn die ergebnisoffene Pilotstudie wird derzeit vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht durchgeführt. „Die Ergebnisse werden für Ende Juli erwartet. Dann kommt noch unsere Einschätzung dazu.“ Solange laufe das Projekt weiter. Wobei in den Sommermonaten deutlich weniger Einbrüche verübt werden als im Winter.

Entsprechende Projekte gab es bereits in Bayern und Zürich, wo die Zahl der Einbrüche zurückging. „Man kann die Ergebnisse aber nicht übertragen“, so Bach. Jede Stadt, jede Region sei anders. „Daher war ein eigener Versuch wichtig.“ Man habe deshalb Karlsruhe und Stuttgart ausgesucht. Zum Polizeipräsidium Karlsruhe gehören zwei Stadt- und drei Landkreise. Stuttgart sei dagegen sehr städtisch geprägt. Das liefere dann brauchbare Ergebnisse.

Die Besorgnis wegen personenbezogener Daten wurden ernst genommen. „Wir haben mit dem Datenschutz zusammengearbeitet.“ Die Einwände des Landesamtes für Datenschutz (LfD) wurden berücksichtigt. Auf personenbezogene Daten wurde verzichtet, stattdessen die Tatortdaten nicht konkret, sondern bezogen auf bestimmte Geoparzellen oder so genannten Polygonen angegeben. Die Infos werden fünf potenziellen Opferhaushalten oder einem Bereich von 50 bis 60 Metern Kantenlänge zugeordnet. „Erfreulicherweise erklärte sich das LKA ohne Wenn und Aber dazu bereit“, heißt es im Tätigkeitsbericht des LfD.

Der beste Schutz vor Einbrechern sei eine aufmerksame Nachbarschaft und Wohnungssicherung, so die Experten. „Rund 45 Prozent der Einbrüche bleiben im Versuchsstadium stecken“, so Foerster. Die Einbrecher wurden gestört oder die Wohnung war gut gesichert.