Stuttgart (ar) - Zum Auftakt der Reid-Anderson-Festwoche hatte eine neue Fernsehdokumentation des SWR übers Stuttgarter Ballett Premiere: „Von Wundern und Superhelden“ heißt der 90-minütige Film von Harold Woetzel. Das Metropol Kino füllten Tänzer, Ballettpublikum und Filmleute, es gab Eröffnungsreden vom stellvertretenden Ballettintendanten Tamas Detrich, von der neuen Kulturstaatssekretärin Petra Olschowski (wie glücklich müssen Baden-Württembergs Tanzschaffende sein, eine ehemalige Tanzkritikerin in dieser Position zu wissen!) und natürlich vom geehrten Anderson selbst, dem seine entgegen aller Klischees Popcorn-mampfenden Tänzer in ihren todschicken Outfits zujubelten.

Noch mehr jubelten sie, als später Choreologin Georgette Tsinguirides auf der Leinwand erschien, und zwar nicht nur in ihrer bekannten „Ich muss jetzt zur Arbeit“-Schroffheit, sondern mit bewegten Bildern von früher, aus ihrer Ballerinenkarriere: Was für eine schöne Idee! Woetzel und seine Mannschaft haben tief in den Archiven des SDR gewühlt und sehr viele Aufnahmen von John Cranko und seiner Zeit einfließen lassen. Angefangen bei Demis Volpis „Salome“-Premiere spannt sich der Bogen bis in die 60er Jahre zurück, folgt Crankos Karriere wie (ganz wörtlich) Andersons Spuren, zeigt die Erfolge in New York, die Zweifel, die Freude, die Entwicklung der Kompanie. Alle, alle haben sie vor die Kamera geholt: John Neumeier, William Forsythe und Hans van Manen, Birgit Keil, Vladimir Klos und Marcia Haydée, die einfach immer die perfekten Worte findet. Ein paar Fehler sind auch drin (so tanzte Reid Anderson nicht die Titelrolle, sondern den Apollo in Forsythes „Orpheus“), mittendrin gleitet der Film ein wenig ins Tänzer-Anschwärmen ab und verfolgt Alicia Amatriain und Friedemann Vogel durch Tokio. Stattdessen hätte man lieber etwas mehr von den anderen Solisten oder einen Ausschnitt aus einem Marco-Goecke-Ballett gesehen: Seit zehn Jahren ist er Hauschoreograf und heute eine ebenso wichtige Entdeckung wie damals William Forsythe. Ihn nur in einem Halbsatz mit seinen „verrückten Balletten“ zu erwähnen, ist eine schmerzliche Unterlassung in diesem ansonsten liebevoll gemachten Porträt.

Der Film wird morgen, 23.40 Uhr, im SWR Fernsehen gesendet.