Gerd Ritter macht Bella Figura. Foto: Tobias Metz Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

Stuttgart - Mädchen, die mit Flugzeugen spielen und Jungs im Kleid rennen in Hannah Biedermanns Produktion „Entweder und“ über die Bühne. Die Regisseurin hat mit dem Jungen Ensemble Stuttgart eine rasante Revue entwickelt, die Geschlechterrollen hinterfragt. In dem Theaterstück für Kinder ab fünf Jahren wird selbst bei den Kostümen nicht nach rosa und hellblau getrennt. Aus einem Wäschestapel auf der Drehbühne greifen sich alle ihr rosafarbenes Outfit heraus - und sind damit sehr glücklich. Dann beginnt ein kindgerechtes Spektakel, das die Gender-Debatte in starken Bildern und in einer klaren, lebendigen Sprache aufrollt. „Ein Kinderstück über das Erwachsenwerden in einer rosablauen Welt“ lautet der Untertitel der Stückentwicklung. Weshalb dürfen Mädchen eigentlich nicht Fußball lieben? Mit überdimensionalen Torwart-Handschuhen und dem runden Leder zeigt Sophia Maria Schroth, dass das eigentlich selbstverständlich sein könnte. Und Gerd Ritter macht auch beim Papa-Mama-Kind-Spiel eine gute Figur. Lustvoll tasten sich die Schauspieler an Klischees heran, die Kindern anerzogen werden, um sie dann mit ihrem dynamischen Spiel zu zertrümmern. In Stöckelschuhen tanzt Alexander Redwitz mit dem Ensemble über die Bühne und lässt das Klischee vom starken Kerl ganz weit hinter sich.

Traumhafte Kostüme

Ausstatterin Mascha Mihoa Bischoff hat traumhafte Kostüme ersonnen. Sacht verzerrt sie die Szenen so ins Surreale, gibt Kindern und Erwachsenen die Chance, sich dem staubtrockenen Gender-Thema spielerisch anzunähern. Manchmal erleben die Spieler ein rosablaues Wunder, wenn sie erkennen, wie viel Freude es macht, das enge Geschlechterdenken einfach abzuschütteln.

Dass die Suche nach einer Identität schwierig ist und auch schmerzt, vermittelt Hannah Biedermanns Kindertheater selbst den Kleinen ganz stark. Wenn Franziska Schmitz am Ende als wunderschöner Schmetterling in einem bunten Kostüm dasteht, liegt ein langer Prozess hinter ihr. Von der hässlichen, schrumpelig-weißen Puppe befreit, liegt eine Welt der Möglichkeiten vor ihr. Mit schlichten und schönen Bildern wie diesem zeigt Biedermann den Kindern, wie wichtig es ist, sich aus Zwängen zu befreien. Und die Botschaft kommt an: Vielfalt ist wichtiger als Geschlechtergrenzen.

Die Regisseurin, die mit ihrer freien Gruppe Pulk Fiction das Format einer Eltern-Kind-Konferenz entwickelt hat, nimmt die Jungen und Mädchen auch in ihrer neuen Produktion sehr ernst. Die locker gestrickte Revueform, die sie für „Entweder und“ gewählt hat, führt zwar manchmal zu Längen. Mit ihrem Spielwitz und mit wunderbaren Songs, begleitet von der faszinierenden Musikerin Conni Triede, überbrücken die Spieler dieses dramaturgische Defizit allerdings ganz leicht.

Weitere Termine: 8.,9. und 11. Dezember.