Avenged Sevenfold lassen es erstklassig krachen - auch wenn Sänger M. Shadow beim Stuttgarter Auftritt Stimmprobleme bekam. Foto: Mike Kunz Quelle: Unbekannt

Von Ingo Weiß

Stuttgart - Avenged Sevenfold, 1999 gegründet, zählen seit einem Jahrzehnt zur ersten Heavy-Metal-Liga. In der Stuttgarter Schleyerhalle zelebrierte das Quintett aus dem kalifornischen Surfer-Paradies Huntington Beach ein explosives Konzert. Auf Feuer, normalerweise Show-Bestandteil, verzichten Avenged Sevenfold, auch unter dem Kürzel A7X bekannt, zwar an diesem Abend. Aber auch so machen die ausladende Bühne, ein opulentes Licht- und Videospektakel und ein hervorragender Sound die Show zu einem außergewöhnlichen Ereignis. Die Konzepte wie ein überdimensionierter, fliegender Video-Würfel oder zehn riesige, hinter der Bühne versetzt hängende Videoleinwände, die den Eindruck einer einzigen LED-Wall vermitteln, stammen von Cirque du Soleil-Ideengebern.

Brachiale Riff-Gewitter

Den Bandnamen entnahm Sänger M. Shadows alias Matthew Charles Sanders der biblischen Geschichte von Kain und Abel. Er und die anderen vier Protagonisten der „siebenfachen Rache“ kommen wie ein metallisches Fegefeuer über die 6500 Fans. Der Metal-Orkan bringt brachiale Riff-Gewitter, schwere, düstere Sounds, klassisch orientierte Passagen und irre Tempowechsel mit sich.

Mit Brooks Wackerman, einer Maschine in Menschenhaut, haben A7X genau den Drummer gefunden, der dem Stahlgewitter standhalten kann. Bereits im über acht Minuten langen Opener „The Stage“, wie weitere Songs von fantastischen Videoanimationen untermalt, spielt der ehemalige Schlagzeuger der Punkrock-Band Bad Religion vertrackte Rhythmen. Das infernalisch-wuchtige Stück ist eine Mini-Oper mit reichlich Spannungsmomenten aus dem gleichnamigen neuen Album, einem Heavy-Prog-Meisterwerk, epischer und progressiver als die Vorgänger. Thema: Künstliche Intelligenz.

Geht es noch ein bisschen lauter? Aber ja. „Afterlife“ lässt die Arena förmlich explodieren. A7X wissen genau, wie man die Live-Energie hochhält. Mit „Hail to the King”, einer nach Old-School-Pathos klingenden Metalhymne, gehen Konzert und die skandierenden Fans aber erst richtig ab. Das liegt insbesondere am virtuosen Saitenhexer Synyster Gates alias Brian Elwin Haner, der mit flirrenden Gitarrenläufen und grandiosen Soli brilliert und sich mit Rhythmusgitarrist Zacky Vengeance (Zachary James Baker) komplexe Duelle im Stile von Iron Maiden liefert. Sänger M. Shadows steht den beiden zu Anfang fast nicht nach. Auch wenn der Frontmann im roten Holzfällerhemd, mit kurzen Haaren, Baseballcap und dunkler Sonnenbrille nicht gerade wie ein typischer Metal-Sänger erscheint, überzeugt er mit einer facettenreichen Stimme. Mit Vorliebe wirbelt der 35-Jährige auf dem Laufsteg ins Publikum und durchdringt mit seinem ausschweifenden Organ das Hallenrund.

Was A7X liefern, ist ein ohrenbetäubendes und zugleich betörendes Gesamtpaket. Hier knallharte Stücke, teilweise im Stil von Metallica, wie das neue „Paradigm“. Dort ältere Songs wie „Buried Alive“ oder „Nightmare“ - eine klassische Metal-Ballade und ein melodiöser Metal-Traum, die den größten bleibenden Eindruck hinterlassen. Es ist die experimentelle Ideenvielfalt, die Überschreitung stilistischer Grenzen, die progressiv Verschachtelung, die abwechslungsreiche Mischung aus Power Metal, Heavy Metal, Symphonic Metal und Trash Metal oder einfach nur ganz großes Theater, das die Show zu einem musikalischen Hochgenuss puscht.

Doch die Freude währt nicht allzu lange. M. Shadows Stimme wird von Minute zu Minute schwächer, schon am Morgen war sie so angeschlagen, dass ein Arzt von einem Auftritt abriet. Die reichhaltige Setliste wurde deshalb rigoros zusammengestrichen, die Gesangsparts beim Rocker „Almost easy“ darf sogar ein Patrick aus dem Publikum übernehmen. Wenigstens reicht es noch für die ursprünglich als Zugaben vorgesehenen Klassiker „Bad Country“, das verschroben-schrille, auf einen morbiden Jahrmarkt entführende „A little Peace of Heaven“ und das ein Gehörgang-Chaos auslösende „Unholy Confessions“. Nach dieser gruseligen Achterbahnfahrt ist auch die letzte Seele geläutert.

Im gerade mal noch 80 Minuten langen Auftritt legen A7X gleichwohl einen eindrucksvollen Beweis ab, warum sie eine Blaupause für die New Wave of American Heavy Metal sind. Wenn Bands wie Judas Priest, Iron Maiden oder Metallica mal nicht mehr sind - A7X stehen für die Nachfolge parat. Gibt es ein schöneres Kompliment?

Vor A7X heizten Disturbed dem Publikum ein. Die Gäste als Vorband zu titulieren, würde die Heavy Metal-Band aus Chicago weit unter Wert verkaufen. Speziell in Europa ist das Quartett durch das Simon & Garfunkel-Cover „The Sound of Silence“ in die Schlagzeilen geraten. Inmitten ihres brachial-schönen Metaldonners spielen sie den magischen Song als einzige wirkliche Verschnaufpause. Die Stimme von Sänger David Draiman erzeugt in diesem Moment pure Gänsehaut. Es ist der besinnlichste Song des gesamten Abends, und an der rund einstündigen Feuershow hätten auch Rammstein-Fans ihre hitzige Freude. Disturbed müssen, wie A7X, wiederkommen. Dann aber als Headliner.