Von Martin Mezger

Stuttgart - Da sitzt er am Hammerklavier, krampft mal die Faust, reckt mal den Arm, gestikuliert und hämmert zwischendrin ein paar Töne in die Tasten: eigentlich das perfekte Abbild eines Sturm-undDrang-Jünglings, Rebell und Musensohn zugleich, zurückgezogen ins Intim-Innere, dort die einsam gärenden Empfindungen nach außen stülpend. Nur: So war’s wohl nicht gemeint, als Kristian Bezuidenhout vom Hammerklavier aus Haydns 47. Sinfonie leitete, in einem Konzert des Freiburger Barockorchesters im Stuttgarter Mozartsaal mit dem Titel „Sturm und Drang“. Beides ist unsinnig: Ein Klavier-Akkompagnement in Haydns Sinfonien ist funktionslos, daher abwegig. Und der literarische Sturm-und-Drang-Begriff - ein Sammeletikett für Aufbegehren, Ich-Kult und Sozialkritik - taugt nichts für die sprachlose Musik.

Gleichwohl entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts Musik, die Konventionen über den Haufen geigt, Verstörung und anarchisch-subjektive Empfindung anmeldet. Die Freiburger Barocker stürmten und drängten denn auch mit Verve und Vehemenz in diese bewegte Periode der Musikgeschichte: in der Haydn-Sinfonie zwar mit ein paar Schnitzern, dafür grandios in der Kontrastspannung von schroffen Akzenten, Bläser-Dissonanzen und perlendem Laufwerk, knackiger Pointierung und expressiver Zeichnung im Variationen-Adagio, blitzender Erregung im Presto-Finale.

Souverän statt zopfig

Straff und taff der Streicherpart im d-Moll-Klavierkonzert von Carl Philipp Emanuel Bach, das Solist Bezuidenhout mit dem frühromantisch klingenden, allerdings nicht ganz astrein gestimmten Hammerflügel von 1815 zum Vorklang künftiger Ausdrucksmusik erklärte: Schwungvoll greift er die Thematik auf, klar konturiert in der pulsierenden Fortspinnung, souverän statt zopfig in der verzierten Kantabilität des langsamen Satzes. Nach der staunenswert dramatischen g-Moll-Sinfonie von Johann Christian Bach mit ihrem quasi nihilistisch auströpfelnden Schluss bewies Bezuidenhout in Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert KV 449, dass Kraft und Elan nicht von Steinway-Lautstärke abhängen. Die Elastizität und Lockerheit in den Läufen, die Berührung von Eleganz und Poesie, die Balance im Klang sind nur mit dem authentischen Instrument zu erreichen - und zugleich Zeugnis der kongenialen Kunst des großen Mozart-Interpreten. Mit dem superb spielenden Orchester öffnete er wundersame Klangarchitekturen, ein Zauberkabinett wechselnder und überraschender Perspektiven, erfüllt von Licht und Empfindung.