Festivalleiterin Gudrun Hähnel vom Treffpunkt Rotebühlplatz und der künstlerische Leiter Marcelo Santos. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Stuttgart - Wettbewerb oder Festival? Wie erfolgreich sind die Gewinner? Im Treffpunkt Rotebühlplatz findet wieder das Solo-Tanz-Theater-Festival statt. Über Teilnehmer, Jury und den Erfolg des Wettbewerbs äußern sich Festivalleiterin Gudrun Hähnel vom Treffpunkt Rotebühlplatz und der künstlerische Leiter Marcelo Santos.

Wo sehen Sie heute den nationalen und internationalen Stellenwert Ihres Festivals, auch im Vergleich zu ähnlichen Wettbewerben in Leipzig und Köln? Überschneiden sich nicht die Teilnehmer?

Hähnel: Das Internationale Solo-Tanz-Theater-Festival Stuttgart wird national und international wahrgenommen, es hat einen hohen Stellenwert in der Tanzlandschaft. Erkennbar wird das an der hohen Zahl der Bewerbungen und deren Qualität. In diesem Jahr waren es zum Beispiel 340 Stücke und die Auswahl war wirklich sehr schwer. Hätten wir mehr finanzielle Mittel, könnten wir die Dauer des Festivals ausweiten. Die Tour der Preisträger zieht immer größere Kreise, ist in Deutschland von Hamburg bis Lindau unterwegs und geht auch in Brasilien zum siebten Mal auf Tour. Die beiden anderen Wettbewerbe führen zu keiner Überschneidung, so nehmen in Köln auch renommierte Choreografen teil; uns geht darum, Nachwuchs zu fördern. Der Wettbewerb in Leipzig findet nur alle zwei Jahre statt und prämiert nur deutsche Solos. Uns geht es um den künstlerischen Austausch in der Welt.

Santos: Somit bleibt unser Wettbewerb einmalig und bedeutsam.

Wie schwer ist es, all die Solos miteinander zu vergleichen - sie stammen aus völlig unterschiedlichen Stilrichtungen, Traditionen, Ländern. Wie kann man zum Beispiel Tanztheater oder Performance mit abstrakten Bewegungsstudien vergleichen, muss eine Rangfolge nicht zwangsläufig ungerecht ausfallen?

Santos: Es geht nicht darum, die Solos miteinander zu vergleichen. Sie sind tatsächlich in ihrem Bewegungsvokabular, in den verarbeiteten Themen oder ihrer Dramaturgie sehr verschieden. Genau darum geht es: Einen Austausch herzustellen. Die hochkarätige Jury hat bisher über all die Jahre vermocht, die Qualität der Arbeiten richtig einzuschätzen und zu bewerten. Natürlich gibt es immer Stücke, die beim Publikum besonders gut ankommen, aber dafür gibt es die beiden Publikumspreise.

Nach welchen Kriterien wählen Sie alljährlich die Jury aus?

Hähnel: In die Jury werden nur zeitgenössische Choreografen und künstlerische Leiter mit internationalem Namen eingeladen, dabei legen wir großen Wert darauf, dass ein Mitglied aus Stuttgart oder Baden-Württemberg dabei ist. In diesem Jahr kommen der Gießener Ballettdirektor Tarek Assam, Bernhard Fauser, der Geschäftsführer des Choreografischen Zentrums Heidelberg, Caroline Finn, die Leiterin der National Dance Company Wales, der Choreograf Kevin O’Day und Adriana Pous, die Leiterin des Choreografischen Zentrum DANTZAZ im spanischen San Sebastián.

Die Räumlichkeiten im Treffpunkt Rotebühlplatz sind begrenzt, sowohl für die Tänzer wie für die Zuschauer. Wie oft haben Sie über eine Verlegung des Wettbewerbs nachgedacht?

Santos: Ich war sehr glücklich, als ich vor 18 Jahren das Festival in DIE Tanzstadt Stuttgart bringen konnte. Aus dem anfänglich überschaubaren Wettbewerb in Augsburg hat sich nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch nachhaltiges Festival entwickelt. Der Robert-Bosch-Saal bietet eine unvergleichliche Nähe zur Bühne, zum Künstler und zur Jury.

Hähnel: Inzwischen ist dieses Festival eine Marke und gehört in den Treffpunkt Rotebühlplatz, es wird weltweit mit diesem Ort in Verbindung gebracht. Zuschauer, die nicht persönlich dabei sind, können die Stücke live im Internet verfolgen.

In den 20 Jahren seines Bestehens gingen relativ wenige bekannte Choreografen aus dem Stuttgarter Festival hervor - verfolgen Sie die Karrieren ihrer Gewinner? Woran liegt es, dass man von manchen gar nichts mehr hört?

Santos: Wir wollen - deshalb heißt unser Wettbewerb „Festival“ - eine Plattform für den künstlerischen Austausch bieten. Unseren Auftrag sehen wir darin, dem internationalen zeitgenössischen Tanz eine Bühne zu bieten und seine Entwicklungen über die Jahre hinweg abzubilden.

Hähnel: Es gibt eine beachtliche Zahl von Künstlern, die am Festival teilgenommen und sich inzwischen einen Namen gemacht haben, wie unser diesjähriges Jury-Mitglied Caroline Finn. Weitere Beispiele sind Roberto Scafati, Joeri Dubbe oder Martin Harriague.

Santos: Andere Künstler haben im Anschluss an das Festival ein Engagement bekommen und ihren Platz in der Tanzwelt gefunden. Man begegnet ehemaligen Teilnehmern immer wieder bei anderen Festivals oder Kompanien - sie gehören zur Internationalen Solo-Tanz-Theater-Festival-Familie.

Das Interview führte Angela Reinhardt.

Ab heute bis Samstag finden jeweils um 20 Uhr die Vorrunden statt, am Sonntag beginnt um 17 Uhr das Finale.

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