Seiner unfreiwilligen Rolle als Vater der kleinen Gloria (Gloria Colston) kann Samuel (Omar Sy) zunächst nur wenig abgewinnen, doch mit den Jahren wächst ihm das kleine Mädchen zusehends ans Herz. Foto: Tobis Film Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Esslingen - Manchmal braucht man einen zweiten Blick, um zu erkennen, dass ein Anderer das Herz am rechten Fleck hat. Und manchmal muss einen das Schicksal vor eine unerwartete Herausforderung stellen, damit man merkt, was wirklich in einem steckt. Denn der Mensch wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben - und plötzlich kann das Leben einen völlig neuen Sinn bekommen. Geschichten, die nach diesem Muster funktionieren, sind dem Schauspieler Omar Sy nicht fremd: Vor Jahren mimte er in der Erfolgskomödie „Ziemlich beste Freunde“ einen Tunichtgut, der wider Willen einen schwerbehinderten Mann betreut, seinem Patienten neuen Lebensmut beschert und auch sich selbst wieder auf Kurs bringt. Nun muss er in Hugo Gélins turbulenter Komödie „Plötzlich Papa“ erneut über seinen Schatten springen.

Das süße Leben dauert nicht ewig

Samuel liebt das süße Leben, und vor allem liebt er sich selbst. Seine Tage an der Côte d’Azur sind ein einziges Vergnügen - das nötige Geld verdient er sich, indem er reiche Touristen auf schicken Jachten durch die Gegend schippert. Und wenn er seine Chefin mit seiner Unzuverlässigkeit wieder mal zur Weißglut getrieben hat, dann wickelt er sie mit seinem unwiderstehlichen Charme im Handumdrehen wieder um den Finger. Als er nach durchzechter Nacht einen wichtigen Termin verdaddelt hat, kriegt er’s nicht nur mit seiner Chefin zu tun: Unverhofft steht eine gewisse Kristin (Clémence Poésy) aus London vor seiner Tür und eröffnet ihm, dass er nach einem One-Night-Stand eine kleine Tochter hat, um die er sich gefälligst kümmern soll. Und ehe Samuel noch richtig reagieren kann, ist Kristin schon wieder verschwunden - die kleine Gloria hat sie ihm einfach dagelassen.

Weil sich Samuel so ziemlich alles vorstellen kann, bloß nicht die Rolle des fürsorglichen Vaters, reist er nach London, um die kleine Gloria wieder bei ihrer Mutter abzuliefern. Doch die Reise wird zum Alptraum: Während der Papa wider Willen verzweifelt versucht, sich im Londoner U-Bahn-Dschungel zurechtzufinden, schreit das Kind unablässig. Zum Glück lernt er auf einer Rolltreppe den schwulen Filmproduzenten Bernie (Antoine Bertrand) kennen, der Samuel einen Job als Stuntman anbietet. Der lehnt natürlich dankend ab, weil er sicher es, demnächst in sein gewohntes schönes Leben zurückkehren zu können. Doch davon kann keine Rede sein: Glorias Mutter ist unauffindbar, seine Chefin feuert ihn hochkant, und Samuel muss in seiner Not Bernies Angebot annehmen. Und siehe da - mit der Zeit wird aus Samuel und Gloria ein richtiges Dreamteam. Die Sache hat nur einen Haken: Das Mädchen vermisst seine Mutter, und Samuel gaukelt ihr eine wilde Geschichte vor, weshalb sie nicht bei ihnen sein kann. Doch als Kristin Jahre später plötzlich wieder vor der Tür steht, nimmt die Geschichte eine dramatische Wendung ...

„Mich berührte die Geschichte von Samuel, diesem Mann, der sein Leben ganz in den Dienst seiner kleinen Tochter Gloria stellt“, sagt Regisseur Hugo Gélin. „Gloria benimmt sich oft schon viel reifer als er selbst, indem sie ihn zum Beispiel an seine Termine erinnert. In dieser ungleichen Kleinfamilie mit einem alleinerziehenden Vater, der nicht erwachsen sein will und dem extravaganten Onkel Bernie ist Gloria der Motor. Und doch ist sie noch ein kleines Mädchen, das seine Mutter vermisst.“ Es ist ein Vergnügen, Samuel und seine Tochter zu erleben, wie sie gemeinsam ihren schwierigen Alltag meistern. Gloria Colston ist in der Rolle der kleinen Gloria ein Wirbelwind mit Herz und Verstand, während Omar Sy die Wandlung vom leichtlebigen Hallodri zum liebenden Vater überzeugend nachvollziehbar werden lässt. Er macht seine Wohnung zum Kinderparadies mit Bällebad und Rutschbahn, ist für jeden Blödsinn zu haben, zeigt aber wenn’s sein muss auch seine weiche, fürsorgliche Seite und beweist in jeder Situation jene ungekünstelte Leinwandpräsenz, die er schon in „Ziemlich beste Freunde“ an den Tag gelegt hatte. Und wenn das Vater-und-Tochter-Glück gegen Ende ernsthaft in Gefahr gerät, leidet man mit diesen wunderbaren Leinwand-Figuren mit.

Ein Lebemann wird unfreiwillig zum Papa - und freundet sich mit seiner Rolle an. Hugo Gélin erzählt eine warmherzige Geschichte, die die Balance hält zwischen turbulenten und anrührenden Momenten, zwischen unbeschwerter Heiterkeit, liebevoller Nähe und zunehmender Dramatik, wenn die Geschichte eine nicht ganz überraschende Entwicklung nimmt.