Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Esslingen - Es gibt Romane, die schreien geradezu nach einer Verfilmung. Jonas Jonassons Bestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war so einer: Eine herrlich überkandidelte Geschichte, aberwitzige Wendungen, schräge Figuren und witzige Dialoge sorgten dafür, dass dieses Buch rasch die Leinwand eroberte. Und auch wenn manche Kinogänger das Gefühl hatten, dass die Verfilmung den einzigartigen Reiz der literarischen Vorlage nicht ganz einzufangen vermochte, so lockte Felix Herngren allein in Deutschland rund 1,2 Millionen Zuschauer in die Kinos. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis der Ruf nach einer Fortsetzung laut werden würde. Die Sache hatte nur einen Haken: Jonassons mit Spannung erwarteter zweiter Teil lässt auf sich warten. Weil Herngren so lange nicht warten mochte, entschloss er sich zusammen mit seinem Bruder Mans, die Geschichte auf eigene Faust weiterzuspinnen. Das Ergebnis ist von heute an unter dem Titel „Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“ in den deutschen Filmtheatern zu begutachten.

Ein schwedischer „Forrest Gump“

Mit seinen verrückten Abenteuern hat der alte Allan Karlsson (Robert Gustafsson, Concorde-Foto) die Herzen vieler Literaturliebhaber im Sturm erobert. Damals war er kurz vor seinem 100. Geburtstag aus dem Altenheim ausgebüchst, weil er sich zu Tode langweilte. Was folgte, war eine turbulente Odyssee, die immer absonderlichere Züge annahm: Er fand einen Koffer voller Geld, geriet an eine Gruppe Schwerkrimineller, begegnete einem Elefanten und machte unterwegs die tollsten Bekanntschaften. Und je länger seine Reise dauerte, desto mehr erfuhr der geneigte Leser über Allans wild bewegtes Leben. Denn der alte Knaudel war in Wahrheit an vielen der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts beteiligt - „Forrest Gump“ ließ grüßen.

Nun ist Allan ein weiteres Jahr älter, doch sein Leben ist so abenteuerlich wie eh und je. Mit dem Geld, das er am Ende von Jonas Jonassons Roman gebunkert hatte, genießen Allan und seine Freunde das schöne Leben am Strand von Bali. Doch weil sie in ihrem exotischen Paradies etwas zu kostspielig gefeiert haben, ist die Kasse plötzlich leer, und guter Rat ist teuer. Und auch wenn er nun seinen 101. Geburtstag feiert, bleibt Allan gar nichts anderes übrig, als darüber nachzudenken, wie er die Zeit bis zum nächsten Geburtstag finanzieren könnte. Als er die allerletzte Flasche Volkssoda öffnet, die er noch seit seiner Zeit als Spion im Kalten Krieg gebunkert hatte, erinnert er sich an Breschnews bis heute kaum bekannte Versuche, den Amerikanern ausgerechnet auf zwei entscheidenden Gebieten Paroli zu bieten: der Rockmusik und den Softdrinks. Musikalisch hatte sich der Staatschef der Sowjetunion damals verpokert, doch mit seiner leckeren Volkssoda hätte er die USA an den Rand des Ruins bringen können - wenn Nixon nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte. Allan ist elektrisiert, weil er sicher ist, dass sich daraus noch immer etwas machen ließe ...

So macht sich Allan mit seinem Kumpel Julius (Iwar Wiklander), dem Ex-Gangster Pike (Jens Hulten) und dem Kapuziner-Äffchen Erlander auf die Suche nach dem Rezept von Volkssoda, dem vielleicht besten Sprudel der Welt. Dass sie angesichts leerer Taschen die Zeche im Luxushotel prellen müssen, wird billigend in Kauf genommen. Doch damit fangen die Turbulenzen erst so richtig an, denn Allan und seine Freunde lassen nichts aus, um auf sich aufmerksam zu machen. So kommen ihm alle möglichen Leute auf die Spur. Bald jagt wieder eine Katastrophe die nächste Verwicklung, und Allan kann sich vor Verfolgern kaum retten. Doch der Alte bleibt auch im größten Chaos ultracool, und wenn gar nichts mehr hilft, muss er notfalls eine seiner legendären Bomben zünden.

Mans und Felix Herngren fühlen sich in Jonas Jonassons literarischem Universum wie zu Hause. „Und das Ende gibt bereits die Vorahnung einer Fortsetzung“, fanden die beiden. So haben sie sich in die Gedankenwelt des Autors versetzt und haben seine erfolgreiche Masche munter weitergestrickt. Das ist ihnen nicht schlecht gelungen, doch mit Fortsetzungen erfolgreicher Bücher und Filme ist das so eine Sache: Die Messlatte liegt noch ein bisschen höher und der Überraschungseffekt, der zu einem guten Teil den Reiz der Romanlektüre ausgemacht hat, funktioniert längst nicht so überzeugend wie im Original. Trotzdem machen Allan Karlssons Abenteuer auch in Folge zwei Spaß. Allan und seine Freunde sind Typen, die man ins Herz schließen muss, und wenn die Herngren-Brüder vermeintliche Momente der Weltgeschichte mit einem satirischen Augenzwinkern zelebrieren, kann man sich köstlich amüsieren, auch wenn nicht alles neu ist.

Felix und Mans Herngren haben sich eine Fortsetzung von Jonas Jonassons Bestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ ausgedacht und verfilmt. Auch wenn nicht alles neu und überraschend ist, sorgt das für viel Vergnügen. Nur ein Problem tut sich nun auf: Wie soll der Romanautor eine eigene Fortsetzung der Geschichte schreiben, wenn es im Kino bereits eine gibt?