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Unified-Team des Treffpunktes Caritas fährt im März 2019 zu den Special Olympics World Games in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Bad CannstattImmer wieder zählt Caroline Flegel im Kopf rhythmisch bis zehn. „Lange Schläge, lange Schläge“, ruft die Steuerfrau ihrer Parterin Isabelle Schildheuer im Zweier-Kanu zu. Das Ziel: Die Paddel möglichst synchron ins Wasser eintauchen und das Boot so schnell wie möglich ins Ziel fahren.

Wie gut sie die Vorgaben umsetzen, stellten sie zuletzt im Unified-Doppel – Menschen mit und ohne Handicap machen gemeinsam Sport – über die Distanz von 200 Metern bei den nationalen Spielen der Special Olympics in Kiel unter Beweis, „Sie waren super aufeinander abgestimmt“, sagt ihre Trainerin Doris Kretzschmar vom Treffpunkt, Caritasverband für Stuttgart, der seit 25 Jahren mit der Kanu-Gesellschaft Stuttgart kooperiert. Beim Blick zurück gerät sie sofort ins Schwärmen. „Es sah wirklich wunderschön aus.“ Das I-Tüpfelchen: Die Kanutinnen siegten nicht nur in ihrer Klasse, sondern wurden auch für die Special Olympics World Games 2019, die im März in Abu Dhabi stattfinden, nominiert.

Als Isabelle Schildheuer, die im Marienhospital in der Patientenbegleitung tätig ist und noch im Herbst voll in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden soll, von der Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate erfuhr, konnte sie ihr Glück kaum fassen. „Ich war von den Socken. Das musste ich erst mal sacken lassen“, so die 21-Jährige. Auch Caroline Flegel, die 2010 beim Treffpunkt ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert hat und so zum Kanu-Sport kam, ist schon voller Vorfreude. Um am Turnier in dem Wüstenstaat teilnehmen zu können, lässt sie sich von ihrem Arbeitgeber, dem Energieberatungszentrum Stuttgart, freistellen, verzichtetet auf ihr Gehalt. „Schon die Eröffnungszeremonie mit Tausenden von Leuten im Zayed-Sports-City-Stadion wird ein Gänsehaut-Moment darstellen“, ist die 27-Jährige überzeugt.

„Ich will gewinnen! Doch wenn ich nicht gewinnen kann, so will ich mutig mein Bestes geben.“ Unter diesem Eid der Special Olympics schwören sich 7000 Athleten und Unified Partner aus 170 Ländern auf unvergessliche Weltsommerspiele ein. Bis sie sich jedoch mit ihren rund 2500 Trainern und Betreuern nach Abu Dhabi aufmachen, gibt es noch einiges zu tun. Auch für die deutsche Delegation, die aus 221 Sportlern besteht.

Bis 19. August muss Doris Kretzschmar sämtliche Papiere für ihre Athletinnen einreichen. Reisepässe mussten beantragt werden, Gesundheitszeugnisse von Ärzten ausgestellt werden. „Der Veranstalter muss wissen, was die Sportler mit Behinderung an Unterstützung brauchen, ob sie Medikamente nehmen oder Allergien haben.“ Selbst die Kleidergrößen für das Sport- und Freizeitoutfit müssen jetzt schon festgelegt werden. Alleine für die zwei Athletinnen musste die Trainerin zwei Dutzend Dokumente „eintreiben“.

Viel zu tun haben auch Isabelle Schildheuer und Carolin Flegel. Schließlich müssen sie im Jachthafen von Abu Dhabi nicht nur über die „üblichen“ 200 Meter antreten, sondern gehen auch über die 500 Meter Distanz an den Start. „Da darf man sich nicht zu früh auspowern“, sagt Kretzschmar, die jedoch an ihre Schützlinge glaubt. „Caroline ist eine wahre Sportskanone, ein Glücksgriff für uns. Isabelle ein Energiebündel, das man manchmal sogar einbremsen muss.“ Damit sie optimal auf die Wettkämpfe im März vorbereitet sind, „wird sich die Rennsportabteilung der Kanugesellschaft den Mädels annehmen“. Ab Ende Oktober werde jedoch nicht mehr auf dem Neckar trainiert, weil es zu früh dunkel wird. „In den Wintermonaten steht Kraft- und Zirkeltraining in der Halle auf dem Programm“, so Kretschmar, die seit mehr als 45 Jahren Mitglied der Kanu-Gesellschaft Stuttgart ist und fast 30 Jahren beim Treffpunkt arbeitet. Sie sieht sich als Brücke zwischen den Vereinen und der Behinderteneinrichtung. „Seit damals hat sich wirklich viel getan. Vor allem im Sport.“ Menschen mit geistiger Behinderung seien früher als Außenseiter nicht beachtet worden. Zugleich übt sie aber auch Kritik. „Inklusion ist ein schönes Wort. Noch ist jedoch nicht alles perfekt. Die Gesellschaft braucht wohl noch ein paar Jahre. Das größte Ziel wäre, uns, also den Treffpunkt, überflüssig zu machen.“