Ein generelles Süßigkeiten-Verbot für Kinder bringt nichts, denn alles, was verboten ist, ist besonders reizvoll. Foto: dpa - dpa

Immer mehr Kinder bringen zu viel Gewicht auf die Waage. Zwischen 2008 und 2018 nahm die Zahl der Mädchen und Jungen mit extremem Übergewicht um 30 Prozent zu. Das zeigt eine aktuelle Studie der KKH Kaufmännische Krankenkasse. Ursachen sind falsche Ernährung und Bewegungsmangel.

Dass immer mehr seiner kleinen Patienten mit Gewichtsproblemen kämpfen, stellt auch Olaf Raecke, Oberarzt an der Esslinger Kinderklinik, fest. „Teilweise sind schon Säuglinge übergewichtig, weil sie zum Beispiel Brei mit Zuckerzusatz oder übergroße Portionen bekommen.“ Stellen er oder seine Kolleginnen und Kollegen fest, dass falsch gefüttert wird, werden sie sofort aktiv und suchen das Gespräch mit den Eltern. „Denn man kann die Funktion von Fettzellen beeinflussen, wenn man frühzeitig eingreift.“


Egal ob Säuglinge, Kinder oder Jugendliche: „Die Eltern sind natürlich auch beim Thema Übergewicht unsere wichtigsten Partner. Da muss man mit der ganzen Familie arbeiten“, sagt der Oberarzt. „Zugleich sind die Eltern aber auch oft der Knackpunkt.“ Denn Gewichtsprobleme seien meistens hausgemacht. Sind Mama und Papa selbst übergewichtig, akzeptieren sie bei ihren Kindern ein paar Kilo zu viel. Da sich übergewichtige Menschen meistens nicht ausgewogen und gesund ernähren, seien dicke Eltern in der Regel weder bei der Ernährung noch in Sachen Bewegung ein Vorbild.
Doch wer bereits in jungen Jahren ständig mehr Gewicht draufpackt, steigert das Risiko für Erkrankungen der Leber, des Herz-Kreislaufsystems oder einer Insulin-Resistenz. „Wir haben hier leider auch schon zehnjährige Patienten, die durch ihr Übergewicht an Bluthochdruck leiden“, berichtet Olaf Raecke. In diesen Fällen drängt er darauf, „dass der Lifestyle schnell verändert wird“. Stellen die Ärzte der Kinderklinik fest, dass das Gewicht der kleinen Patienten nicht mehr zu ihrer Größe passt, verordnen sie ihnen aber keine Radikaldiät. „Wir sagen ihnen, dass sie ihr Gewicht halten und sich viel bewegen sollen. Da Kinder ja noch wachsen, rutscht das Gewicht automatisch wieder in die BMI-Perzentile. So wird auch der bekannte Jo-Jo-Effekt vermieden.“ Neben wenig ausgewogenem Essen und zu viel Süßkram ist natürlich vor allem auch Bewegungsmangel schuld daran, dass Kinder und Jugendliche immer mehr Gewicht zulegen. Eigentlich hat jedes Kind einen angeborenen Bewegungsdrang. „Viele Kinder verbringen allerdings viel zu viel Zeit daheim vor dem Computer, Smartphone oder Fernseher“, stellt Olaf Raecke fest. So hört er von Eltern, die mit ihrem Nachwuchs zur Kindersprechstunde ins Klinikum kommen, immer wieder, „dass man die Kinder einfach nicht von den Medien wegbekommt“. Nicht zuletzt hat der mangelnde Drang, sich zu bewegen, für den Oberarzt eine politische Dimension angenommen. „Weil immer mehr Flächen zugebaut und alles immer enger bebaut wird, wird der Bewegungsraum für die Kinder immer weiter eingeschränkt.“

Ernährungstipps


Muttermilch: Es ist wichtig, bereits nach der Geburt mit gesunder Ernährung zu beginnen. Dass Muttermilch das Allerbeste für Säuglinge ist, gilt auch in Bezug auf die spätere Entwicklung des Gewichts. Mütter, die nicht stillen können, sollten auf eine eiweißarme Ernährung ihres Kindes achten. Denn zu viel Eiweiß im Säuglingsalter erhöht das Risiko einer späteren Fettleibigkeit. Breie sollten, zumindest im ersten Lebensjahr, nicht mit reiner Kuhmilch angerührt werden.

Getränke: Gesüßte Getränke sind im ersten Lebensjahr des Kindes tabu. Auch Kleinkinder sollten möglichst Wasser oder ungesüßten Tee trinken. Dass Kindergartenkinder zu besonderen Gelegenheiten mal ein Glas Saft oder Limonade trinken, ist okay. Doch sollte das die Ausnahme sein. Generell sollten möglichst wenig stark zuckerhaltige Softdrinks und Schorle nur mit einem großen Anteil von Wasser getrunken werden.

Süßigkeiten: Auch bei den Nahrungsmitteln ist Zucker im ersten Lebensjahr ein Tabu. Ein generelles Verbot für Kinder bringt nichts, denn alles, was verboten ist, ist besonders reizvoll.

Ernährung: Um Kinder für eine gute und ausgewogene Ernährung zu sensibilisieren, ist es wichtig, dass daheim auf Fertiggerichte verzichtet wird. Auch Nahrungsmittel in der „Kindergiftfarbe Grün“ sollten auf dem Speiseplan stehen. Je früher man damit anfängt, Kindern Gemüse und andere hochwertige Lebensmittel schmackhaft zu machen, desto besser werde dies akzeptiert. Auch beim Pausenbrot sollten Eltern darauf achten, dass Gemüse mit dabei ist. Wenig förderlich sei es, Kindern ständig etwas zu essen anzubieten. Neben den Hauptmahlzeiten sollte es maximal zwei nicht zu üppig portionierte Zwischenmahlzeiten geben.