Alexander Schauffele hat den Schwung raus. Er siegte vor kurzem beim Finale der PGA-Tour in Atlanta. Fotos(2): dpa Quelle: Unbekannt

Bad Cannstatt - Die Schauffeles aus Bad Cannstatt - ein Familienclan mit einem Stammbaum, der weit über 200 Jahre zurückreicht. Die schillerndste Person dieser Dynastie ist 1983 im Alter von 80 Jahren gestorben: Richard „Molly“ Schauffele, Sportskanone, Kickers- und WLV-Boss, zweiter Bürgermeister in Stuttgart unter OB Arnulf Klett und Bauunternehmer. Nach ihm ist auch die Sporthalle hinter der Mercedes-Benz Arena benannt. Nun verleiht ein junges Mitglied der Großfamilie, der 24-jährige Alexander Victor Schauffele aus San Diego/USA, dem Geschlecht neuen Glanz.

Von Klaus Schlüter

Wenn Richard Schauffele noch leben würde, wäre er mächtig stolz auf seinen Ur-Enkel. Xander, wie der Newcomer mit den schwäbischen Wurzeln in Amerika genannt wird, ist nach einer offiziellen Punktwertung der mit Abstand beste deutsche Golfprofi. Vor Martin Kaymer, Alex Cejka und Marcel Siem, die jahrelang an der Spitze standen. Den endgültigen Durchbruch schaffte der Rookie kürzlich mit seinem Sensationssieg beim Finale der PGA-Tour in Atlanta, als er beim lukrativsten Golfturnier der Welt die gesamte Elite alt aussehen ließ. Dafür und für den dritten Platz in der FedExCup-Rangliste kassierte er die stolze Summe von 3,575 Millionen US-Dollar (knapp 3 Millionen Euro). Vorher hatte er bei den US-Open mit dem fünften Platz überrascht, beim „Greenbrier Classic“ in West Virginia gewann er seinen ersten Titel und 1,4 Millionen Dollar.

Xander scheint die sportlichen Gene seines Ur-Großvaters geerbt zu haben. „Molly“ Schauffele, geboren in Cannstatt, war ein Multitalent. Von 1919 an kickte der 2,03 Meter große Hüne beim VfB Stuttgart. Auf der Position des Mittelläufers - so wurde ein Innenverteidiger beziehungsweise Libero damals bezeichnet - hielt er die Abwehr des VfB Stuttgart zusammen. Am Ende seiner Fußballkarriere, wurde er 1927 mit den „Roten“ baden-württembergischer Meister. Danach wechselte Schauffele zu den Stuttgarter Kickers und konzentrierte sich ausschließlich auf die Leichtathletik.

Im Kugelstoß, Diskuswurf, Speerwurf und Schleuderball holte er über 40 württembergische Meistertitel, wurde mit den „Blauen“ 1935 deutscher Leichtathletik-Mannschaftsmeister. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin fungierte er als Obmann für die Wurfdisziplinen. Nach seiner aktiven Laufbahn machte er als Funktionär Karriere: Präsident der Kickers, Vorsitzender des WLV. Mit der Namensgebung für die „Molly-Schauffele-Sporthalle“ hinter dem Stadion hat die Stadt seinem berühmten Bürger ein Denkmal gesetzt.

Richards Sohn Michael führt heute, nachdem er sein Baugeschäft in Schwieberdingen veräußert hatte, eine Orangenfarm in Kalifornien. Aus seiner Ehe mit einer Französin gingen drei Buben hervor. Einer davon: Stefan Schauffele, der in den Achtzigerjahren als talentierter Zehnkämpfer in Deutschland galt. Er glänzte im Weitsprung, Speerwurf und 400-m-Lauf. Er hätte vielleicht Weltspitze werden können wie sein damaliger Weggefährte Jürgen Hingsen. Olympia war sein Ziel. Doch nach einem Unfall musste er seine großen Träume begraben. Am Rheinufer bei Wiesbaden rammte ein betrunkener 19-Jähriger sein Auto. Ein Glassplitter bohrte sich ins linke Auge, das auch mit sieben Operationen in zwei Jahren nicht gerettet werden konnte.

Nach diesem Schicksalsschlag suchte Stefan einen neuen Lebensinhalt. Er ging zum Studium in die USA. Lernte dort 1988 seine spätere Frau Ping Yi, eine Studentin mit japanisch-taiwanesischer Herkunft, kennen. Die beiden wechselten mehrfach den Wohnort und blieben schließlich in San Diego hängen, wo Stefan vom Golfvirus infiziert wurde. Er hatte Talent, spielte sein Handicap schnell Richtung Null. Er gründete eine Firma für Golfaccesoires und arbeitete nebenher als Golflehrer an der San Diego Golf Academy.

Sein gelehrigster Schüler war Xander, der jüngere seiner beiden Söhne. Der kam im Alter von 13 Jahren erstmals in den „Genuss“ von Trainerstunden seines Vaters. Stefan packte den Filius hart an. Tut das heute noch und ist dabei sein schärfster Kritiker. „Wenn ich scheiße spielte, dann sagte er mir das offen ins Gesicht. Das ist immer noch so“, erzählt der Sohn. So durfte Xander bis zum 18. Lebensjahr die Videoanalysen seines Schwungs nicht selber anschauen, weil der Vater der Meinung war, es würde ihn verwirren. Kein Wunder, dass Dad in den USA „Drill Sergeant“ genannt wird. Xander: „Er ist sehr diszipliniert, immer pünktlich und hat ein großes Organisationstalent. Diese typisch deutschen Eigenschaften trage ich zum Teil auch in mir oder versuche wenigstens, sie von ihm abzuschauen.“

Das System Vater-Sohn funktionierte. Xander spielte sich über den in den USA klassischen Weg im College Golf bis in die vorderen Ränge der College-Rankings, war in der Amateur-Weltrangliste in den Top-10 und wechselte 2015 ins Profi-Lager.

Xander hat beide Staatsbürgerschaften, die amerikanische und die deutsche. Bei den Turnieren auf der PGA-Tour in den Staaten spielt er stets unter der US-Flagge. Seit Jahresbeginn ist er auch Mitglied der PGA of Germany, der Vereinigung der hiesigen Berufsgolfer. Damit darf er international auch für das Heimatland seiner Väter starten. Etwa 2018 beim Ryder Cup. Oder 2020 bei den Spielen in Tokio, wo Golf wieder olympisch ist.

Xander Schauffele steht nun vor einer Gewissensfrage: Startet ich in Zukunft für die USA, wo der Konkurrenzkampf in seiner Sportart sehr groß ist? Oder entscheide ich mich für Deutschland, wo die Chancen auf eine Nominierung für die Olympischen Spiele ungleich höher sind? Beide Länder spielen in seiner Familiengeschichte eine Rolle. „Ich werde alle Fakten sammeln und ihm vorlegen. Das Herz soll ihm sagen, was richtig ist“, meint Vater Stefan.